Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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An die Musen

              An meinem Bach, auf meiner Flur,
In meinen stillen Lauben,
Sing' ich den Schöpfer der Natur,
Und meine süssen Trauben,
Und scherze, doch in Unschuld nur,
Geführt von meinem Glauben;

Und meine Leyer thönet dann,
Daß es die Layen hören.
Die Layen kommen nah heran
Wer kann es ihnen wehren?
Und horchen Scherz, und dann und wann
Mit unter gute Lehren.

Das aber wollen Priester nicht
Von meiner Leyer leiden,
Und machen ihr ein Amts-Gesicht,
Und schellten meine Freuden,
Und seufzen: ach, der Bösewicht!
Und wollen sie nicht leiden!

Und stampfen, und erboßen sich
Vor Hirten, und vor Heerden,
Und lärmen, machen wunderlich
Entsetzliche Gebärden,
Und lästern, und verfolgen mich,
Im Himmel, und auf Erden.

Und schleichen meiner Leyer nach,
Geführt von ihrem Glauben,
Auf meine Flur, an meinen Bach,
In meine stillen Lauben,
Und wollen, ach! ihr Musen, ach!
Und wollen mir sie rauben.

Und wollen unerbittlich dann,
Und unter Donnerwettern,
(Ach Menschenhaß! ach Priesterbann!)
An Felsen sie zerschmettern,
Das gute Ding, das nichts gethan,
Vor allen ihren Göttern.

Ihr Musen aber laßt mich nicht,
Um meine Leyer bringen;
Sie schleichen; nennen's eine Pflicht,
Zu Stille sie zu zwingen;
Ihr Musen aber laßt mich nicht,
Um meine Leyer bringen.

Ihr gabt sie mir, als ich um Herz
Für alle Tugend flehte;
Sie thönte Liebe, thönte Scherz
Zu jeder Abendröthe;
Dann auch, wenn Boßheit oder Schmerz
Mir meinen Muth erhöhte.

Zwar hat vielleicht, wenn ich in Wald
Zuweilen mich verirrte,
Mein Lied zu laut in sie geschallt,
Im Schatten einer Myrthe;
Denn immer wusten's allzubald
Die Nymphen, und der Hirte.

Nie aber hat sie ohne Scheu
Den Lastern schön geklungen;
Nie aber hab' ich ungetreu
Dem Freunde Spott gesungen,
Und keine niedre Schmeicheley,
Und keine Lästerungen.

Und darum pocht auf euren Schutz,
Ihr Musen, meine Leyer:
Und bietet allem Feinde Trutz,
Und allem Ungeheuer;
Und meinem Gesner, meinem Uz
Sing' ich das Abentheuer,

Daß eine Taube sich verkroch
Vor einem Priester-Kragen;
Ich sing' es, denn man singet doch
So gerne seine Klagen;
Und fröhlich scherz' und sing' ich noch
In meinen alten Tagen.

Wenn sich um meine Schläfe Schnee
Zu meinem Lorbeer leget,
Nicht Clio, nicht Melpomene
Mir lächelt, wie sie pfleget,
Mein Puls für jede Grazie
Nicht mehr so heftig schlaget:

Dann noch sing' ich, auf meiner Flur,
In meinen stillen Lauben,
Behorcht, von meinem Engel nur,
Bey meinen süßen Trauben,
Den großen Schöpfer der Natur,
An den wir alle glauben.

Dann noch lach' ich die Thoren aus,
Die sich mit Falten brüsten;
Sie gehn in ihres Gottes Haus,
Und scheinen gute Christen,
Und Pröbste jagten sie hinaus,
Wenn sie es besser wüßten.

Auch scherz' ich mit den Grazien
Dann noch, wenn sie mich fliehen,
Weil Rosen nicht bei Lilien
Auf meinen Wangen blühen,
Und gerne seh' ich Grazien
Vor Gott auf ihren Knieen.

Dann aber wein' ich, wenn mein Freund,
Von seinem Gott verlassen,
Mir stolz ist, mir ein Heuchler scheint,
Mich lehret, Menschen hassen;
Doch möcht' ich, wenn er's redlich meint,
In seinem Arm erblassen.

 


 


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