Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Traurige und betrübte Folgen der schändlichen Eifersucht

wie auch
Heilsamer Unterricht, daß Eltern, die ihre Kinder lieben, sie zu keiner Heirat zwingen,
sondern ihnen ihren freien Willen lassen sollen; enthalten in der Geschichte Herrn Isaac
Veltens, der sich am 11. April 1756 zu Berlin eigenhändig umgebracht, nachdem er seine
getreue Ehegattin Marianne und derselben unschuldigen Liebhaber jämmerlich ermordet

        Die Eh ist für uns arme Sünder
    Ein Marterstand;
Drum, Eltern, zwingt doch keine Kinder
    Ins Eheband.
Es hilft zum höchsten Glück der Liebe,
    Kein Rittergut;
Es helfen zarte keusche Triebe,
    Und frisches Blut.

Dies wußte Fräulein Marianne
    So gut, als ich!
Dem schönsten, jüngsten, treusten Manne
    Ergab sie sich.
Mama, sprach sie, ich bin zum Freien,
    Nicht mehr zu jung;
Und, einem Manne mich zu weihen,
    Schon klug genung.

Ich kann es länger nicht verhehlen
    In meinem Sinn,
Mama, daß ich von Grund der Seelen,
    Verliebet bin.
Verliebt? in wen? – – Ich will ihn nennen
    Ich will, allein,
Sie müssen ihn nicht hassen können
    Und gnädig sein.

Versprechen Sie mir das, Mamachen!
    Sei'n Sie so gut,
Dann weiß ich ja, daß mein Papachen,
    Es auch gleich tut!
Leander – – Ach, Sie wollen schelten,
    Ich seh es schon!
Leander? Kind? – – – o nein! Herr Velten
    Sei Schwiegersohn!

Ja, ja, Herrn Velten sollst du nehmen
    Denn der hat Geld,
Und du mußt dich zu dem bequemen,
    Was mir gefällt.
Wie können junge Mädchen wissen,
    Was nützlich ist?
Die meisten sind verpicht aufs Küssen,
    Wie du auch bist.

Herrn Velten soll ich? ach! ich Arme!
    Was soll mir der?
Ach, daß der Himmel sich erbarme!
    Was soll mir der?
Es schwillt, von Millionen Tränen,
    Ihr schön Gesicht.
Und, tausendmal sagt sie mit Stöhnen:
    Ich will ihn nicht.

Du willst ihn nicht? Ich muß nur lachen,
    Sagt drauf Mama!
Wir wollen dir den Willen machen,
    Ich und Papa.
Man zwänget sie in einen Wagen,
    Hält sie vermummt,
Man bittet sie, noch ja zu sagen,
    Und sie verstummt!

Sie sieht, nach einer kurzen Reise,
    Sich eingesperrt,
Wo, nach beliebter alter Weise,
    Die Nonne plärrt.
Da soll sie beten und nicht lieben,
    Allein sie weint,
Sie weint, und will sich tot betrüben,
    Um ihren Freund.

Einst aber geht mit schwarzer Lüge
    Mama zu ihr!
Mein Kind, sagt sie, kennst du die Züge,
    Des Schreibens hier?
Der ewge Treue dir geschworen,
    Hat sie verfehlt.
Leander ist für dich verloren,
    Er ist vermählt.

Schnell rollt in einem goldnen Wagen
    Herr Velten her;
Auch kommt ein Mann, mit weißem Kragen
    Von ohngefähr!
Gequälet wird von Jung und Alten,
    Das arme Kind,
Und die Verlöbnis wird gehalten,
    Ach, wie geschwind!

Nun freut ein Haufen Anverwandten
    Sich auf den Tanz,
Nun binden Mütter, Nichten, Tanten,
    Am Jungfernkranz!
Nun schickt sich, zu drei wilden Tagen
    Das ganze Haus;
Und Priester gehn mit leerem Magen
    Zum Hochzeitschmaus!

Nur für die Braut ist keine Freude,
    Und keine Lust.
Sie quält sich, mit geheimen Leide,
    Tief in der Brust.
Mit Zittern höret sie den Segen
    Vorm Altar an!
Und seufzt, bei lauten Herzensschlägen:
    Ach welch ein Mann!

Am Abend mehret sich ihr Jammer,
    Und ihre Pein;
Denn, ach! sie soll nun in die Kammer
    Mit ihm hinein!
Wie man ein Lamm zur Schlachtbank führet,
    So führt man sie;
Seht, spricht Mama, wie sie sich zieret!
    Die Närrin die!

Jedoch sie war, am frühen Morgen
    Nun eine Frau.
Sie teilte nun des Mannes Sorgen,
    War nun genau.
Ihm seine Wirtschaft recht zu führen,
    So Tag als Nacht,
Und keinen Heller zu verlieren,
    War sie bedacht.

Ach, aber ach! geheime Schmerzen
    Verzehren sie;
Leander herrscht in ihrem Herzen
    So spät als früh.
Ach, wie mag er um mich sich kränken!
    Lebt er wohl noch?
Sie will nicht mehr an ihn gedenken,
    Und tut es doch.

Oft sitzt sie, neben einer Linde,
    Und spricht mit sich:
Ach; an ihn denken, das ist Sünde!
    Und die tu ich!
Könnt ich sie meiden, nicht mehr wissen
    Im fünften Jahr,
Daß, ach! Leander meinen Küssen
    Einst lieber war!

Von so schwermütigen Gedanken
    Wird sie geplagt;
Sie schränkt, in heilger Ehe Schranken,
    Sich ein, und klagt.
Einst, als sie sich dem Gram ergibet,
    Und einsam sitzt,
Und ihrem Ehmann, den sie liebet,
    Mit Spinnen nützt,

Da tritt er, in das stille Zimmer,
    Vergnügt herein,
Und bittet sie, doch nur nicht immer,
    Betrübt zu sein.
Ihm folgt ein Kaufmann, der Juwelen
    Und Perlen trägt,
Und der, im Innersten der Seelen,
    Betrübnis hegt.

Kind, spricht er, kauf dir von den Waren,
    Was dir gefällt!
Wir dürfen ja nicht immer sparen,
    Sieh, hier ist Geld!
Er gibt zwölf Taler ungezählet,
    Und pfeift und lacht,
Und geht, weil ihm ein Brate fehlet,
    Hin auf die Jagd.

Nun steht, mit zitternden Gebärden,
    Der Kaufmann da,
Voll Furcht, von der gehaßt zu werden,
    Die ihn jetzt sah;
Weil, von den Rosen seiner Wangen
    Ein langer Bart,
Herabhing, und, wie sie vergangen,
    Gesehen ward.

Die Augen niederwärts geschlagen,
    Sieht sie ihn an;
Was habt Ihr, fängt sie an zu fragen,
    Mein lieber Mann!
Er zeigt ihr seine Waren, schweiget,
    Und spricht kein Wort,
Doch geht, so oft er ihr was zeiget,
    Ein Seufzer fort.

Ach, denkt sie, warum so betrübet?
    Er jammert mich!
Sein Gram ist groß, gewiß er liebet,
    Und seufzt, wie ich.
Sie fragt ihn: Was für stille Schmerzen,
    Erduldet Ihr?
Ist Liebesgram in Eurem Herzen?
    So sagt es mir!

Der Gram, mit welchem ich mich quäle,
    Verzehret mich.
Madam, er bleibt in meiner Seele,
    Wohl ewiglich.
Ein einzig Kleinod war auf Erden,
    Das wünscht ich mir!
Dadurch der Glücklichste zu werden,
    Das wünscht ich mir!

Ich bat zu GOTT, es mir zu geben
    Zum Eigentum.
Mein Hab und Gut, und selbst mein Leben,
    Bot ich darum!
Mein einzger Wunsch, und meine Freude
    War, es zu sehn.
Wie war es meiner Augen Weide!
    Wie war's so schön!

Ach aber, ach! in tausend Stücken,
    Zerriß der Schmerz,
Der nicht mit Worten auszudrücken,
    Mein armes Herz!
Verzweiflung, Treue, Glück und Ehre
    Bestritt mein Haupt,
Als ich vernahm, mein Kleinod wäre
    Mir weggeraubt!

Was war es? Sagt's, ich möcht es wissen:
    Welch Kleinod kann
Euch so betrüben? Darf ich's wissen?
    Mein lieber Mann!
Ich dächt, Euch wäre Leben lieber,
    Als Stein und Gold,
Mich wundert's, daß Ihr Euch darüber
    Tot grämen wollt.

Madam, was von entfernten Mohren
    Der Geiz herholt,
Ist Kleinigkeit! was ich verloren,
    Ersetzt kein Gold!
Es war mir teurer, als mein Leben,
    Als alles Geld,
Ach, was hätt ich darum gegeben?
    Die ganze Welt.

Einst malt ich mir, aus dem Gedächtnis
    Das werte Bild,
Des Himmels einziges Vermächtnis,
    Das Kummer stillt.
Ein Bild ist es, darum Ihr klaget?
    Ach zeigt es mir!
Er zieht es aus dem Busen, saget:
    Hier ist es, hier!

Sie nimmt es hin. Er sieht's mit Freuden
    In ihrer Hand.
Es war gehüllt in Gold und Seiden,
    Auswendig stand:
Von meinen zärtlich treuen Tränen
    Entsteht ein Bach;
Und dieses ist das Bild der Schönen,
    Ach Himmel, ach!

Sie macht es auf – – Allein erblasset,
    Von Schreck erfüllt,
Fällt sie in Ohnmacht, denn sie fasset,
    Ihr eigen Bild.
Ach Marianne, Marianne!
    Ach stirb doch nicht!
Ach sieh mich, Engel! ach ermanne,
    Dein schön Gesicht!

Erweckt vom Schalle dieser Worte
    Kommt sie zu sich.
Freund, spricht sie, flieh von diesem Orte,
    Freund, meide mich!
Ein andrer, saget die Getreue,
    Hat meine Hand!
Entferne dich, denn meine Treue
    Hält ihm Bestand.

Er eilt, gehorsam dem Befehle,
    Urplötzlich fort.
Ach, seufzt er, ach geliebte Seele,
    Nur noch ein Wort:
Ich sterb um dich. Er faßt im Gehen
    Die Hand ihr an;
Zum letztenmal will er sie sehen,
    Da kommt der Mann.

Stirb, sagt er, Räuber meiner Ehre,
    Mit tausend Schmerz!
Er tobt und stoßt, mit Mordgewehre,
    Durch beider Herz.
Leander stirbt! und Marianne
    Spricht: GOtt Lob, ich
Verdient es nicht. Sie spricht zum Manne:
    Du jammerst mich!

Nun hat er keine frohe Stunde,
    Des Nachts erscheint,
Die treue Gattin, zeigt die Wunde
    Dem Mann und weint.
Ein klägliches Gewinsel irret
    Um ihn herum.
Ihn reut die Tat, er wird verwirret,
    Er bringt sich um.

Beim Hören dieser Mordgeschichte
    Sieht jeder Mann
Mit liebreich freundlichem Gesichte
    Sein Weibchen an,
Und denkt: Wenn ich es einst so fände,
    So dächt ich dies:
Sie geben sich ja nur die Hände,
    Das ist gewiß!

 


 


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