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Siebente Sitzung.

Mißverständnis.

24. Dezember 1839.

Mel.: Herz, mys Herz, warum so trurig?

»Singe wem Gesang gegeben,«
Sprach zur Vogelschar der Aar,
»Das ist Freude, das ist Leben!« –
Und es sang die Vogelschar.

Und es wurde bunt die Heide,
Grün der Wald und grün das Feld,
Und aus ihrem Winterleide
Trat verjüngt hervor die Welt.

Das war Freude, das war Leben
In dem Wald und auf der Flur,
Denn die Sänger waren eben
Lauter gute Sänger nur.

Doch es kamen stolze Namen,
Wiedehopf und Königlein,
Pfau, Fasan und Truthahn kamen,
Mischten ihren Jubel ein.

Und es wurde bleich die Heide,
Falbe wurde Wald und Feld,
Und in ihrem Winterleide
Lag nun wiederum die Welt.

*

Philister.

19. November 1838.

Mel.: Seht ihr drei Rosse vor dem Wagen?

Philistervolk auf allen Wegen,
Philister vor und hinter mir,
Im Sonnenschein, im Schnee und Regen,
Philister dort, Philister hier!

Hast du noch Beine, so enteile!
Zwar ist gewiß, du stirbst einmal –
Doch ist ein Tod vor Langerweile
Schon hier auf Erden Höllenqual.

So dacht' ich, und es klopft soeben,
Und ein Philister stellt sich ein,
Umarmt mich, küßt mich – gottergeben
Geh' ich in meinen Tod hinein.

*

In Deutschland.

3. Mai 1839.

Noch kumt vröude und sanges tac.
Wol im ders erbeiten mac.

Walter von der Vogelweide.

Noch ist Freude, noch ist Leben
Überall im deutschen Land.
Deutsche Fraun und Männer geben
Sich einander noch die Hand.

Und der schöne Glaube lebt noch
An die deutsche Ehrlichkeit,
Und der Geist der Treue schwebt noch
Über uns und unsrer Zeit.

Und es wird noch Frühling wieder
Auch für uns in Wald und Feld,
Und es singt noch frohe Lieder
Überall die deutsche Welt.

Wahrheit findet noch und Dichtung
Ihre Herzen, ihren Mund,
Und es tut nach mancher Richtung
Sich das Schön' und Beßre kund.

Tadelt nicht die Zeit, die neue,
Wünschet nicht das Heute fern!
Zeit ist, daß sich jeder freue,
Jeder lobe Gott den Herrn.

Sprecht ihr Weisen, sprecht ihr Toren!
Und wer wäre nicht ein Kind?
Ach! ich bin zu früh geboren!
Eine neue Welt beginnt.

*


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