Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Gedichte
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Ein Traum

            Alle meine Glieder zittern!
Diese Nacht war ich in Rom;
Hört' es plötzlich sich erschüttern,
Sah in ihm den Tiberstrom!

Wogen stürzten über Wogen!
Alle waren feuerroth!
Einer spannte seinen Bogen,
Spannt' ihn, und es war der Tod!

Leichen lagen auf den Wogen.
Abgrund sah ich, sah, in ihn
Mit Gewalt hinein gezogen,
Pfaffen und Soldaten glühn!

Alle meine Glieder zittern!
Eingestürzt das Capitol,
Standen Nonnen hinter Gittern,
Leichenblaß, die Augen hohl.

Mönche trugen sich mit Knochen.
Und ein armer Sünder stand;
Und ein Urtheil ward gesprochen
Und das ganze Rom verschwand!

Gott erschien in Ungewittern.
Päbste gingen in's Gericht.
Alle meine Glieder zittern,
Mehr erzählen kann ich nicht!

Eins nur noch: Franzosen lagen
Um ein tief gegrabnes Grab
Auf den Knieen. Feuerwogen
Stürzten plötzlich sie hinab!

Millionen Donnerkeile
Folgten ihnen in die Gruft.
Tausend heulten Wolfsgeheule
In die blaue Himmelsluft.

Philosophen hört' ich streiten
Über Licht und Finsterniß. –
Was doch mag der Traum bedeuten?
Was bedeutet er gewiß!

 


 


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