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Rosenlieder.

Später Sommer.

7. September 1871.

Wie ist so sommerstill das Haus!
Wie fühl' ich mich so frisch und frei!
Auf meinem Tisch ein Rosenstrauß,
Als ob es jetzt noch Frühling sei.

Spät fand sich noch ein Sommer ein:
Wer denket, daß es Herbst schon ist?
O glücklich, wer noch froh kann sein
Und seinen eignen Herbst vergißt!

*

September 1871.

So möcht' ich blühn wie diese Rosen
Entgegen einer Winterzeit,
So möcht' ich blühn wie diese Rosen,
Die nicht wie wir, die Hoffnungslosen,
Sich fürchten vor des Alters Leid.

Sie fühlen nicht bei dieser Sonne,
Daß es des Herbstes Sonne ist,
Sie fühlen nicht bei dieser Sonne,
Daß unser Herz nach Frühlingswonne
Sich sehnt und niemals sie vergißt.

So möcht' ich blühn und niemals fragen,
Ob mir ein Frühling zugedacht,
So möcht' ich blühn und niemals fragen,
Ob mir in meinen späten Tagen
Noch eine Frühlingssonne lacht.

*

Dort und hier.

Braunschweig, 11. Mai 1872.

O gebt mir meine Berge wieder
Und meines Tales frisches Grün!
Dort hör' ich meines Herzens Lieder,
Dort seh' ich meine Blumen blühn.

Dort muß ich stets von neuem singen,
Dort fühl' ich mich so froh, so jung;
Dort kann ich mich gen Himmel schwingen
Auf Flügeln der Erinnerung.

Nach jenen Bergen, nur nach jenen
Und jenem Tale zieht's mich hin,
Dort wohnt mein Hoffen, wohnt mein Sehnen
Und alles was ich hab' und bin.

Hier schweigen meines Herzens Lieder,
Hier seh' ich keine Blumen blühn –
O gebt mir meine Berge wieder
Und meines Tales frisches Grün!

*

Dem 8. Dezember 1871.

11. Dezember 1871.

Das war mein jüngster, war mein schönster Traum:
Ich fuhr auf einem Regenbogen hoch
Im hellen Sonnenschein der Heimat zu.
Mein Leben lag wie dunkeles Gewölk
Weit hinter mir, der Regenbogen war
Die Brücke, die aus lauter Freude mir
Gewoben hatte meiner Freunde Dank.
Wie fühlt' ich frei und wohl und glücklich mich,
Daß mir am Abend meiner Tage noch
Ein hoher Ehrensold verliehen ward.
Mein Herz, in seiner Freude heißem Drang,
Es mußte wieder singen und ich sang,
Und jedes Lied, es senkte nieder sich
Und ward zu einer Blume stillen Danks,
Und jede rief vom Frühlingstau beperlt
Den lieben Freunden zu! »Vergiß mein nicht!«

*

Frage und Antwort.

7. August 1873.

»Und du willst noch immer dichten?
Dir versingen Gram und Leid?
Und den Kampf des Alters schlichten
Mit der Jugend Frühlingszeit?«

Ja, ich will's, und immer wieder
Treibt zum Sang des Herzens Drang,
Und es sind dieselben Lieder,
Die ich einst im Frühling sang.

Jugend hat mir Gott gegeben
Für des Lebens Winterzeit;
Um in Jugendlust zu leben,
Ist mein Herz zum Sang bereit.

*

Auf dem See.

18. Februar 1873.

Ich saß in einem Fischerboot,
Und hörte nur den Ruderschlag;
Der See erglänzt' im Abendrot,
Zu Rüste ging der müde Tag.

Am Ufer zogen Schwän' entlang,
Es lag das Tal gehüllt in Duft,
Und eine Weidenflöt' erklang
Hell durch die frische Frühlingsluft.

Und Fried' und Ruh' um Berg und Tal
Und überall im Abendschein –
Wann kehret Fried' und Ruh' einmal,
O Herz, mein Herz, bei dir auch ein?

*

An der See.

1873?

So möcht' ich unter diesen Bäumen
Und unter diesem Himmelszelt,
So möcht' ich weilen, ruhn und träumen
Von meiner alten lieben Welt!

Ich würde singen meine Lieder,
Des Lebens süße Melodein,
Ich würde haben alles wieder,
Ich würde wieder glücklich sein.

O laßt mich unter diesen Bäumen
Und unter diesem Himmelszelt,
O laßt mich weilen, ruhn und träumen
So lange, bis es Gott gefällt.

*

Frühlingsbotschaft.

2. März 1873.

Vor meinem Fenster sang
Ein Vögelein,
Und bittend sprach's: »Mach auf!«
Da ließ ich's ein.

Sag, liebes Vöglein, sag,
Was willst du hier?
Was könnt'st du bringen jetzt
Für Botschaft mir?

Es liegt in Trauer still
Noch Wald und Feld,
Es ist als wäre tot
Die ganze Welt. –

»Der Frühling grüßet dich,
Er denket dein,
Er wollte bald bei dir
Sich finden ein.«

Hab' Dank, lieb Vögelein,
Hab' Dank dafür!
Sag ihm: geöffnet sei
Ihm Herz und Tür!

*

Abendruhe.

26. Juni 1873.

So laßt mich ruhen ungestört!
Ich habe nun genug gehört,
Hab' auch genug gesehn;
Ich habe viel gewollt, gestrebt,
Und viel durchdacht und viel durchlebt
Was um mich ist geschehn.

Und Abend wird's, die Glocke schallt,
Und Fried' und Ruh' in Feld und Wald,
Als ob es Nacht schon wär'.
Ein Wandrer froh vorüberzieht,
Er singt aus voller Brust sein Lied –
Einst sang ich auch wie er.

Kein Halm, kein Blatt, kein Zweig sich regt,
Mein Herz auch immer leiser schlägt,
Mein Sehnen ist gestillt.
Und was ich war und was ich bin,
Es ist als zieht es vor mir hin –
Ein Traum, ein Schattenbild.

Und doch ist die Vergangenheit
Mit aller Freud' und allem Leid
Wie milder Mondenschein,
Der mich begrüßt am Abend spat,
Ein treuer Freund voll Rat und Tat:
»Du sollst nicht traurig sein!«

*

Des Sängers Trost.

18. August 1850.

Wenn ich begraben bin
Und auch die mich gekannt
Begraben alle sind
Schon längst im kühlen Sand;

Wenn über mir schon sank
Mein Grabeshügel ein,
Und von mir nirgend spricht
Ein Totenkreuz noch Stein;

Wenn niemand auf der Welt,
Wie oft er beten mag,
Mein denkt, auch nicht einmal
Am Allerseelentag:

Denkt manche Seele doch
Vielleicht in Freuden mein,
Denn – manche singt mit mir
Von Freiheit, Lieb' und Wein.

Wo Freiheit, Lieb' und Wein
Noch lebt in Sang und Wort,
Da lebt ihr Sänger auch
Der längst begrabne fort.

*


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