Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil I
Henry Fielding

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Achtes Kapitel.

Ein Recept, die verlorene Liebe einer Frau wieder zu erlangen, das selbst in den verzweifeltsten Fällen seine Wirksamkeit nie verfehlt hat.

Der Capitain glich die unangenehmen Minuten, die er im Gespräche mit seiner Frau verbrachte (und er sorgte dafür, daß deren wenige waren), reichlich durch die angenehmen Gedanken aus, an denen er sich erfreute, wenn er allein war.

Diese Gedanken galten ausschließlich dem Vermögen Allworthy's; denn erstens brauchte er viel Zeit, um so genau als möglich den eigentlichen Betrag desselben zu berechnen, welche Berechnungen er häufig zu seinen Gunsten zu ändern Gelegenheit fand, und zweitens und hauptsächlich unterhielt er sich mit Entwürfen über Umänderungen in dem Hause und Garten und mit vielen andern Plänen, sowohl in Rücksicht auf das Gut, als auf die Großartigkeit des 90 Platzes. Aus diesem Grunde beschäftigte er sich fleißig mit dem Studium der Architektur und des Gartenbaues, und las viele Bücher über diese beiden Gegenstände, denn diese Wissenschaften füllten seine ganze Zeit aus und waren sein einziges Vergnügen. Endlich kam er mit einem ganz vortrefflichen Plane zu Stande, und es thut uns sehr leid, daß wir ihn unsern Lesern nicht vorlegen können, da er selbst den Luxus unserer Tage übertreffen dürfte. Er besaß im höchsten Grade die beiden hauptsächlichsten Eigenschaften, welche alle großen und edeln Entwürfe dieser Art empfehlenswerth machen, da er zur Ausführung einen ungeheuern Aufwand und zur Vollendung eine sehr beträchtliche Zeit in Anspruch nahm. Den erstern versprach der ungeheuere Reichthum, den der Capitain bei Allworthy voraussetzte und sicher zu erwerben gedachte, hinreichend zu decken, und was die Zeit betraf, so hoffte er bei seiner trefflichen Constitution und seinem Alter, da er erst in den sogenannten besten Jahren stand, die Vollendung noch recht wohl zu erleben.

Es fehlte zum Beginne der Ausführung dieses Planes nichts weiter, als der Tod Allworthy's, und zur Berechnung des Eintrittes desselben hatte er nicht blos seine Kenntnisse in der Algebra aufgeboten, sondern auch alle Bücher sich angeschafft, welche von der Lebensdauer u. s. w. handeln. Aus allem diesem gewann er die Ueberzeugung, daß jener Todesfall nicht nur jeden Tag eintreten könne, sondern wahrscheinlicher Weise in den nächsten Jahren erfolge.

Aber während der Capitain eines Tages mit tiefen Gedanken und Betrachtungen dieser Art beschäftigt war, betraf ihn einer der unglücklichsten und ungelegensten Unfälle. Die höchste Bosheit des Schicksals konnte wirklich nichts so Grausames, nichts so Unzeitiges ersinnen, das alle seine Pläne so ganz und gar vernichten mußte. Um es kurz zu 91 sagen und den Leser nicht lange in Ungewißheit zu lassen, gerade in dem Augenblicke, als sein Herz sich an Gedanken über das Glück ergötzte, das ihm der Tod Allworthy's bringen würde, – rührte ihn selbst der Schlag, so daß er starb.

Dies Unglück betraf den Capitain leider als er eben allein seinen Abendspaziergang machte, so daß Niemand bei ihm war, der ihm hätte Beistand leisten können, wäre er auch durch Beistand zu retten gewesen. Er sank also todt auf die Erde nieder, ein großes (wenn auch kein lebendes) Beispiel der Wahrheit jener Bemerkung des Horaz:

Tu secanda marmora
  Locas sub ipsum funus, et sepulchri
Immemor, struis domos.

Welche Bemerkung ich dem Leser so verdeutsche: Du sorgst für die kostbarsten Baumaterialien, während blos Hacke und Spaten nöthig sind, bauest große und stolze Häuser und vergißt darüber das Häuschen von »vier Bretern und zwei Bretchen.«


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