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8.
Soames ergreift die Initiative

Soames hatte sich konzentriert, wie er so in angestrengtem Nachdenken vor seinem Feuer im Schlafzimmer saß, bis die Glocke im Turm des Parlaments zwölf schlug. Seine Reflexionen gipfelten in dem Entschluß, die Sache endlich doch mit dem alten Mont zu besprechen. Wenngleich oberflächlich, war der Kerl doch ein Gentleman, und die Angelegenheit war heikler Natur. Er ging zu Bett und schlief ein, erwachte aber um halb drei. Da hatte man's! ›Ich will nicht dran denken‹, dachte er und begann sofort daran zu denken. Während seiner langjährigen Erfahrungen mit Geldgeschäften war ihm so etwas noch nie vorgekommen. Sich peinlich genau an die Gesetze zu halten, die oft selbst weit davon entfernt waren, genaue Richtlinien zu geben, war bis jetzt die unerläßliche Voraussetzung seiner Karriere gewesen. Ehrlich währt am längsten, so hieß es. Aber war Ehrlichkeit wirklich etwas wert? Ein vollkommen ehrlicher Mann könnte vollkommen glatt ins Zuchthaus kommen, ehe eine Woche um war. Aber dann hatte diese Straffälligkeit aus Vollkommenheit eigentlich gar nichts mit dem Gefängnis und dem Bankrott zu tun. Die Ehrlichkeit eines Geschäftsmannes bestand darin, sich diese zwei Dinge vom Halse zu halten. Und bis dahin hatte das Soames nie irgendwelche Schwierigkeiten bereitet. Was hatte ein Aufsichtsrat denn für Pflichten, als sein Gehalt zu beheben und Tee zu trinken? Darauf kam es an. Und wenn er darin versagte, inwieweit war er haftbar? Es war Pflicht eines Aufsichtsrates, vollkommen ehrlich zu sein. Aber wenn ein Aufsichtsrat vollkommen ehrlich war, dann war er wieder zum Aufsichtsrat ungeeignet. Das war klar. Vor allen Dingen hätte er den Aktionären sagen müssen, daß er so gut wie nichts für sein Geld leistete. Denn was leistete er eigentlich in den Sitzungen? Na ja, er nahm daran teil, unterzeichnete seinen Namen, schwatzte ein wenig und hieß das gut, was nach der allgemeinen Richtung des Geschäftes gutgeheißen werden mußte. Ergriff er je die Initiative? Einmal alle heiligen Zeiten. Kalkulierte er selber? Nein, er las Kalkulationen. Kontrollierte er die Ein- und Ausgänge? Nein, das taten die Bücherrevisoren. Ehrlichkeit war die beste Politik! Es wurde eine Politik verfolgt! Ein tröstliches Wort, aber – um vollkommen ehrlich zu sein, so war die Hauptaufgabe eines Aufsichtsrates, nicht an die bestehende Politik zu rühren. Man brauchte nur seinen eigenen Fall anzuschauen! Wenn er seine Pflicht getan hätte, dann hätte er diesem ausländischen Versicherungsgeschäft, dem er instinktiv mißtraut hatte, Einhalt gebieten müssen in dem Augenblick, als er davon hörte; und wenn ihm das nach einem Monat seiner Tätigkeit nicht gelungen wäre, so hätte er zurücktreten müssen. Aber er hatte es nicht getan. Die Lage schien sich gebessert zu haben! Es war nicht der richtige Augenblick undsoweiter. Wenn er tatsächlich seine Pflicht als vollkommen ehrlicher Aufsichtsrat hätte tun wollen, dann wäre er überhaupt nicht Aufsichtsrat der P.P.R.G. geworden, denn dann hätte er sich über die Politik der Gesellschaft viel genauer unterrichtet, als er es getan, ehe er seine Stellung im Aufsichtsrat angenommen hatte. Doch die Rücksicht auf die bekannten Namen, das Prestige und darauf, daß man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schaut – so war es halt gekommen! Wenn er vollkommen ehrlich hätte sein wollen, hätte er jetzt folgendes Zirkular an die Aktionäre senden müssen: ›Mein laissez-faire hat Sie gute zweihunderttausend Pfund gekostet. Ich habe diesen Betrag zu Ihren Gunsten an die Treuhänder überwiesen und habe die übrigen Aufsichtsräte auf Zahlung ihres Anteils am Verlust verklagt.‹ Aber er hatte keine derartige Absicht, weil – na, weil man so etwas einfach nicht tat und die andern Aufsichtsräte es nicht gern sehen würden. Kurzum: man wartete eben, bis die Aktionäre von selbst hinter die Mißwirtschaft kämen, und hoffte indessen, daß sie nicht dahinterkämen. Tatsächlich lenkte man, genau so wie eine Regierung, die Aufmerksamkeit der Leute vom Wesentlichen ab, so daß man selber am Ende so günstig wie möglich dastand. Mit einem Gefühl der Erleichterung dachte Soames an Irland: die frühere Regierung hatte diese ganze Mißwirtschaft in Irland einreißen lassen und sich am Schluß noch etwas drauf zugute getan, daß sie etwas beendet hatte, das niemand hätte anzufangen brauchen! Ebenso wie auch beim Frieden, bei der Luftschifffahrt, der Landwirtschaft und bei Ägypten – die fünf Hauptfragen, die zur Entscheidung standen – hatte man in jedem Fall die Kastanien ins Feuer geworfen! Aber hatte man das eingestanden? Keine Spur! So etwas gestand man nicht ein. Man sagte einfach: ›Die Politik zwang uns damals dazu.‹ Oder noch besser: man sagte gar nichts und verließ sich auf den britischen Nationalcharakter. Wie sein Kinn so auf seinem Laken ruhte, fühlte er eine augenblickliche Erleichterung. Die letzte Regierung hatte sich nicht besonders aufgeregt – keine Spur! – davon war er überzeugt. Er betrachtete die verglimmenden Kohlenstücke auf dem Rost und sann über die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten im Leben nach. Man mußte nur die Kerle in der Politik und im Geschäft anschauen, die ihr ganzes Leben lang ein gefährliches Spiel spielten und dafür geadelt wurden. Die ließen sich nicht im geringsten aus der Fassung bringen. Und nun er selber, der zum ersten Mal seit vierzig Jahren an einem Abgrund wandelte und solche Qualen dabei ausstand! Es hatte sich zu einem förmlichen Kult entwickelt, das Publikum hinters Licht zu führen, zu einem förmlichen Kult, die Konsequenzen der eigenen Verwaltungstaten zu umgehen; und da war er, ein Mann von Welt, ein Mann des Gesetzes, der diesen Kult nicht kannte und – und froh darüber war. Aus eingefleischter Vorsicht und einem gewissen Stolz, der etwas Edles an sich hatte, schrak Soames vor jener grobkörnigen Auffassung von Ehrlichkeit zurück, in der die Angelegenheiten der britischen Nation geführt wurden. In allem, was Geld betraf, war er, und war es immer gewesen, aufrecht und steifnackig. Geld war Geld, ein Pfund ein Pfund, und man konnte nicht so tun, als wäre es nicht so, und gleichzeitig seine Selbstachtung bewahren. Er stand auf, trank ein wenig Wasser, atmete ein paarmal tief auf und stampfte mit den Füßen. Wer war es doch, der neulich gesagt hatte, daß er noch nie um irgendeiner Sache willen fünf Minuten Schlaf geopfert habe? Der Kerl mußte den Gleichmut eines Rindviehs besitzen oder ein Münchhausen sein. Er ergriff ein Buch. Aber im Geiste wälzte er nur immer wieder die Frage, wie groß sein ganzes realisierbares Vermögen wohl sei. Er kam zu dem Schluß, daß er außer seinen Bildern nicht weniger als zweihundertundfünfzigtausend Pfund besitzen mußte, und es war nur Fleur da, für die schon mehr oder weniger gesorgt war. Seine Frau hatte ihre Rente, von der sie in Frankreich sehr gut leben konnte. Was ihn selbst betraf – was lag ihm daran? Ein Zimmer in seinem Klub in Fleurs Nähe – da würde er genau so glücklich sein, vielleicht noch glücklicher! Und plötzlich begriff er, daß er einen Ausweg aus seiner Angst und Verwirrung gefunden hatte. Dadurch, daß er sich das Allerärgste vorstellte, den Verlust seines Reichtums, hatte er den Teufel ausgetrieben. Das Buch: ›Die schluchzende Schildkröte‹, von dem er nicht ein Wort gelesen hatte, entfiel seiner Hand; er schlief ein …

Seine Zusammenkunft mit dem alten Mont fand unmittelbar nach dem Lunch im Snooks-Klub statt. Die letzten Berichte in der Halle, auf die er im Vorbeigehen einen Blick warf, zeigten ein weiteres beträchtliches Fallen der Mark. Genau so wie er gedacht hatte: Das Zeug wurde vollständig wertlos!

Wie der Baronet so dasaß und seinen Kaffee schlurfte, kam er Soames fast beleidigend rüstig vor. Er konnte zwei zu eins wetten, daß er nichts begriffen hatte! ›Wart nur!‹ dachte Soames, ›ich werde seine schwachen Nerven kitzeln, wie der alte Onkel Jolyon zu sagen pflegte!‹

Und ohne Einleitung begann er: »Wie geht es Ihnen, Mont? Die Mark hat keinen Wert mehr. Sind Sie sich klar darüber, daß durch uns die P.P.R.G. ungefähr eine Viertelmillion verloren hat infolge dieser saubern Auslandspolitik Eldersons? Ich bin nicht so sicher, daß man uns nicht zur Verantwortung ziehen wird, weil wir ein unverantwortliches Risiko eingegangen sind. Aber ich wollte Sie wegen des Folgenden sprechen.« Und er wiederholte die Unterredung mit dem Beamten Butterfield, beobachtete die Augenbrauen seines Zuhörers und schloß mit den Worten: »Was sagen Sie dazu?«

Sir Lawrence, dessen Fuß den ganzen Körper in Bewegung versetzte, klemmte sein Monokel ein. »Halluzinationen, mein lieber Forsyte! Ich kenne Elderson, seitdem ich auf der Welt bin. Wir haben zusammen in Winchester studiert.«

Schon wieder! Da hatte man's schon wieder! Heiliger Strohsack! Soames entgegnete langsam: »Darauf kann man gar nichts geben. Ein Mann, der mit mir im Malborough College war, ging mit dem Verpflegsgeld des Regiments und der Frau seines Obersten durch und machte in Chile ein Vermögen mit Tomatenkonserven. Der springende Punkt ist der: Wenn die Geschichte des jungen Mannes wahr ist, so sind wir in den Händen eines Schuftes. Das geht einfach nicht, Mont. Wollen Sie sich an ihn heranmachen und sehen, was er dazu sagt? Sie möchten doch nicht, daß man von Ihnen so eine Geschichte erzählt. Sollen wir beide hingehn?«

»Ja«, sagte Sir Lawrence plötzlich. »Sie haben recht. Wir werden beide gehen, Forsyte. Es ist mir unangenehm, aber wir werden beide gehen. Er muß es wissen.«

»Sogleich?«

»Sogleich.«

Feierlich setzten sie ihre Zylinder auf und verließen den Klub.

»Nehmen Sie lieber ein Taxi, Forsyte.«

»Gut«, sagte Soames.

Das Auto fuhr erst langsam an den Löwen vorbei und jagte dann zum Themse-Ufer hinunter. Die beiden Fahrgäste saßen nebeneinander und hielten ihre Nasen würdevoll geradeaus gerichtet.

»Noch vor einem Monat ist er mit mir auf der Jagd gewesen«, sagte Sir Lawrence. »Kennen Sie die Hymne ›O Gott, der unsere Hilfe ist, seitdem die Welt besteht‹? Sie ist sehr schön, Forsyte.«

Soames gab keine Antwort. Der Kerl fing wieder an zu quatschen!

»An jenem Sonntag sangen wir sie«, fuhr Sir Lawrence fort, »Elderson hatte früher eine schöne Stimme – sang Solo. Er krächzt jetzt wie ein Nebelhorn, aber sein Vortrag ist noch immer gut.« Und er stieß ein kurzes wieherndes Gelächter aus.

›Kann dieser Mensch denn niemals ernst sein?‹ dachte Soames, und er sagte:

»Wenn sich herausstellt, daß das von Elderson wahr ist, und wir halten es geheim, so können wir alle auf die Anklagebank kommen.«

Sir Lawrence klemmte wieder sein Monokel ein. »Zum Teufel!« sagte er.

»Wollen Sie reden?« fragte Soames, »oder soll ich es?«

»Ich glaube, Sie können das besser, Forsyte; sollen wir den jungen Mann hereinrufen lassen?«

»Warten wir's ab«, sagte Soames.

Sie stiegen zu den Bureaus der P.P.R.G. empor und traten in den Sitzungssaal. Im Kamin brannte kein Feuer, der lange Tisch war leer; ein alter Angestellter, der wie eine Fliege auf einer Scheibe herumkroch, füllte die Tintenfässer aus einer großen Flasche.

Soames redete ihn an: »Bitten Sie den Direktor, so freundlich zu sein und hierherzukommen. Sir Lawrence Mont und Mr. Forsyte wünschen ihn zu sprechen.«

Der alte Angestellte blinzelte, stellte die Flasche hin und ging hinaus.

»Jetzt«, sagte Soames mit leiser Stimme, »müssen wir höllisch aufpassen. Er wird es natürlich leugnen.«

»Hoffentlich, Forsyte, hoffentlich, Elderson ist ein Gentleman.«

»Keiner lügt so gut wie ein Gentleman«, murmelte Soames unhörbar.

Danach standen sie beide in ihren Mänteln vor dem leeren Kamin und starrten ihre Zylinder an, die nebeneinander auf dem Tische lagen.

»Einen Augenblick!« sagte Soames plötzlich, ging quer durch das Zimmer und öffnete die gegenüberliegende Tür. Wie der junge Beamte es gesagt hatte, befand sich eine Art Gang zwischen dem Sitzungssaal und dem Bureau des Direktors und am Ende eine Tür in den Hauptkorridor. Er ging zurück, schloß die Tür und betrachtete wieder gemeinsam mit Sir Lawrence die Zylinderhüte auf dem Tisch.

»Die Geographie stimmt«, sagte er düster.

Das Monokel von Sir Lawrence fiel plötzlich mit einem Klirren auf seinen Rockknopf hinunter – der Direktor war eingetreten. Im schwarzen Cutaway, glattrasiert, Säcke unter den grauen Augen, rosiger Teint und jedes Haar an seinem Platz auf einem ziemlich kahlen, eiförmigen Schädel, Lippen, die abwechselnd schmollten, zusammengepreßt waren oder lächelten, so fand Soames eine geradezu komische Ähnlichkeit zwischen dem Direktor und dem alten Onkel Nicholas in dessen mittleren Jahren. Onkel Nick war ein gescheiter Bursche gewesen, ›den gescheitesten Mann in London‹ hatte ihn jemand geheißen; aber niemals hatte man seine Ehrlichkeit bestritten. Momentan durchzuckten Soames Zweifel und Abneigung. Es schien eine Ungeheuerlichkeit, die er da einem Mann von seinem Stand und Alter sagen wollte. Aber die Augen des jungen Butterfield – so ehrlich und hundetreu! So etwas erfinden – war denn das möglich? Er sagte schroff: »Ist die Tür da geschlossen?«

»Ja; zieht es Ihnen?« fragte der Direktor. »Soll ich einheizen lassen?«

»Nein, danke«, sagte Soames. »Ich muß Ihnen mitteilen, Mr. Elderson, daß ein junger Mann aus Ihrem Bureau gestern mit einer höchst sonderbaren Geschichte zu mir kam. Mont und ich meinen, daß man es Ihnen sagen müßte.«

Soames, der gewohnt war, die Augen der Menschen zu beobachten, hatte den Eindruck, als ob ein leichter Schleier, wie er manchmal die Augen von Papageien überzieht, den Blick des Direktors trübte. Es war sofort wieder vorüber, wenn es überhaupt geschehen war.

»Selbstverständlich.«

Mit jener Beherrschung seiner Nerven, über die er immer verfügte, wenn es darauf ankam, wiederholte Soames ernsthaft und fast Wort für Wort die Geschichte, die er während der letzten Nachtwache auswendig gelernt hatte. Er schloß mit den Worten: »Sie werden ihn wahrscheinlich hereinrufen wollen. Er heißt Butterfield.« .

Während des Berichtes hatte Sir Lawrence unablässig seine Fingernägel studiert; jetzt sprach er: »Man hat es Ihnen sagen müssen, Elderson.«

»Natürlich.«

Der Direktor ging zur Klingel. Das Rot seiner Wangen schien tiefer, man sah seine Zähne, die spitz hervorstanden. »Mr. Butterfield soll hereinkommen.«

In der nächsten Minute bemühten sich alle drei angestrengt, einander nicht zu beachten. Dann erschien der junge Mann, nett und ganz gewöhnlich, den Blick auf das Gesicht des Direktors gerichtet. Soames spürte einen Augenblick lang Gewissensbisse. Dieser junge Mensch lebte sozusagen von der Hand in den Mund, einer aus der großen Schar derer, die davon existierten, daß sie anständig waren und ohne jede Individualität. Bei dem ersten Straucheln waren hundert andere bereit, in die Bresche zu treten. Wie hieß nur die alte Phrase aus den Deklamationen der Schmierenschauspieler, über die der alte Onkel Jolyon immer so gekichert hatte? ›Wie ein bleicher Märtyrer, dessen Hemd schon brennt.‹

»Mr. Butterfield, Sie waren also so gütig, Ihren Phantasien über mich die Zügel schießen zu lassen.«

»Nein, Sir.«

»Sie halten also diese phantastische Geschichte eines Spions aufrecht?«

»Ja, Sir.«

»Dann bedanken wir uns für Ihre ferneren Dienste. Guten Morgen!«

Die Hundeaugen des jungen Mannes suchten das Antlitz von Soames. Er schluckte etwas hinunter, seine Lippen bewegten sich ohne einen Laut. Dann wandte er sich um und ging hinaus.

»So, das wäre erledigt«, vernahm man die Stimme des Direktors. » Der wird keine Stelle mehr bekommen.«

Die Rachsucht in diesen Worten berührte Soames so unangenehm wie der Geruch von ranzigem Fett. Gleichzeitig hatte er das Gefühl: das muß überlegt werden. Nur wenn Elderson unschuldig war oder schuldig und zum Äußersten entschlossen, konnte er so drastisch vorgehen. Wie stand es nun um ihn?

Der Direktor fuhr fort: »Ich danke Ihnen, meine Herren, daß Sie meine Aufmerksamkeit auf diese Angelegenheit gelenkt haben. Ich habe den jungen Mann schon seit einiger Zeit im Verdacht. Durch und durch verworfen.«

Soames sagte mürrisch: »Was hat er denn Ihrer Meinung nach damit gewinnen können?«

»Er sah seine Entlassung voraus und wollte mir zuvorkommen.«

»Nun ist es mir klar«, sagte Soames. Aber es war ihm gar nichts klar. In Gedanken war er wieder in seinem Bureau, wo Gradman seine Nase gerieben und den grauen Kopf geschüttelt und Butterfield beteuert hatte: ›Nein, Sir, ich habe nichts gegen Mr. Elderson, und er hat auch nichts gegen mich.‹

›Ich muß Erkundigungen über den jungen Mann einziehen‹, dachte er.

Wieder wurden seine Gedanken von der Stimme des Direktors unterbrochen: »Ich habe darüber nachgedacht, was Sie gestern sagten, Mr. Forsyte, bezüglich der Anklage gegen den Aufsichtsrat wegen Fahrlässigkeit. Das haben wir nicht zu befürchten; unsere Politik ist auf zwei Generalversammlungen den Aktionären vollkommen offen dargelegt worden, und es hat sich keine Stimme dagegen erhoben. Die Aktionäre sind genau so verantwortlich wie der Aufsichtsrat.«

»Hm!« sagte Soames und ergriff seinen Hut. »Kommen Sie mit, Mont?«

Als wenn man ihn von weit her gerufen hätte, klemmte Sir Lawrence wie elektrisiert sein Monokel ein.

»Es war sehr peinlich«, sagte er. »Sie müssen uns verzeihen, Elderson. Man hat es Ihnen sagen müssen. Ich glaube, der junge Mann muß da im Oberstübchen nicht ganz richtig sein – er hat so einen sonderbaren Blick; aber so etwas können wir natürlich nicht dulden. Adieu, Elderson.«

Gleichzeitig setzten beide ihre Hüte auf und marschierten hinaus. Eine Zeitlang gingen sie schweigend nebeneinander. Dann sagte Sir Lawrence:

»Butterfield? Mein Schwager hatte einen Obergärtner namens Butterfield – ein ganz tüchtiger Kerl. Sollten wir nicht den jungen Mann ein bißchen auf Herz und Nieren prüfen, Forsyte?«

»Jawohl«, sagte Soames, »überlassen Sie das mir.«

»Gerne! Tatsache ist, daß man so ein besonderes Gefühl hat, wenn man mit einem zusammen studiert hat, verstehn Sie?«

Soames ließ sich plötzlich hinreißen: »Mir kommt vor, daß man heutzutage überhaupt niemandem mehr trauen kann«, sagte er. »Das kommt von – na, ich weiß nicht, wovon es kommt. Aber mit dieser Sache bin ich noch nicht fertig.«


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