Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Der blöde Schäfer

Ein Lustspiel

[Erste Fassung]

Dich macht die Liebe nicht zu kühn.
Hagedorn.


Erster Auftrit.
Seladon.
Ismene liegt schlafend.
                            Ja, ja, sie hat sich hier zum Schlafen hingelegt.
Ihr Winde, wenn ihr euch auf dieser Flur bewegt,
O so bewegt euch nur sie lispelnd abzukühlen,
Du, Zefir, solst allein mit ihren Lokken spielen!
Wie süß, wie ruhig schläft die schönste Schäferin!
Ach, daß ich eben itzt hieher gekommen bin!
Es rauschet Laub und Gras. Wie leicht kan ich sie stören!
Ich will nicht weiter gehn, sie möchte mich sonst hören.
 
Anderer Auftrit.
Seladon und Ismene.
Ismene welche aufwacht.
Sieh da! was wilst du hier? du schleichst mir immer nach,
Itzt da ich schlafen will, machst du mich wieder wach.
Was hast du denn davon? du kanst mich nur vermeiden.
Du schleichst mir immer nach. Wer kan das länger leiden?
Seladon.
Ach schönste Schäferin!
Ismene.
                                          Was wilst du denn von mir?
Du kommst, so oft du wilst; komm ich so oft zu dir?
Und daß du zu mir kommst, das möchte noch geschehen,
Allein was du verlangst, das kan ich nur nicht sehen.
Suchst du vielleicht ein Schaf?
Seladon.
                                                    Ach, schönste Schäferin!
Ismene.
Was soll das? Seladon ich weiß, wie schön ich bin,
Hörst du vielleicht so gern: ach schönster Schäfer! sagen?
Nun, warum hast du denn die Augen aufgeschlagen?
Du seufzest? fehlt dir was?
Seladon.
                                              Ich seufze nur um dich.
Ismene.
Um mich? Wie meinst du das? Was seufzest du um mich?
Ist meine Mutter krank? hab ich den Pan betrübet?
Was hab ich denn versehn, hab ich ihn nicht geliebet?
Seladon.
Ach schönste Schäferin, was kanst du wol versehn?
Wer ist so fromm, wie du?
Ismene.
                                              Nun, was ist denn geschehn?
Soll ich dir was verzeihn? so sei es dir geschenket.
Seladon.
Nein, schönste Schäferin, hab ich dich je gekränket?
Betrübt ich dich einmal, so wär ich nicht mehr wehrt,
Daß meine Heerde steht, daß sie sich stets vermehrt;
So würde Pan, im Zorn, mir seine Huld entziehen,
So würde meine Trift nicht grünen und nicht blühen,
So dorrte Gras und Klee. Ich seufze nur nach dir.
Ismene.
So sag es doch einmal, was seufzest du nach mir?
Seladon.
Ach, schönste Schäferin, ich kan es dir nicht sagen.
Ich fürchte deinen Zorn, ich darf es ja nicht wagen,
Siehst du es mir nicht an?
 
Dritter Auftrit.
Die Vorigen und Filinde.
Filinde.
                                            Geh, Seladon, geh weg,
Ismenens Mutter kommt, sie ist schon nah am Steg,
Sie muß dich hier nicht sehn. Geh, dort, nach jenen Hekken.
Geh hin, ins Lindenthal, da kanst du dich verstekken.
(Seladon geht ab.)
 
Vierter Auftrit.
Ismene und Filinde.
Filinde.
Ich hab es wol gehört. Nun hat er es gewagt,
Und dir viel zärtliches vom Lieben vorgesagt,
Nicht wahr?
Ismene.
                      Nach seiner Art. Er ist ein schlechter Meister
In dem, was Lieben heißt.
Filinde.
                                            Nun? ist er noch nicht dreister?
Ismene.
Er sagte nur, wie sonst: ach, schönste Schäferin!
Er schwieg, und seufzte nur. Gewiß sein blöder Sinn
Ist keiner Liebe wehrt. Filind, ich will ihn hassen.
Filinde.
Du wirst nichts hurtiger, als dieses, unterlassen.
Du hast ihn viel zu lieb.
Ismene.
                                        Nein, warlich, nun nicht mehr.
Filinde.
Warum gefiel dir denn der Schäfer sonst so sehr
Mit seiner Blödigkeit? Wenn andre Schäfer scherzten,
Und lauschend, bey dem Spiel, die Schäferinnen herzten;
Wenn mancher loser Schalk, mit seiner losen Hand,
Schlau nach dem Busen schlich, so stand er an der Wand
Und lächelte dazu. Nicht wahr? kaum kont ers wagen,
Als ihn die Schwester bat, ein Häufgen abzuschlagen,
Und diese Blödigkeit gefiel dir damals ja.
Wie oft hast du gesagt: Sieh doch den Schäfer da,
Es läßt ihm doch recht hübsch. Er ist so fromm, so stille!
Nun er es immer bleibt, nun ändert sich dein Wille,
Nun soll er freier thun, und da er es nicht thut,
Da er nicht dreister wird, bist du ihm nicht mehr gut.
Ismene.
Du stellst dich warlich recht, als wenn du nichts verstündest;
Wenn du den Filamor, allein im Busche findest,
Was wünschest du dir dann? nicht wahr? mit ihm allein
Im dikksten Busch verstekkt, und unbelauscht zu seyn?
Allein gesetzt einmal, daß er mit dir nicht scherzte
Nur müßig bey dir säß, und dich nicht fleißig herzte,
Was fragtest du nach ihm? mich deucht, gewiß nicht viel.
Filinde.
So tändelst du so gern. Nun seh ich erst dein Ziel.
Des Schäfers Blödigkeit war fähig dich zu rühren,
Allein du dachtest gleich: sie wird sich wol verlieren.
Hast du das nicht gedacht?
Ismene.
                                              Und dacht ich so nicht recht?
Filinde.
Ich hätt es selbst gethan, allein, es wär auch schlecht,
Daß ich den Schäfer nicht mit List verändern solte,
Wenn ich, an deiner statt, ihn dreister haben wolte.
Ismene.
Mit List?
Filinde.
                    Ja, Schäferin, sieh, so gelehrt bin ich,
Ich mache Blöde dreist!
Ismene.
                                          Filinde, lehr es mich!
Filinde.
Wolan, so höre denn: die Schäfer sind verschieden,
Der sagt uns, was er fühlt, und läßt uns nicht zufrieden,
Und jener, dessen Herz geheime Triebe nährt,
Sagt nichts, und sieht uns an, und hält uns liebenswehrt,
Und liebt doch heftiger. Nun aber soll ers wagen,
Und seiner Schäferin die Noth der Liebe klagen,
Er soll sie frei gestehn, allein er ist nicht frei,
Er ehrt sie gar zu viel, das macht ihn allzuscheu.
Ismene.
Recht so ist Seladon. Ich weiß, daß er mich liebet,
Allein daß ers nicht sagt, daß er nicht Proben giebet,
Wie dir dein Schäfer gab, nein, das gefällt mir nicht.
Soll ichs denn etwa thun? es ist ja seine Pflicht;
Er sollte lieber mich nur weniger verehren.
Filinde.
Wenn du mir folgen willst, so sollst du ihn bekehren.
Ismene.
Wie willig folg ich dir, doch wisse, Seladon
Bleibt warlich, wie er ist. Die Mutter hat den Sohn,
Den Blöden von Natur, noch blöder auferzogen,
Ich ward der Mutter gram, so bald ich dis erwogen.
Nein, meine Mutter ist so eigensinnig nicht,
Sie hat mich klug gemacht durch ihren Unterricht.
Sie hat mich selbst gelehrt, mit Hirten umzugehen.
Ach, wär es auch, wie mir, dem Seladon geschehen,
So würd er gegen mich, zu meiner grösten Pein,
Nicht schüchtern, wie ein Reh, nicht scheu, nicht blöde seyn!
Wie gern macht ich ihn dreist, es solt an mir nicht fehlen,
Und was ich neulich that, laß dir einmal erzählen:
Du kennst den Damon ja, den dreistern Schäfer wol,
Den ich nicht lieben kan, und dennoch lieben soll,
Den mir die Mutter selbst zum Bräutigam erlesen,
Der ist unlängst bei uns zur Festtagslust gewesen.
Mein Seladon war auch als Nebenbuhler da,
Hier legt es mir die Lieb, und ichs dem Schäfer nah,
Denn als nach Tanz und Lust, womit man sich ergötzte,
Ich mich aus Müdigkeit auf Rasen niedersetzte,
Kam Damon auf mich los, und nahm mich bei der Hand,
Weil nun mein Seladon bei ihm zur Seite stand,
Reicht ich die andre ihm, und sah ihn an, und lachte;
Allein, ob ich mir gleich die süsse Hofnung machte,
Nach dieser kleinen List des Schäfers Herz zu sehn,
So trieb ihn doch die Furcht gleich wieder wegzugehn.
Ach, lernte Seladon, ach lernt er mich doch kennen,
Ich bin ja nicht so hart, als er mich pflegt zu nennen!
Filinde.
Wie? hat dich Seladon schon einmal hart genannt,
Und du hast es nicht gleich zum Vortheil angewandt?
O wie gescheut bist du! Wo sind die Mutterlehren,
Die dich so klug gemacht, die möcht ich doch wol hören?
Als ich vom Filamor einst so genennet ward,
Sah ich ihn an und sprach: Ich bin ja nicht so hart.
Wie dreist ihn dis gemacht, das hab ich bald erfahren.
Zwei Worte sind genug, ein Herz zu offenbahren,
Und wenn ein Schäfer nur das Herz der Schäfrin kennt,
Wenn er erst weiß, daß es von gleichen Trieben brennt,
So ist er schon so klug, sich selber anzuführen,
So wird der Blödeste die Blödigkeit verlieren.
So gar dein Seladon –
Ismene.
                                      Was meine Mutter spricht,
Ist recht das Gegentheil. Was du meinst, meint sie nicht.
Sie spricht: Ein Mädchen muß sich nicht so leicht ergeben,
Der Hirt muß sich, mit Ernst, nach seiner Gunst bestreben,
Es sage nicht gleich: ja! es muß hübsch spröde seyn,
Nach Flehn und Bitten erst den ersten Kuß verzeihn,
Muß, den es würklich liebt, erst aus Verstellung hassen,
Muß, den es zärtlich liebt, erst zärtlich seufzen lassen.
So liebt ein Mädchen recht, so liebt es recht gescheut,
Der Schäfer Liebe wächst durch kluge Sprödigkeit.
Taugt diese Lehre nichts?
Filinde.
                                            Es ist die beste Lehre,
Wenn nur kein Seladon, kein blöder Schäfer wäre.
Du hast ihr ja gefolgt, was hast du denn davon?
Du liebst schon lange Zeit den blöden Seladon,
Und wirst, zu deiner Quaal, den Schäfer ferner lieben,
So lang du so genau die Mutterlehren üben,
Und mich nicht hören wilst.
Ismene.
                                                Wie gerne hör ich dich!
Die Liebe lehrt dein Herz und dieses lehre mich.
Welch Mittel weist du denn, den Schäfer zu entblöden?
Filinde.
Du must nicht spröde seyn. Von einer harten Spröden
Wird nie ein Seladon zur Dreistigkeit gebracht,
Er wird durch Sprödigkeit nur furchtsamer gemacht.
Versuch es aber nur und laß in Wort und Werken
Dem Schäfer, der dich liebt, die Gegenliebe merken.
Gib ihm durch Tändeln Witz, gib ihm durch eignen Scherz,
Zu Scherz Gelegenheit und Dreistigkeit ins Herz,
Und wird er dann nicht dreist, und will er dann nichts wagen,
So rath ich dir, du must ihm seine Fehler sagen.
Ismene.
Du forderst warlich viel. Doch dieses will ich thun,
Und – –
Filinde.
                Sieh doch, Schäferin, sieh dort –
Ismene.
                                                                        Was ist denn nun?
Filinde.
Dort kömmt mein Filamor, was mag der Schäfer wollen?
Ismene.
Er winkt, du wirst ihm wol zur Heerde folgen sollen.
 
Fünfter Auftrit.
Ismene. Filinde. Filamor.
Filamor.
Lauf, was du laufen kanst, geliebte Schäferin!
Dort seitwerts, wo ich itzt, mit meiner Heerde bin,
Dort sucht die Mutter dich. Sie rief dir in den Buchen,
Lauf hin, und finde sie, sonst wird sie lange suchen,
Lauf, nimm Filinden mit.
Ismene.
                                            Was will sie denn von mir?
Filamor.
Lauf gleich und frage sie!
Ismene.
                                            Bleibst du so lange hier?
Filamor.
Was, Schäferin? ich soll so lange hier verbleiben,
Soll ich die Heerde denn kein Flekchen weiter treiben?
So liebt ich sie ja nicht. Kommt nur fein bald zurükk,
Sonst zankt der Bokk mit mir – Seht doch, das ist ein Glükk
Seht, dort kommt Seladon!
Filinde.
                                                Nein – ja – da bleibt er stehen.
Filamor.
Nun hab ich Zeitvertreib, (winkend) Komm her!
Ismene zu Filinden.
                                                                                Wir wollen gehen.
 
Sechster Auftrit.
Filamor und Seladon.
Filamor.
Sieh da! du bist betrübt, geliebter Seladon,
Du siehst so finster aus, was hast du denn davon?
Sieh, wie vergnügt ich bin! fort, laß die Sorgen fahren,
Du bist ja noch kein Greis von neun und neunzig Jahren!
Sprich, da wir Schäfer sind, sprich, warum sind wir jung?
Ein alter Schäfer sorgt, denn der hat Zeit genung.
Sieh doch den schönen Lenz, er ladet uns zur Freude,
Sieh doch, wie alles scherzt, im Busch und auf der Weide!
Komm her, sey gutes Muths, wir müssen uns erfreun,
Soll Pan, der uns ergözt, umsonst so gütig seyn?
Sieh, wie das Lamm dort springt, soll uns das Lamm beschämen?
Es kennet keinen Gram, soll sich der Schäfer grämen?
Auf! sing ein Schäferlied, ich spiele was dazu,
Ich spiele, spiel ich gleich, nicht halb so schön als du,
Ich weiß ein neues Stükk, das soll dir schon gefallen,
Auf, singe Seladon, daß Berg und Thal erschallen!
Seladon.
Heut sing ich nicht.
Filamor.
                                  Nun? Was? Bist du im Ernst betrübt?
Was raubt dir Lust und Scherz? Du bist doch nicht verliebt?
Doch wärest du es nur, dann müstest du ja lachen.
Kann denn die Liebe wol die Schäfer traurig machen?
Du sprichst: heut sing ich nicht. Wie soll ich das verstehn?
Seladon.
Ich bin nicht aufgeräumt, du siehst – ich will nur gehn.
Filamor.
Wohin denn Seladon? Du kanst nur bei mir bleiben,
Dich quält ein stiller Gram, ich will ihn schon vertreiben.
Ich singe, singe mit. Ismene kommt zurükk.
Sie weiß, wie schön du singst, sing ihr mein neues Stükk,
Gib acht, ich lehr es dich, es fängt sich an: Ihr Blöden,
Ihr Blöden, werdet dreist!
Seladon.
                                              Du wirst mich nicht bereden,
Heut sing ich nicht, ich geh.
Filamor.
                                                So bleib doch nur noch hier,
Ismene kommt ja bald, und dann geh ich mit dir.
Komm, laß uns Blumen streun, und dann laß uns in Hekken
Den Bokk, da kommt er schon, den Bokk bei uns verstekken!
Wie zornig wird sie seyn, die schöne Schäferin,
Wenn sie zur Heerde kommt, daß ich nicht bei ihr bin,
Wenn sie den Bokk vermißt; doch, wird sie mit Filinden
Den Bokk und mich und dich und hier die Blumen finden,
Dann wird der kleine Zorn, den sie uns merken ließ,
Ihr bald genug vergehn, und da sie erstlich wieß,
Als sie voll Unmuth war, daß eine kluge Schöne
Auch zürnend artig sei, so wird hernach Ismene,
Wenn ihr der Spaß gefällt, den ich und du gemacht,
Wenn sie erst artig zürnt, und dann auch artig lacht,
Theils lächelnd, theils erzürnt, uns eine Freude machen,
Dann wollen wir mit ihr eins scherzen und eins lachen.
Seladon.
Wer glükklich ist wie du, der hat noch Lust zum Scherz.
Filamor.
Wie, fehlt es dir an Glükk? entdekke mir dein Herz.
Seladon.
Ach ich empfinde was, so ich noch nie empfunden.
Ein Schäfer sprach einmal von Schmerz und Liebeswunden
Mit einer Schäferin. Er sprach: Mein treues Herz
Empfindet, du bist Schuld, den allergrößten Schmerz,
Ach, laß doch meine Treu einst deine Gunst erwerben,
Sonst muß ich, ja ich muß, an Liebeswunden sterben,
Bedenk es Schäferin, du hast sie mir gemacht – – –
Was Liebeswunden sind hab ich seit dem bedacht.
Mich deucht, es war ihm so, wie mir anietzt, zu muthe.
Filamor.
Wie ist dir? sage mirs.
Seladon.
                                      Ich fühl in meinem Blute,
Ach! ich weiß selbst nicht was – Mir ist – so wie mir ist,
Du weist ja Filamor, wie du gewesen bist,
Als deine Schöne dir das erste mal gefallen.
Mich deucht, da sagtest du: Mein Blut fängt an zu wallen,
Wenn ich Filinden seh. Es fällt mir eben ein.
So wie dir damals war, so mag mir itzo seyn.
Filamor.
Ja, ja, du bist verliebt. Nun fang ichs an zu merken,
Ei! was ich längst geglaubt, solt du nun selbst bestärken.
Nicht wahr? die Fillis ists, das holde Schäferkind,
Die noch viel spröder ist, als ihre Schwestern sind.
Die die macht dich verliebt.
Seladon.
                                              Ach nein, es ist Ismene,
Die unerbittliche, die zehnmal härtre Schöne.
Filamor.
Was? sage Seladon, Ismenen liebest du?
Und sie ist dir zu hart? ha, ha!
Seladon.
                                                  Du lachst dazu.
Filamor.
Ja, liebster Seladon, du wirst sie nicht erbitten,
Du liebst die Sprödeste in unsern Schäferhütten.
Seladon.
Ich sprach vorhin zu ihr: ach, schönste Schäferin!
Und das verdroß sie gleich. Ihr felsenharter Sinn
Bleibt immer, wie er ist, und läßt sich nicht erweichen,
Ich werde nimmermehr der Liebe Zwekk erreichen.
Filamor.
Mich deucht, die Sprödigkeit ist sonst nicht ihre Art,
Jedoch sie hat vielleicht sie nur für dich gespart.
Du soltest dreister seyn bei unsern Schäferinnen,
Ich, ich verstund die Kunst, Filinden zu gewinnen.
Seladon.
Mein Freund, wenn du mich liebst, so lehrst du sie mich auch.
Filamor.
Ei ja! das thut man gleich.
Seladon.
                                            Wann mir durch den Gebrauch
Bei meiner Schäferin die Hofnung besser grünet,
So hat dir deine Kunst den besten Bokk verdienet,
Den allerbesten Bokk.
Filamor.
                                      Ha, ha! nur einen Bokk,
Nein Schäfer, meine Kunst verdienet wol ein Schokk.
Was kan man nicht durch sie? Sind Schäferinnen spröde,
Sind sie zur Liebe stumm, sie zwingt sie bald zur Rede.
Sind Nebenbuhler da, was schadts? durch meine Kunst
Besieget man sie leicht. Sie schaft der Mutter Gunst;
Dann hat man halbe Müh die Tochter zu besiegen.
Ach glaube, Seladon, ich wolte sie wol kriegen.
Seladon.
Die Kunst solt ich verstehn, so käm ich leicht zum Ziel,
Allein ein ganzes Schokk, das ist gewiß zu viel.
Wer weiß? es könnte mir mit deiner Kunst nicht glükken.
Mein Freund, du lachst mich aus, du lachst ja hinterm Rükken.
Filamor.
Ich lache, Seladon, daß du so geizig bist,
Da niemals sonst der Geiz Verliebten eigen ist,
Denn was man zärtlich liebt, das schätzt man hoch und theuer.
Man gibt gern alles drum. Wie mancher junge Freier
Hält seinen Becher hoch, den er sich selbst geschnitzt,
Allein man setz einmal, daß er zur Liebe nützt,
Sogleich ist er bereit, sein Kleinod wegzuschenken.
Mit Witz, mit Schmeichelei muß man die Schönen lenken.
Seladon.
Du kennst mich ja so gut, ich lieb und liebe treu,
Und hasse, wie den Wolf, die falsche Schmeichelei.
Filamor.
Ja, ja, das ist schon gut. Allein es kan geschehen,
Daß wir bei aller Treu uns doch nicht glükklich sehen.
Der Schäfer liebt getreu, allein die Schäferin
Verschmäht des Schäfers Glut, des Schäfers treuen Sinn,
Sprich lieber Seladon, was soll der Schäfer machen,
Daß sie ihn wieder liebt?
Seladon.
                                          Du fragst mich hübsche Sachen.
Allein die Antwort – ja – die ist ein bisgen schwer,
Gib dir die Antwort selbst, und lehr es mich vielmehr.
Filamor.
Man lehrt sichs selber kaum, und soll es andre lehren?
Jedoch, weil du es bist, so sprich, ich will doch hören.
Wie ists? wie stehst du denn mit deiner Schäferin,
Besuchst du sie fein oft? und prüfst du ihren Sinn?
Hast du sie schon geküßt?
Seladon.
                                            Ei ja! das könt ich lieber,
Man darf es ja nicht thun, sie zürnt ja gleich darüber,
Und wenn sie böse wird, was hilft mir Kuß und Trieb?
Filamor.
Der Schönen kleiner Zorn ist klugen Schäfern lieb,
Man kehrt sich nicht daran, man wagt es dreist von neuen,
Sie lieben heftiger, je öftrer sie verzeihen.
Versteh mich, Seladon, Gespräche, Blikk und Kuß,
Verschaffen Liebenden, den würdigsten Genuß,
Kein Schäfer, welcher liebt, kan ihren Dienst entbehren.
Versuch es, da du liebst, und folge meinen Lehren.
Der Schäfer wird geliebt, der schlau und zärtlich küßt.
Noch eins: wann du allein mit deiner Hirtin bist,
Was sprichst du dann mit ihr?
Seladon.
                                                  Ich spreche von der Heerde,
Ob Heu und Erbsenstroh den Winter reichen werde,
Du weißt es selbst ja wol, wovon ein Schäfer spricht.
Filamor.
Als Schäfer spricht man so, als ein Verliebter nicht.
An Heu und Erbsenstroh wird kein Verliebter denken,
Er wird gleich sein Gespräch auf bessre Sachen lenken.
Die goldne Rose soll bei der Geliebten stehn,
So wird er gleichen Schmukk auf ihren Wangen sehn.
Der schönste Sonnenschein soll Berg und Thal vergülden,
So ist die Schäferin das Schönst in den Gefilden.
Es soll auf seiner Flur die Heerde munter seyn,
So muntert er sie auf, sich so, wie sie, zu freun.
Es soll ein loser Bokk mit seiner Schönen spielen,
So fragt er: Soll ich denn nicht gleiche Triebe fühlen?
Durch sanfte Schmeichelei, durch manchen kleinen Scherz
Besiegt man, glaub es nur, manch felsenfestes Herz,
Und öfters siegt man leicht: denn dieses ist das Beste,
Der Schönen Herzen sind nicht alle felsenfeste.
Seladon.
Ach Filamor, ach hätt auch meine Schäferin
Kein felsenfestes Herz, und keinen harten Sinn,
Ach die, ich mag es ihr auch noch so nahe legen,
Ist härter als ein Felß. Sie läßt sich nicht bewegen,
Sie ist die Sprödeste.
Filamor.
                                    Das bilde dir nicht ein.
Ich Schäfer solte nur an deiner Stelle sein,
Drei Seufzer und ein Blikk, so wäre sie die meine.
Sieh schlau und seufze klug, so wird sie gleich die deine.
Wie siehst du sie denn an? verstehst du wol? ein Blikk,
Der klug geworffen wird, bringt Blikke mit zurükk.
Hast du noch nicht gemerkt, wenn du sie angesehen,
Ob wiederum ein Blikk auf dich zurükk geschehen?
In Zukunft, wenn sie einst auf dich zurükke sieht,
So gib genau drauf acht, wie sie die Augen zieht,
Sie wird sie listig auf, und klüglich niederschlagen,
Jedoch dis lasset sich viel leichter sehn als sagen.
Seladon.
Nun lehre mich noch mehr. Wie blikk ich denn recht klug?
Wie vielmal blikk ich denn? Ist einmal schon genug?
Ich hab es nie erkühnt, sie öfter anzublikken,
Denn sie ist gar zu schön, sie kan mich gleich entzükken,
Dann bin ich ausser mir, und gleichsam wie entfernt.
Filamor.
Ich weiß nicht, wie du bist, du hast auch nichts gelernt.
Gelegenheit und Ort kan dir zum Lehrer dienen,
Bist du allein mit ihr, was braucht es dann Erkühnen?
Da gehn die Blikke frei, wo keine Zeugen sind,
Und wer die Kunst versteht, macht hundert Zeugen blind.
Doch diese lernst du nicht, du darfst sie auch nicht wissen,
Wer Nebenbuhler hat, der darf sie nur nicht missen.
Ein Schäfer, der sie hat, entdekkt durch diese Kunst
Den Sinn der Schäferin, den Vorzug ihrer Gunst.
Seladon.
Wie weist du denn, daß mich kein Nebenbuhler hindert?
Da sie die Sprödigkeit nicht endet und nicht mindert,
Was ist denn Schuld daran? Ich bleibe stets dabei,
Daß meiner treuen Lieb ein andrer schädlich sei.
Filamor.
Nein, Freund, ich glaub es nicht. Es ist die Art der Liebe,
Kein Dieb wird mehr gescheut, als kluge Herzensdiebe,
Und wer sie fangen will, verstehe nur die List,
Die bei der Liebe gilt, und Schäfern nöthig ist.
Erfahr es, Seladon, die spröden Schäferinnen
Sind auf verschiedne Art zu prüfen, zu gewinnen.
Ein muntrer Witz, ein Band, ein heisser Kuß, ein Scherz
Sticht Nebenbuhler aus, erwirbt ein sprödes Herz.
Ein Mädchen liebt sich selbst, und dieses muß man loben;
Das andre liebt den Putz, ein Band kan dieses proben;
Das dritte liebt die Lust, den Lenz und Liebe giebt,
Wenn das dich lieben soll, so sei du erst verliebt.
Dis ist Ismenens Wunsch, du weißt, daß ich sie kenne,
Ich sag auch nicht zu viel, wenn ich sie geitzig nenne.
Hast du sie schon beschenkt?
Seladon.
                                                  Nein, Filamor, noch nie.
Jedoch der Blumenstrauß der war ja wol für sie.
Ja, nun besinn ich mich, ich hab ihn ihr geschikket,
Er war gewiß recht schön, ich hab ihn selbst gepflükket.
Filamor.
Ei! selber? Seladon?
Seladon.
                                    Und neulich, ist mir recht,
Ja, da hab ich einmal Ismenens kleinem Knecht
Von meinem besten Baum zwölf Aepfel mit gegeben.
Filamor.
Zwölf Aepfel? das ist viel. Ei! du weist recht zu leben.
Ein hübscher Blumenstrauß, der wäre noch wol gut;
Allein ein schönes Band um einen schönen Hut,
Zwölf Lämmer in den Stall, und vor den Bokk zwölf Glokken,
Die wären fähiger Ismenen anzulokken.
Und denn, o Seladon, was hast du doch gemacht,
Du hast den Blumenstrauß nicht selber hingebracht?
Was man den Schönen schenkt, muß man durch niemand senden.
Wer klug ist, bringt es selbst, und redet mit den Händen.
Das sollest du verstehn, allein du bist nicht dreist,
Was Wunder? wenn man dich den blöden Schäfer heißt;
Du bist es in der That, ich kan dirs nicht verzeihen.
Seladon.
(der mit dem Bande am Stabe bedächtig und beschämt spielt.)
Du sagtest ja vorhin: Wir wolten Blumen streuen,
Wenn es geschehen soll, so muß es bald geschehn,
Ich will flugs, eh sie kömmt, in jene Buchen gehn.
Dort ist der schönste Flor, dort holen deine Brüder
Die besten Blumen her.
Filamor.
                                        Geh hin und komm bald wieder.
 
Siebender Auftrit.
Filamor allein.
So blöde war ich doch bei meiner Treue nicht!
Wie artig! Jetzt geb ich den Blöden Unterricht,
Und mir gab ihn Damöt. Der wuste mich zu putzen,
Der gab mir Unterricht, und ich wust ihn zu nutzen.
Mein Herz verbannte schnell die scheue Blödigkeit,
Ich dank es dir Damöt, durch dich ward ich gescheut.
Kan ich vom Seladon nicht gleichen Dank verlangen?
Damötens Unterricht hat er von mir empfangen.
Dann halt ich nichts von ihm, wenn er es nun nicht wagt.
O hätt ich ihm doch nur nicht halb so viel gesagt.
Es ist ja doch umsonst. Ein Blöder bleibt wol blöde.
Still! spricht nicht wer? – ja – ja – es ist Filindens Rede.
Da kommt sie her. Sie läuft. Was vor ein muntrer Schritt!
Sie bringt Ismenens Hund, den kleinen Hilax mit.
 
Achter Auftrit.
Filamor und Filinde.
Filamor.
Sieh da, du kommst allein, was läufst du denn, Filinde,
Du bist ja, wie der Wind, warum denn so geschwinde?
Kommt denn Ismene nicht?
Filinde.
                                              Wo ist denn Seladon?
Weil mich Ismene bat, lief ich um ihn davon.
Sie bittet euch durch mich, ihr möchtet hier noch warten,
Sie käme gleich zurück, sie ging in Dämons Garten,
Die Mutter nahm sie mit.
Filamor.
                                          Was wollen sie denn da?
Filinde.
Wenn ich es recht gesehn, was ich am Damon sah,
So war er nicht umsonst so freundlich, so geflissen,
Jedoch Ismene will vom Damon gar nichts wissen.
Sie sprach, er sei zu frei, die Mutter sprach davon,
Wenn die den Damon lobt, lobt sie den Seladon.
Wo ist der Schäfer denn?
Filamor.
                                          Dort ist er, in den Buchen,
Dort will er Wiesengras und Klee und Blumen suchen.
Er wolte diesen Platz mit Blumen überstreun,
Eh ihr zurükke kämt.
Filinde.
                                    Und wozu soll es seyn?
Filamor.
Es hat mir Seladon sein Herzleid offenbaret,
So bald ihr nur vorhin zehn Schritte von uns waret.
Er sprach, wie ich einst sprach, wie jeder Blöde spricht:
Ismene sei ihm gram, Ismene lieb ihn nicht.
Sie hasse Trieb und Glut, die sich bei ihm befinde,
Sie sei an Sprödigkeit die andere Filinde.
Mich jammerte sein Herz, sein Kummer, seine Pein,
Ich sprach: was mir einst half, soll dir behülfflich seyn.
Es ist der beste Rath in solchen Liebessachen
Sich seiner Schäferin gefälliger zu machen.
Man weiß ja wohl, wie ihr, ihr Schäferinnen seid,
Man weiß, wie gern ihr seht wenn man euch Blumen streut.
Dem armen Seladon hab ich dazu gerathen;
Du weist ja, welchen Dienst mir einst die Veilchen thaten.
Filinde.
Du scherzest, Filamor. Sieh da, da ist er schon.
 
Neunter Auftrit.
Filamor. Filinde. Seladon.
Seladon. (mit Blumen.)
Willkommen Schäferin.
Filinde.
                                        Willkommen Seladon.
Ei! welcher Blumenstrauß. Ha, ha, zum schönen Cranze
Für deine Braut und dich bei deinem Hochzeittanze.
Ich bin doch auch dabei?
Seladon.
                                            Du scherzest, Schäferin.
Filinde.
Verhel es mir nur nicht, du kleiner Eigensinn.
Ich krieg ein Band –
Seladon.
                                  Und ich, ich muß die Braut erst kriegen.
Filinde.
Ists denn Ismene nicht? allein du must nicht lügen.
Seladon.
Wer hat es dir gesagt? Ismene liebt mich nicht.
Filamor.
Du irrest Seladon. Hör was Filinde spricht,
Ismenens Sprödigkeit wird dich nicht ferner quälen.
Filinde, mach ihn froh, du must es ihm erzählen.
Seladon.
Ich weiß, ihr scherzt ja doch.
Filinde.
                                                Nein Schäfer, glaube mir,
Wenn du Ismenen liebst, so sag es nur zu ihr.
Sie liebt dich, und sie will von keinem andern wissen;
Umarm und küsse sie, sie wird dich wieder küssen.
Seladon.
Du scherzest, Schäferin.
Filinde.
                                        Sie klagte mir betrübt,
Du thätst, als liebtest du, und wärst doch nicht verliebt.
Seladon.
O glaubte sie das nur, wie wolt ich mich erfreuen?
Filamor.
Gib mir die Blumen her.
Seladon.
                                          Ich muß sie selber streuen.
Filinde (zum Seladon.)
Ihr Schäfer seyd doch schlau, ihr fangt uns stets mit List,
Ich hab es kaum gedacht, daß du so lose bist.
Filamor.
Hör, loser Seladon, ich treibe mit Filinden
Die Heerde weiter fort. Dann wird sie uns nicht finden,
Dann hast du sie allein. Dann öfne dir im Scherz,
Und nach und nach in Ernst, den Eingang in ihr Herz.
Wird, was ich dich gelehrt, nur hübsch in acht genommen,
So liebt sie – –
Filinde.
                        Mach es gut.
Filamor.
                                              Wir wollen wieder kommen.
 
Zehender Auftrit.
Seladon allein.
Ja! Filamor hat recht. Ja – ja – nun seh ichs ein,
Die Schuld liegt nur an mir, ich solte dreister seyn.
Gut – ja – ich will es thun. Sie wird schon lieben müssen,
Sie lernt es ja sogleich, ich darf sie ja nur küssen.
Ich will schon dreister seyn, ich blöder Seladon.
Wo bleibt die Schäferin? Ach käme sie nur schon!
Nun ist mein Herz recht groß. Gut, daß ich dran gedenke,
Die Schönen fängt man auch durch artige Geschenke.
Ich sag ihr auch davon. Mich deucht es war noch mehr.
Es ist der Wind – ach nein – ach dort kommt sie schon her.
 
Eilfter Auftrit.
Seladon und Ismene.
Ismene.
Nun! du bist hier allein? wo habt ihr denn die Heerde?
Ich denke, daß ich auch Filinden finden werde,
Und ihren Filamor, und nun ist niemand hier;
Filinde ging ja her, sie sagt es ja zu mir.
Seladon.
Ich bat sie wegzugehn, dort werden sie wol treiben,
Ich wolte gern allein bei diesen Blumen bleiben,
Ich streute sie für dich, du bist derselben werth,
Nimm sie zum Zeichen an, wie sehr mein Herz dich ehrt.
Ismene.
Du ehrst mich allzuviel.
Seladon.
                                        Nein, wertheste Ismene.
Du bist die würdigste, du bist die beste Schöne.
Allein du liebst mich nicht. Ach wärst du mir nur gut,
So schenkt ich dir mit Lust den schönsten Schäferhut.
Ach laß mich doch dein Herz in einem Worte wissen!
Ich liebe dich so sehr, laß dich doch einmal küssen!
Ismene.
Nun! Seladon, was denn? fängst du schon wieder an?
Du willst – –
Seladon.
                      Ach Schäferin! ach! was hab ich gethan?
Ach, ich Verwegener! verdien ich Zorn und Strafe:
So raube mir der Wolf das beste meiner Schafe!
Und ist dir, Schäferin, das was mir zugehört,
Nur noch ein bisgen lieb, und deiner Hände werth:
So nimm mein bestes Band, samt meinem liebsten Stabe,
Den ich so glatt, so bunt, mir selbst geschnitzet habe!
Vergib, verzeih es mir, erzürnte Schäferin,
Wenn ich dir allzukühn, und allzuzärtlich bin.
Ismene.
Nein, liebster Seladon, nun kan ich nicht mehr schweigen,
Ich muß dir nur mein Herz, mein zärtlich Herze zeigen.
Dein Band, dein Schäferstab, dein Hilax ist mir lieb,
Das macht, ich liebe dich. Erkenne meinen Trieb!
Das was von dir nur kommt, ist würdig zu gefallen,
Du bist der Schäfer Preis, der beste unter allen.
Ich hört, als du einst sangst, dir still im Walde zu,
Da ward ich gleich verliebt. Wer singt so schön, wie du?
Der bunte Blumenstraus, den du mir jüngst geschikket,
Ist noch so frisch, so grün, als wär er erst gepflükket.
So hab ich ihn verwahrt, so würdig schätz ich ihn,
Und ich verwahr ihn stets, bleibt er auch gleich nicht grün.
Die Aepfel, die du einst Damöten mitgegeben,
O die sind mir so lieb, wie unser Schäferleben.
Wenn ich an dich gedacht, so hab ich sie geküßt,
Und mich dahin gewünscht, wo du gewesen bist.
Du hattest, weist du wol? doch nur nach vielem Bitten,
Climenens Nahmenszug in einen Baum geschnitten:
Ach, als ich das erfuhr, wie sehr verdroß es mich!
Frag nur Filinden drum, ich war recht bös auf dich.
Seladon.
Ach, falsche Schäferin, es geht dir nicht von Herzen!
Ich weiß, du liebst mich nicht, du wilst nur mit mir scherzen!
Vielleicht gereut dich einst dein ungerechter Scherz,
Vielleicht gedenkst du einst an mein getreues Herz!
Veracht es, sei mir gram, ich will dich dennoch lieben.
Ismene.
Sieh da!
 
Zwölfter Auftrit.
Ismene. Seladon. Filinde. Filamor.
Ismene.
                Wo habt ihr denn die Heerde hingetrieben?
Laßt ihr sie denn allein?
Filamor.
                                          Ei, welcher Blumenplatz!
Komm her, Filinde komm, er ist für uns, mein Schatz,
Hier liegt es sich so sanft, auf der beblümten Erde.
Ismene geh nur hin, geh hin zu deiner Heerde!
Geh hin, es kommt ein Wolf, geh, Schäfer, geh mit ihr!
Hört nur, es lärmt ein Bokk, geht doch, was wollt ihr hier?
Filinde.
Melamp ist ja dabei, der wird sie schon bewachen.
Filamor (zu Ismenen.)
Ist Seladon nicht schlau?
(zum Seladon.)
                                          Du weist es recht zu machen.
Komm her, der Platz ist dein.
Seladon.
                                                Lebt wol, ich muß nur gehn.
Ismene.
Warum denn Seladon? was ist dir denn geschehn?
Seladon.
Ich seh du liebst mich nicht, drum will ich mich entfernen.
Filamor.
Liebt dich Ismene nicht? Will sie nicht lieben lernen?
Filinde.
Ismene lieb ihn doch, das gute treue Blut!
Ismene.
Mein liebster Seladon, ich bin dir ja so gut.
Ich habe dir vorhin mein ganzes Herz entdekket.
Aus Liebe hätt ich bald den besten Ruhm beflekket,
Den Ruhm, nach welchem stets ein Mädchen schamhaft ist,
Die wilden Schäfer schimpft, und nur gezwungen küßt.
Jedoch, ich will sogar den besten Ruhm vermissen,
Komm her, du bist mein Schatz, ich will dich selber küssen.
Seladon.
Ach nein, Ismene, nein, du hast ein falsches Herz,
Du treibst mit mir nur Spott, du hast nur Lust an Scherz.
Doch, ich will Gram und Leid gelassen in mich saugen,
Ich geh dir, Schäferin, auf ewig aus den Augen.
(Seladon geht ab.)
 
Filamor.
Nein, solchen blöden Sinn hab ich noch nie gesehn,
Er ist nicht liebenswerth, Ismene, laß ihn gehn!
 
Dreizehender Auftrit.
Ismene. Filinde. Filamor.
Ismene.
Da geht der Schäfer hin, der Furchtsame, der Blöde!
Itzt malet ihn der Gang, so wie vorhin die Rede.
Filinde.
Geh, blöder Schäfer, geh, das hätt ich nie gedacht,
Ein angebotner Kuß hat dich nicht dreist gemacht.
Filamor.
Ismene sprich einmal zum Damon: Laß dich küssen!
Wie leicht wird ers verstehn, wie bald wirst du es müssen?
Nein, Seladon versteht des Herzens Sprache nicht.
Ein Mund der küssen will, und erst vom Küssen spricht,
Gibt dem, der leicht versteht, leicht alles zu erkennen,
Kein Damon wird dich falsch, und hart, und spröde nennen.
Ismene.
Mich wundert, daß er mich für falsch und spröde hält;
Sonst merkt ihr Schäfer bald, wenn man sich nur verstellt.
Filamor.
Du bist aus Klugheit hart, und aus Gewohnheit spröde,
Er ist aus Einfalt feig, aus Einfalt ist er blöde.

 


 


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