Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil I
Henry Fielding

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Erstes Kapitel.

Es wird darin gezeigt, welche Art von Geschichte die vorliegende ist, womit sie sich vergleichen und womit sie sich nicht vergleichen läßt.

Ob wir gleich dieses unser Werk eine Geschichte, nicht aber ein Leben genannt haben, so haben wir doch die Absicht, mehr der Methode jener Schriftsteller zu folgen, welche die Revolutionen der Länder schildern wollen, als dem bändereichen arbeitsvollen Geschichtschreiber nachzuahmen, der, um nur immer ganz in der Ordnung zu bleiben, eben so viel Papier mit den Einzelnheiten von Monaten und Jahren füllen zu müssen glaubt, in denen nichts Bemerkenswerthes vorfiel, als er auf jene merkwürdigen Epochen verwendet, in welchen die größten Männer auf dem Schauplatze sich befanden.

Solche Geschichten gleichen eigentlich einer Zeitung sehr, die gerade eben so viele Wörter enthält, es mögen 54 Neuigkeiten darin stehen oder nicht. Auch mit einem Postwagen lassen sie sich vergleichen, der immer denselben Weg fährt, er mag gefüllt oder leer sein. Der Verfasser scheint zu glauben, er müsse gleichen Schritt mit der Zeit halten, deren Amanuensis er ist, und schreitet deshalb, gleich seiner Gebieterin, eben so langsam durch Jahrhunderte mönchischer Stumpfheit und Finsterniß, in denen die Welt geschlafen zu haben scheint, als durch die glänzende und rührige Zeit, die von dem vortrefflichen lateinischen Dichter so edel ausgezeichnet wird:

Ad confligendum venientibus undique Poenis,
Omnia cum belli trepido concussa tumultu
Horrida contremuere sub altis aetheris auris:
In dubioque fuit sub utrorum regna cadendum
Omnibus humanis esset, terraque marique.

Wir haben uns vorgenommen, in den nachfolgenden Bogen eine entgegengesetzte Methode zu befolgen. Wenn irgend ein außerordentliches Ereigniß vorkommt (wie es nicht selten der Fall sein wird), so werden wir weder Mühe noch Papier sparen, um es dem Leser recht anschaulich darzustellen; sollten jedoch ganze Jahre vergehen, ohne irgend etwas erwähnenswerthes zu bringen, so werden wir uns auch vor einer Lücke in unserer Geschichte nicht fürchten, sondern zu wichtigeren Gegenständen eilen und solche Zeitabschnitte ganz unbeachtet lassen.

Diese Zeitabschnitte müssen wie Nieten in der großen Lotterie der Zeit angesehen werden, und da wir die Rechnungsführer dieser Lotterie sind, so werden wir es auch machen wie die andern Lotterie-Directionen, welche sich wohl hüten, die vielen Nieten anzuzeigen, welche gezogen wurden, die großen Gewinne aber mit großen Lettern in allen Zeitungen ausposaunen, damit die Welt erfahre, in welche Collecte sie fielen. Da nun die großen Gewinne 55 meist immer in eine von zwei oder drei solchen Collecten fallen, so scheint dadurch den Spiellustigen angedeutet zu werden, gewisse Collecteurs wären in die Geheimnisse des Glückes eingeweihet oder hätten wohl gar Sitz und Stimme in dem geheimen Rathe desselben.

Mein Leser wird sich demnach nicht wundern, wenn er im Verlaufe dieses Werkes einige sehr kurze und dann wieder sehr lange Kapitel findet, einige, die nur die Zeit eines einzigen Tages enthalten und andere, die Jahre umfassen, mit einem Worte, wenn meine Geschichte bisweilen still zu stehen, bisweilen zu fliegen scheint. Ich lehne die Verantwortlichkeit dafür bei jedem kritischen Gerichtshofe ab, denn da ich eigentlich der Gründer einer neuen Schreibart bin, so muß mir es auch freistehen, diejenigen Gesetze für dieselbe zu erlassen, die ich für geeignet halte. An diese Gesetze müssen meine Leser, die ich für meine Unterthanen halte, glauben und ihnen gehorchen, und damit sie sich um so bereitwilliger darein fügen, versichere ich hiermit, daß mir bei allen solchen Anordnungen ihr Vortheil und ihre Bequemlichkeit hauptsächlich am Herzen liegt, denn ich bin nicht der Meinung der jure divino Tyrannen, welche ihre Unterthanen für Sclaven oder Waare halten. Ich bin über sie gesetzt blos zu ihrem eigenen Nutzen; ich wurde zu ihrem Wohl erschaffen, nicht sie zu dem meinigen. Auch zweifele ich nicht, daß sie, während ihr Vortheil die Hauptrichtschnur bei meinem Schreiben ist, einmüthig meine Würde unterstützen und mir alle die Ehre erzeigen werden, die ich verdienen oder wünschen dürfte.


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