Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Auf das Beilager des Freiherrn von * * *

1745

        Ja, nun hab ich sie gesehen.
O wie reitzte sie, die Schöne!
Welche kluge Schmeichelworte!
Welche sanfte Venusminen!
Welche holde Rosenwangen!
Tausend schöne Liebesgötter
Schwärmten um die schönen Glieder.
Dreißig schwärmten um die Wangen,
Zwanzig scherzten mit den Lokken;
Aber, wo die meisten schwärmten,
Wo die meisten schwärmen werden,
Soll der schöne Bräutgam sagen.
Bräutgam, sagst du es dem Dichter,
O so soll er nebst der Schönen,
Alle Liebesgötter malen.
Itzund soll er nur die Schöne
Pesnen oder Harpern malen.

»Auf! Vortreflichster der Maler!
Auf, und schildre, Preis der Maler!
Meister in der Kunst der Rhoder,
Komm, und schildre diese Schöne,
Wie ich sie beschreiben werde!
Male mir vor allen Dingen,
Zarte rabenschwarze Haare,
Und, wofern es anders möglich,
Male sie auch lieblich duftend.
Male zwischen schwarze Lokken,
Da, wo sich die Wangen schliessen,
Eine Stirn von Elfenbeine.
Laß sich nicht die schwarzen Bogen,
Die sich um die Augen krümmen,
Gänzlich trennen, noch vermischen;
Sondern, wie bei meinem Mädchen,
In einander sanft verlieren.
Ihrer Augen Reitz zu treffen,
Male sie wie reges Feuer,
Und auch blau, wie Pallasaugen,
Und auch zärtlich, wie Citherens.
Mische Milch, zu jungen Rosen,
Wann du Nas und Wangen malest.
Gib ihr Lippen, wie der Suada,
Die den Mund zum Küssen laden.
Um das sanfte Kinn der Schönen,
Und um ihren Hals, wie Marmor,
Laß die Huldgöttinnen fliegen.
Kleide sie nunmehr in Purpur.
Aber laß vom zarten Leibe
Etwas wenigs unverhüllet,
Das verhüllte zu verraten.
Geh itzt hin. Dis ist die Schöne.«
Wirst du Bild nicht auch bald reden?
Rede wie das Urbild redet,
Wann es dem Geliebten schmeichelt,
Holde, zarte Schmeichelworte;
Rede was es künftig redet,
Wann er es allein nur höret,
Und der Kleine, mit dem Bogen,
Welcher der vertrauten Mutter
Alles lächelnd wieder saget.
O! wie schön wird es sich hören!
Wolt ihrs auch, ihr Schönen, hören?

 


 


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