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Zweiter Teil der Unpolitischen Lieder.

Sonntag.

Eins und – alles.

8. Juni 1841.

O Deutschland, erwache, gedenke deiner selbst, erstehe von diesem tödlichen Kampfe! Das Reich kann nur durch das Reich, Deutschland durch Deutschland wiedergeboren werden, und durch die Sonne der göttlichen Gnade wie ein Phönix aus der Asche seines eigenen Leibes hervorgehn. Nicht Katholiken oder Unkatholiken, nicht Römische oder Lutherische (Namen, den arglistigen Feinden willkommen) sollen uns davon abhalten; sondern als Glieder eines Leibes, eines Staats, als Brüder müssen sich alle Deutsche in Liebe umfassen, und mit allen Kräften und Tugenden heldenmütig jenem großen Ziele nachstreben. Das Vaterland schützen, verteidigen, erhalten, dazu ist jeder, dazu sind alle verbunden.
Paraenesis ad Germanos 1647.

Deutschland erst in sich vereint!
Auf! wir wollen uns verbinden,
Und wir können jeden Feind
Treuverbunden überwinden.

Deutschland erst in sich vereint!
Lasset alles, alles schwinden
Was ihr wünschet, hofft und meint!
Alles andre wird sich finden.

Deutschland erst in sich vereint!
Danach strebet, danach ringet!
Daß der schöne Tag erscheint,
Der uns endlich Einheit bringet.

Deutschland erst in sich vereint!
Wenn uns das einmal gelinget,
Hat die Welt noch einen Feind,
Der uns wiederum bezwinget
?

*

Vetter Michel.

16. Mai 1840.

Verspottet nur den Vetter Michel!
Er pflügt und sät:
Einst sprießt die Saat, die keine Sichel
Der löblichen Zensur ihm mäht.

Sie leben noch, die etwas wollen
Mit Herz und Hand,
Die Gut und Blut noch freudig zollen
Für Gott und für das Vaterland.

*

Rokokos Glaubensbekenntnis.

18. Mai 1841.

Swer lobt des snecken springen,
und des ohsen singen,
der quam nie dâ der lêbarte spranc
unt dâ diu nahtegale sanc.
Vrîdanc.

Mel.: Ich war erst sechzehn Sommer alt,
Unschuldig und nichts weiter.

Ich stimme für die Monarchie,
Da gibt's noch Rang' und Stände;
Mit Republik geht Poesie
Und alles Glück zu Ende.

Ich stimme für die Monarchie;
Wenn wir darin nicht wären,
Wie könnten wir doch ohne sie
So viele Leut' ernähren?

Ich stimme für die Monarchie,
Für Würden, Titel, Orden;
In Republiken sind noch nie
Verdienste was geworden.

Ich stimme für die Monarchie,
Wo die Zensur noch waltet,
Wo nicht der Presse Despotie
Nach Herzenslüsten schaltet.

Ich stimme für die Monarchie,
Wo weise wird regieret,
Weil Grundbesitz mit Hab' und Vieh
Nur ist repräsentieret.

Ich stimme für die Monarchie,
Die gibt noch gute Rente;
Es gab die Republik doch nie
Vier oder fünf Prozente.

Drum lass' ich mir die Monarchie
Auch nun und nimmer rauben:
Wir haben eine Liturgie,
Und einen Gott und Glauben.

*

Siegeslied

nach endlichem Sturze der Mandarinen mit der Pfaufeder vom wirklichen geheimen Oberzensurkollegium im 20. Jahre Tao-Kuangs und im 37. des 75. Zyklus unsers himmlischen Reiches.

1. August 1840.

Mel.: Süße liebliche Vertraute,
Meines Kummers Trösterin.

Fürchtet nicht die Bajonette,
Nicht den Uniformentand,
Hof und Adel, Etikette,
Titel, Orden, Rang und Stand!
Tsching tsching. Ein Jubelspottwort der Chinesen, wobei sie mit dem Daumen und Zeigefinger die Nase fassen, mit den übrigen Fingern eine zitternde Bewegung machen und zugleich die Zunge ausrecken. (Anm. Hoffmanns.)
Der von Schelmuffsky.

He, juchhe! sie sind gefallen,
Und zertrümmert ist ihr Sitz!
Endlich ist erlaubt uns allen
Wieder doch einmal ein Witz.
Tsching.

Welche Zukunft! o ihr Lieben,
Ihr Beamten, singt und lacht!
Denn ihr habt gar viel geschrieben,
Doch nie einen Witz gemacht.
Tsching tsching.

Die Konduitenlisten geben
Nun anjetzt Bericht sogar,
Wenn in seinem magern Leben
Ein Beamter witzig war.
Tsching tsching.

Laßt uns feiern in den Schenken
Jährlich ein Erinnrungsfest,
Denn wir dürfen wieder denken
Alles was sich drucken läßt.
Tsching tsching.

*

Wie ist doch die Zeitung interessant!

28. Mai 1841.

Man kann unstreitig zu unsern Tagen vieles sagen, was man noch zu den Zeiten unsrer Väter kaum leise denken durfte. Vielleicht kommt noch in dem folgenden Jahrhundert die Zeit, wo man alles, was man denkt und glaubt, auch laut sagen darf.
Friedr. Karl Freih. v. Moser, »Politische Wahrheiten.« I. 1796. S. XV.

Wie ist doch die Zeitung interessant
Für unser liebes Vaterland!
Was haben wir heute nicht alles vernommen!
Die Fürstin ist gestern niedergekommen,
Und morgen wird der Herzog kommen,
Hier ist der König heimgekommen,
Dort ist der Kaiser durchgekommen,
Bald werden sie alle zusammenkommen –
Wie interessant! wie interessant!
Gott segne das liebe Vaterland!

Wie ist doch die Zeitung interessant
Für unser liebes Vaterland!
Was ist uns nicht alles berichtet worden!
Ein Portepeefähnrich ist Leutnant geworden,
Ein Oberhofprediger erhielt einen Orden,
Die Lakaien erhielten silberne Borten,
Die höchsten Herrschaften gehen nach Norden
Und zeitig ist es Frühling geworden –
Wie interessant! wie interessant!
Gott segne das liebe Vaterland!

*


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