Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Fragment eines größern Gedichts

1772

              Mit Grauen und Verachtung sehen wir
Das Laster an!
Es ist ein häßlich Thier!
Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann,
Dabey versprechen wir
Im Schlachtfeld und im Eichenhayn
Der Tugend treu zu seyn!

Versprechen mag, wer halten kan;
Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann,
Das war der alten Tapferkeit
Verbindlichster Eid.

Tapferkeit und rauhen Ton
Erbten wir von Sohn auf Sohn;
Unsre Söhne sollen sterben,
Die nicht unsre Tugend erben,
Und gedankenloser Klang
In Gesang,
Soll Franzosenlob erwerben.

Ueberwinder haben
Zum Worte-Klauben keine Zeit,
Und keine Lust! Die grössern Gaben
Der Tugenden, der Tapferkeit,
Der Eintracht, der Bescheidenheit,
Verehren wir, als wie ein Musen-Chor,
Und ziehn sie schönen Worten vor!

Verzärteln soll uns keine Sitte,
Die Weichlichkeit, die kleine Thaten thut,
Und lieber unterm Dache ruht,
Als unterm Himmel, ohne Muth
Und ohne Vatergut und Blut,
Die komme nicht in unsre Hütte!

Kommt sie, so jagen wir das fremde Weib hinaus!
Die Väter habens so gehalten;
Wir Söhne lassens bey dem Alten,
Wir schnitzeln nicht die Bäumchen aus,
Wir lassen sie zum Himmel wachsen;
Zum Himmel wachsen sie, verbreiten sich,
Sie trotzen Beilchen, fallen Axen,
Ihr Fall erschüttert, Erde, dich!

 


 


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