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Franz Liszt zum Geburtstage.

Auf der Altenburg, 22. Oktober 1857.

Das ist der Fluch der Überlieferung,
Daß das nur gilt was einst gegolten hat.
Dem Künstler gönnt man meist sein Leben nur
Erst dann, wenn er schon längst begraben ist.
Für ihresgleichen sieht die Mitwelt an,
Was für sie lebt und ihr sein Herzblut zollt,
Sie aus dem Kreise des Gewöhnlichen
Ins Reich des Schönen und Erhabenen
Emporzuheben, und dem Göttlichen
Zu nähern, daß sie himmlisch fühlt und denkt.
Drum glücklich jeder, wem der Himmel lieh
Zu der Begeisterung und Schöpferkraft
Die volle Quelle schönen Mitgefühls,
Daß er nicht hoffen darf, ob irgendwo
Ihm seines Schaffens Lorbeerreis ersprießt.
Frei kann er sich gestalten seine Welt
In Worten, Bildern, Tönen wie er will,
Bewußt sich seines göttlichen Berufs
Trägt er in sich der Anerkennung Lohn
Und jene stillbeseligende Lust,
Die ihn zum Weiterstreben mahnt und treibt
Und Trost und Mut im Schaffen ihm verleiht.
Doch doppelt glücklich nenn' ich heute dich,
Du kannst verzichten, hast es oft gezeigt,
Auf das, was man des Künstlers Lohn so nennt,
Und heut' empfängst du von der Freunde Schar
Der Lieb' und der Verehrung Huldigung,
Und reicher strömt dir heut' und künftig nun
Die volle Quelle schönen Mitgefühls.
So nimm denn heut' auch freundlich an von mir,
Der dich so oft begrüßt hat und so gern,
Den Herzenswunsch, daß dir der heut'ge Tag
Ein Tag der Freude sein und bleiben mag!

*


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