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2.
Bureauarbeit

Michael prüfte die Korrekturfahnen des Buches ›Falsches Spiel‹, das Wilfrid ihm zurückgelassen hatte.

»Wollen Sie Butterfield empfangen, Sir?«

»Ja.«

Der Name Butterfield erregte in Michael Stolz und doch Unbehagen. Der junge Mann löste mit wachsendem Erfolg die Aufgabe, für die er vor vier Monaten versuchsweise engagiert worden war. Der erste Reisende hatte ihn sogar ›eine Entdeckung‹ genannt. Nach ›Kleine Münze‹ war er die schönste Feder auf Michaels Hut. Die Buchhändler kauften nicht, aber Butterfield verkaufte Bücher, das wurde wenigstens berichtet. Er schien eine natürliche Gabe zu besitzen, Vertrauen einzuflößen, wo es nicht berechtigt war. Danby & Winter hatten ihm sogar den Privatverkauf der Pergamentbände der Luxusausgabe von ›Ein Duett‹ anvertraut, wodurch sie hofften, ihre Verluste an der gewöhnlichen Ausgabe hereinzubringen. Er war gerade damit beschäftigt, eine Liste von Namen aufzustellen, deren Träger höchstwahrscheinlich das kleine Meisterwerk zu würdigen verständen. Diese Methode des privaten Verkaufes hatte er selber vorgeschlagen.

»Sehen Sie, Sir«, hatte er zu Michael gesagt, »ich verstehe etwas von Coué. Also, in der Branche kann man dieses System nicht gebrauchen, die Leute sind auch nicht ein bißchen gläubig. Was soll man auch anderes erwarten? Jeden Tag kaufen sie alles mögliche Zeug zusammen und richten sich immer nach dem, was vorher gut abging. Man kann nicht einen unter zwanzig finden, der Vertrauen in die Zukunft setzt. Aber Privatpersonen, besonders Damen, denen kann man einen Gedanken einimpfen, wie Coué es tut; man kann es ihnen wieder und immer wieder sagen, daß Tag für Tag und nach jeder Richtung hin der Autor besser, immer besser wird; und ich wette zehn zu eins, daß es in ihr Unterbewußtsein eingedrungen ist, wenn ich das nächste Mal vorbeikomme, besonders wenn man sie gerade nach dem Lunch oder Dinner in Angriff nimmt, wo sie ein wenig schläfrig sind. Lassen Sie mir nur ein wenig Zeit, Sir, und ich bringe die ganze Auflage an.«

»Wahrhaftig«, hatte Michael erwidert, »wenn Sie den Leuten einreden können, daß mein alter Herr noch eine literarische Zukunft hat, dann, Butterfield, verdienen Sie mehr als Ihre zehn Prozent.«

»Das kann ich, Sir, es ist nur eine Frage des Glaubens.«

»Aber Sie haben doch keinen Glauben, nicht wahr?«

»Na ja, freilich, an den Autor nicht – aber ich glaube sozusagen daran, daß ich die Leute zum Glauben an ihn inspirieren kann; das ist der springende Punkt.«

»Aha, der Schwindel mit den drei Karten! Den Glauben erwecken, den man selbst nicht hat, daß die Karte, auf die man setzt, gewinnt, und das Buch wird gekauft. Na, die Enttäuschung ist wenigstens keine augenblickliche, und Sie können sich wahrscheinlich immer rechtzeitig aus dem Staube machen. Also fahren Sie nur so fort!«

Der junge Butterfield hatte gelächelt.

Das unbehagliche Gefühl das Michaels Stolz über Butterfield beigemischt war, kam daher, daß der alte Forsyte ihm fortwährend erklärte, er wüßte nicht – er könnte nicht sagen – und da war der junge Mann und seine Geschichte über Elderson, und man kam nicht von der Stelle …

»Guten Morgen, Sir. Haben Sie fünf Minuten Zeit für mich?«

»Treten Sie ein, Butterfield. Große Schwierigkeit beim Verkauf von ›Ein Duett›?«

»O nein, Sir. Vierzig hab ich schon angebracht. Es ist etwas anderes.« Einen Blick auf die verschlossene Tür werfend, trat der junge Mann näher.

»Ich arbeite meine Liste alphabetisch durch, Gestern bin ich zu ›E‹ gekommen.« Er flüsterte: »Mr. Elderson.«

»Alle Wetter!« sagte Michael. »Den können Sie schon links liegenlassen.«

»Das hab ich aber in Wirklichkeit nicht getan.«

»Was! In der Höhle des Löwen gewesen?«

»Ja, Sir, gestern abend.«

»Famos, Butterfield! Was ist geschehn?«

»Ich hab meinen Namen nicht genannt, Sir, nur gerade die Karte der Firma hineingeschickt.«

Michael bemerkte eine echt menschliche Schadenfreude in Stimme und Gesicht des jungen Mannes.

»Na, und?«

»Mr. Elderson, Sir, saß gerade beim Wein. Ich hatte mir das so zurechtgelegt und redete ihn an, als hätte ich ihn niemals vorher gesehn. Was mich verblüffte, war, daß er ohne weiteres darauf einging.«

»Hat er Sie nicht hinausgeworfen?«

»Ganz im Gegenteil, Sir. Er sagte sofort: ›Ich bestelle zwei Exemplare.‹«

Michael grinste. »Sie haben beide kaltes Blut bewiesen.«

»Nein, Sir, das ist es ja gerade. Für Mr. Elderson war es wie ein Knockout! Es war ihm außerordentlich peinlich –«

»Das geht mir nicht ein«, sagte Michael.

»– daß ich bei dieser Firma angestellt bin. Er weiß, daß Sie hier Teilhaber sind und Mr. Forsytes Schwiegersohn, nicht wahr?«

»Jawohl.«

»Sehn Sie nun den Zusammenhang, Sir? Zwei Aufsichtsräte glauben mir – nicht ihm. Deshalb hab ich ihm diesen Besuch nicht geschenkt. Ich hab gewußt, daß es ihm einen Stoß versetzen wird. Als ich hinausging, hab ich im Buffetspiegel zufällig sein Gesicht gesehn. Er hat schon Angst!«

Michael biß sich in den Zeigefinger, da er eine Spur von Sympathie für Elderson empfand, so wie für eine Fliege, der der erste Spinnwebfaden um das Hinterbein geschlungen wird.

»Danke, Butterfield«, sagte er.

Als der junge Mann fort war, saß er da und stach mit dem Papiermesser Löcher in das Löschblatt. Was für ein sonderbares ›Klassenbewußtsein‹ das doch war! Oder war es nur das Kameradschaftsgefühl mit dem Gehetzten, ein Erbeben über die Art, wie das Schicksal einen bloßstellte? Denn das war ein wirklicher Beweis, und er würde es seinem Vater und dem alten Forsyte mitteilen müssen. Elderson mußte seine Kaltblütigkeit total verloren haben, sonst hätte er gesagt: ›Sie frecher Schurke – hinaus mit Ihnen!‹ Es war klar, daß dies der einzig richtige Empfang von seiten eines Unschuldigen gewesen wäre und der einzig ratsame von Seiten eines Schuldigen. Na ja, selbst den Kühnsten verließ einmal seine Kaltblütigkeit.

»Ja, Miss Perren?«

»Der Brief an Sir James Foggart, Mr. Mont – ich sollte Sie erinnern. Und wollen Sie Miss Manuelli empfangen?«

»Miss Man–? Oh! Ah! Jawohl.«

Bickets junge Frau, deren Gesicht sie für den Umschlag von Storberts Roman verwendet hatten, und das Modell Aubrey Greenes – –! Michael erhob sich, denn die Frau stand bereits im Zimmer.

›An dieses Kleid kann ich mich erinnern!‹ dachte er. ›Fleur hat es nie leiden können.‹

»Womit kann ich Ihnen dienen, Mrs. Bicket? Übrigens, wie geht es Bicket?«

»Ziemlich gut, danke, Sir.«

»Noch immer bei der Ballonbranche?«

»Ja.«

»Na, das sind wir eigentlich alle, Mrs. Bicket«

»Wie, bitte?«

»Unser aller Schicksal hängt in der Luft – glauben Sie nicht auch? Aber um mir das zu sagen, sind Sie ja nicht hergekommen?«

»Nein, Sir.«

Eine leichte Röte stieg in die bleichen Wangen, ihre Hände zupften an den Spitzen ihrer alten Handschuhe, die Lippen bewegten sich ungewiß; aber der Blick blieb fest – wirklich eine ungewöhnliche junge Frau.

»Sie erinnern sich, daß Sie mir einen Brief an Mr. Greene mitgegeben haben, Sir?«

»Gewiß, und ich habe auch das Resultat gesehn. Einfach glänzend, Mrs. Bicket!«

»Ja, aber es ist in die Zeitungen gekommen – mein Mann hat es gestern abend gesehn; natürlich weiß er nichts von meiner – Beschäftigung.«

Donnerwetter! Da hatte er dieser Frau was Schönes eingebrockt!

»Ich hab eine Menge Geld damit verdient, Sir. Fast genug für unsere Überfahrt nach Australien; aber jetzt hab ich wirklich Angst. ›Ist dir das nicht ähnlich?‹ hat er zu mir gesagt. Ich hab die Zeitung zerrissen, aber angenommen, er kommt auf den Namen der Galerie und geht hin, um sich das Bild anzuschaun? Das sieht mir sogar noch viel ähnlicher. Er könnt dann noch zu Mr. Greene gehn. Möchten Sie nicht so gut sein, Sir, und Mr. Greene bitten, er soll sagen, es ist jemand anders gewesen, wenn Tony hingeht?«

»Selbstverständlich«, sagte Michael. »Aber glauben Sie wirklich, daß Bicket so böse darüber wäre, wenn er bedenkt, wie nützlich es für Sie war? Es kann ein vollkommen respektabler Beruf sein.«

Victorine legte die Hände auf die Brust.

»Ja«, sagte sie einfach. »Ich bin ganz respektabel gewesen. Und ich hab's auch nur deshalb getan, weil wir ja so schrecklich gern fortmöchten, und ich hab's nicht ertragen können, ihn auf der Gasse im Nebel stehn zu sehn und Ballons verkaufen. Aber jetzt hab ich solche Angst, Sir!«

Michael starrte sie an. »Mein Gott!« sagte er, »Geld ist eine böse Sache!«

Victorine lächelte schwach. »Wenn man es braucht, ja, dann freilich.«

»Wieviel brauchen Sie noch, Mrs. Bicket?«

»Nur noch ungefähr zehn Pfund, Sir.«

»Die könnt ich Ihnen ja geben.«

»Oh, danke! Aber das ist es nicht – ich kann es leicht verdienen – ich bin jetzt dran gewöhnt; ein paar Tage mehr machen schon nichts mehr aus.«

»Aber wie werden Sie denn den Besitz des Geldes erklären?«

»Sagen, daß ich's beim Wetten gewonnen hab.«

»Schwach!« sagte Michael. »Hören Sie! Sagen Sie doch, daß Sie zu mir kamen und ich es Ihnen vorgeschossen hab. Wenn Bicket es von Australien aus zurückzahlt, kann ich es immer wieder bei einer dortigen Bank zu Ihren Gunsten einzahlen lassen. Ich habe Sie sozusagen in diese Verlegenheit gebracht, und ich möchte Ihnen gern wieder heraushelfen.«

»Ach nein, Sir, Sie haben mir einen Gefallen getan. Ich kann doch nicht zugeben, daß Sie für mich Ausreden erfinden.«

»Es wird mich nicht im geringsten genieren, Mrs. Bicket. Ich kann das Blaue vom Himmel herunterlügen, wenn es sich um einen guten Zweck handelt. Hauptsache ist, daß Sie recht bald fortkommen. Gibt es noch viele andere Bilder von Ihnen?«

»O ja, eine Menge – aber man würd mich wohl kaum erkennen, sie sind so eckig und komisch.«

»Ja freilich, Aubrey Greene hat Sie großartig getroffen!«

»Ja, ich bin es genau von oben bis unten, sagt Tony.«

»Stimmt. Ich will mit Aubrey reden, zum Lunch werd ich ihn treffen. Hier sind die zehn Pfund. Das war also abgemacht. Sie sind heute zu mir gekommen, ganz einfach. Sagen Sie, es war ein plötzlicher Einfall. Ich versteh das Ganze sehr gut. Sie würden alles für ihn tun, und er würde alles für Sie tun. Das ist vollkommen in Ordnung – weinen Sie doch nicht!«

Victorine schluckte heftig. Ihre Hand in dem abgetragenen Handschuh erwiderte seinen Druck.

»Ich würde es ihm noch heute abend sagen, wenn ich Sie wäre«, riet ihr Michael, »und ich werd auf ihn vorbereitet sein.«

Als sie fort war, dachte er: ›Hoffentlich wird Bicket nicht glauben, daß ich für die sechzig Pfund den Gegenwert bekommen hab!‹ Er klingelte und fuhr fort, sein Löschpapier zu durchstechen.

»Ja, Mr. Mont?«

»Wir wollen die Sache jetzt fortsetzen, Miss Perren.«

 

»›Sehr geehrter Sir James Foggart!

Wir haben mit der größten Sorgfalt alle Möglichkeiten Ihres sehr interessanten – eh – Werkes erwogen. Während wir einerseits der Meinung sind, daß Ihre so wohlformulierten Ansichten über die gegenwärtige Lage Großbritanniens im Zusammenhang mit der übrigen Welt von großem Interesse sind für alle – eh – denkenden Menschen, so glauben wir andrerseits doch nicht, daß genug – eh – denkende Menschen vorhanden sind, um eine Veröffentlichung des Buches ohne Verlust zu ermöglichen. Die – eh – These, daß es jetzt Großbritanniens Rettung wäre, an die richtige Einteilung der Märkte, der Bevölkerung, des Angebots und der Nachfrage im britischen Imperium zu schreiten, diese These, in so außerordentlich klarer Sprache vorgebracht, wird – das fürchten wir – die Empfindlichkeit aller politischen Parteien verletzen. Ferner glauben wir, daß Ihr Plan, Knaben und Mädchen in die Kolonien zu schicken, ehe noch das englische Städteleben sie vergiftet hat, unsere Arbeiterklasse nur irritieren würde, da sie ja die Verhältnisse außerhalb dieses Landes nicht kennt und bekanntlich dagegen ist, ihre Kinder in der Fremde ihr Glück versuchen zu lassen.‹«

»Soll ich das so schreiben, Mr. Mont?«

»Ja, aber tempieren Sie ein wenig. Eh – –«

»›Schließlich ist Ihre Ansicht, daß das Land zum Anbau benützt werden solle, heutzutage so ungewöhnlich, daß die Presse dem Buch gewiß feindlich gegenüberstehen würde, ausgenommen die alte Garde und die Stockkonservativen und ein paar Leute, die in die Zukunft blicken können.‹«

»Ja, Mr. Mont?«

»›In einer so wetterwendischen Zeit – eh – Übergangszeit‹ – halten Sie das fest, Miss Perren! –, ›in der alle Hoffnungen in der Luft schweben und sozusagen schon aufs Pfandhaus getragen sind‹ – das halten Sie ungefähr so fest –, ›muß irgendein Projekt, das sich mit der Zukunft beschäftigt und die Ernte erst nach zwanzig Jahren verspricht, außerordentlich unpopulär sein. Aus allen diesen Erwägungen werden Sie erkennen, wie notwendig es für Sie ist – eh – einen andern Verleger zu suchen. Kurz und gut, wir können uns auf so etwas nicht einlassen.‹«

»›Mit – eh –‹ was Sie wollen, ›sehr verehrter Sir James Foggart, verbleiben wir

Ihre ergebenen
Danby & Winter.‹«

»Wenn Sie das ins Höfliche übersetzt haben, Miss Perren, bringen Sie's mir zum Unterschreiben.«

»Ja. Nur, Mr. Mont – ich habe geglaubt, daß Sie ein Sozialist wären. Und das klingt fast – verzeihen Sie, daß ich frage.«

»Miss Perren, es ist mir kürzlich klar geworden, daß Etiketten unzeitgemäß sind. Wie kann man irgend etwas sein, wenn alles so völlig in der Luft schwebt? Schauen Sie sich die Liberalen an. Die können die Gesamtsituation nicht erfassen, weil sie nur den Freihandel sehen, die Arbeiterpartei sieht wieder nur die Vermögensabgabe, während die Konservativen nicht über den Schutzzoll hinauskommen; sie werden alle von Schlagworten hypnotisiert. Der alte Sir James Foggart hat ja eigentlich recht, aber niemand will auf ihn hören. Wenn das Buch je veröffentlicht werden sollte, wird es einfach in den Papierkorb wandern. Die Welt hat jetzt keinen Wirklichkeitssinn, Miss Perren, und von allen Völkern fehlt er uns am allermeisten.«

»Warum, Mr. Mont?«

»Warum? Weil wir mit dem zähesten aller Temperamente an Traditionen festhalten, die uns jetzt noch viel mehr Schaden bringen als irgendeinem andern Land. Auf jeden Fall hätte Mr. Danby diesen Brief mir nicht überlassen sollen, wenn ich mich nicht dabei amüsieren darf. Oh, und weil wir gerade dabei sind, ich muß Harold Masters neues Buch ablehnen. Es ist ein Irrtum, aber sie wollen es nicht drucken.«

»Warum nicht, Mr. Mont? ›Die schluchzende Schildkröte‹ war doch ein so großer Erfolg!«

»Wissen Sie, in dieser neuen Sache behandelt Master eine Idee, die ihn absolut zwingt, etwas zu sagen. Winter meint, daß diejenigen, die ›Die schluchzende Schildkröte‹ als Kunstwerk in den Himmel hoben, nun ganz gewiß dieses neue Werk herunterreißen werden; und Mr. Danby nennt das Buch eine Vergewaltigung der menschlichen Natur. Also bleibt uns nichts anderes übrig. Versuchen wir's einmal.«

»›Mein lieber Master!

In der freudigen Erregung, mit der Sie Ihrem Thema nachhingen, ist es Ihnen offenbar entgangen, daß Sie eigentlich damit durchfallen müßten. In der ›Schluchzenden Schildkröte‹ waren Sie vollkommen gleichgestimmt mit dem halben Orchester und dazu mit der – eh – der Hälfte, die am meisten Lärm schlägt. Sie waren entzückend altertümlich und unerschütterlich kaltblütig. Aber jetzt, was haben Sie jetzt getan? Sie haben sich den letzten Marquesa-Insulaner zum Helden erwählt und ihn mitten nach London versetzt. Die Sache ist eine beißende Satire, eine echte Kritik des Lebens. Ich bin überzeugt, daß Sie nicht zeitgemäß schreiben oder einen Abstecher in die Wirklichkeit machen wollten; aber Ihr Thema ist mit Ihnen durchgegangen. Beißende Kälte und kühles Blut sind grundverschiedene Dinge, versteht sich, ganz abgesehen davon, daß Sie den altertümelnden Stil aufgeben mußten. Persönlich halte ich natürlich die neue Sache für tausendmal besser als ›Die schluchzende Schildkröte‹, die ein ganz nettes Affärchen war, aber nichts sonderlich Aufregendes. Aber ich bin weder das Publikum noch die Kritik. Die Jungen und Schlanken werden durch Ihren Mangel an modernem Geist gekränkt sein. Man wird sagen, daß Sie moralisieren. Die Alten und Dicken werden Sie als bitter und destruktiv brandmarken. Und das Durchschnittspublikum wird Ihren Marquesaner ernst nehmen und es Ihnen verübeln, daß Sie ihn dem Publikum überlegen zeigen. Sie sehen, daß die Aussichten nicht gerade rosig sind. Wie sollen wir wohl so ein Buch an den Mann bringen? Nun, wir werden es eben nicht tun. Denn so lautet der Machtspruch der Firma. Ich bin andrer Meinung. Ich würde es sofort veröffentlichen, aber gegen Danby & Winter kämpfen selbst Götter vergebens. Deshalb retourniere ich Ihnen mit dem größten persönlichen Bedauern dieses Buch, das wirklich ein Meisterwerk ist

Stets der Ihre
Michael Mont‹«

»Hören Sie, Miss Perren, das brauchen Sie, glaube ich, nicht zu übersetzen.«

»Das würde auch schwer sein.«

»Gut denn, aber den ersten, bitte. Ich muß mit meiner Frau ein Bild anschaun gehn; um vier werd ich zurück sein. Ja, und wenn ein kleiner Mensch namens Bicket, der einmal hier beschäftigt war, mich sprechen will, soll er heraufkommen, aber ich möchte vorher benachrichtigt werden. Wollen Sie's bitte unten sagen.«

»Ja, Mr. Mont. Oh, hat nicht – war nicht diese Miss Manuelli das Modell für den Umschlag von Mr. Storberts Roman?«

»Stimmt, Miss Perren, und ich allein hab sie entdeckt«

»Sie hat ein sehr interessantes Gesicht, nicht wahr?«

»Sie ist einzig in ihrer Art, fürchte ich.«

»Darüber sollte sie doch nicht traurig sein, meine ich.«

»Das kommt darauf an«, sagte Michael und stieß wieder sein Papiermesser ins Löschblatt


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