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Buch der Liebe.

(1836.)

Du wachst, mein Herz, die lange Nacht;
Ich frage dich, du bleibest stumm:
So halten auch die Sterne Wacht
Die liebe lange Winternacht
Und sie auch wissen nicht, warum.

*

Sie weiß es nicht, wie ich mich wiege
In Träumen von ihr,
Und auf der Sehnsucht Schwingen fliege
Wachend zu ihr,
Und wie ich immer flüstr' und kose
Und rede mit ihr,
Und stehen bleibe vor jeder Rose
Als stünd' ich vor ihr;
Wie all mein Sehnen, mein Verlangen
Strebt nach ihr,
Und alles mir ist aufgegangen
Einzig in ihr.

*

Wenn mich auf Erden noch betrübt ein Leid,
So ist es eins vor allen:
O, warum ist in meine Blütezeit,
Dein Frühling nicht gefallen?

*

Fordre keinen Glanz und Schimmer,
Keine bunte Farbenpracht!
Wahre Liebe hat noch immer
Heil und Seligkeit gebracht.

Auch im grauen Witwenkleide –
Kennst du nicht die Nachtigall?
Und wer schmückt für sie die Heide,
Wald und Fluren überall?

Und sie flieht des Tages Schimmer
Und die lichte Blumenpracht,
Ihre Liebe singt sie nimmer
Schöner als in dunkler Nacht.

*

Dich kannt' ich schon, als ich ein Kind noch war,
Schon damals sprach zu mir derselbe Mund,
Es sah mich an dasselbe Augenpaar,
Dieselbe Seele gab sich damals kund.

Ein Engel war's, der mir im Traum erschien;
Er sah mich an und sprach manch süßes Wort –
Und als es Morgen ward, sah ich ihn fliehn,
Und meine Sehnsucht sucht' ihn immerfort,
Und endlich fand sie ihn.

*

Stört mich nicht in meinen Träumen,
Laßt mich wie ich will genießen,
Laßt mich ruhen, laßt mich lauschen
Und im Schaun die Zeit verbringen!
Laßt mich unter Blütenbäumen
Sehen wie die Quellen fließen?
Hören wie die Blätter rauschen
Und die Vögel lieblich singen!
Sagt? was soll ich sonst beginnen?
Sagt? was soll ich mehr gewinnen?
Laßt mich unter Blütenbäumen
So im Schaun die Zeit verbringen!
Laßt mich ruhen? laßt mich lauschen,
Laßt mich wie ich will genießen!
Stört mich nicht in meinen Träumen?
Wenn ich unter Blütenbäumen
Meine Zeit so will verbringen?
Hören will die Vögel singen?
Wenn ich schauen will und lauschen,
Ob die Blätter wehn und rauschen,
Wie die hellen Quellen fließen?
Wie die Blumen um mich sprießen.

*

30. März 1837.

Es steht in meinem Garten
Ein hoher breiter Baum,
Der trug einst goldne Früchte,
Und bringt jetzt Blätter kaum.

Einst sang in seinen Zweigen
Ein Vöglein allezeit:
Wenn ich es singen hörte,
Vergaß ich alles Leid.

Der Vogel ist verschwunden?
Verdorret ist der Baum?
Mein Leid ist mir geblieben?
Und alles ward ein Traum.

*


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