Otto Ernst
Satiren, Fabeln, Epigramme, Aphorismen
Otto Ernst

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Aus meinem Tagebuche.

Aäi, wie das Bier heut' schmeckte!
Fade.
Sauer.
Scheußlich – Hchrrr – pui!
Es floß über den Tisch
Und blieb stehen.
Und ich starrte in den trüben Tümpel
Und starrte –
Starrte....
Und mir wurde ganz trübetümpelig zumute.
Und erst die Zigarre:
Heiliger Bimbam!
Zum –
Na, ich will es bei mir behalten.
Ich stieß den Stummel auf den Tisch,
In den Biertümpel;
Tschsch – machte es
(Pardon, ein Hiatus!
Aber »macht' es«
Wäre unnatürlich.)
Also: Tschsch – machte es,
Und aus war er.
Der Stummel nämlich. –
Und ich bummelte, trottelte, schlotterte, schlankerte
Hinaus auf die Straße,
Den Hut im Genick,
Die Hände in den Hosentaschen,
Bis zum Ellbogen nämlich.
Und ich starrte in den Rinnstein,
Starrte wieder –
Und mein bißchen Geist versenkte sich vollständig
In das gurgelnde, bullernde, glucksende Schlammwasser.

Und dann machte ich ein Gedicht. –
Es war ein Sommertag.
Vor mir ein Feld:
Kartoffeln.
Lauter, lauter blühende, blühende Kartoffeln.
Und lauter ganz, ganz, ganz schmutzig-lilafarbene Blüten,
Wie das die Kartoffeln
So an sich haben,
Wenn sie blühen.
An das Kartoffelfeld
Stieß eine Wiese,
Und über das Wiesengatter
Nickten drei Esel,
Gerade noch von der Abendsonne beschienen.
Nickten -
Nickten –
So freundlich
So –
So –
Kollegialisch,
Daß ich in tiefer Ergriffenheit
Niederfiel auf den Bauch
Und rief:
Heilige Natur,
Du bist doch das Einzig-Wahre!
Alles andere,
Auch die Kunst,
Gegen dich ist es
Pimp!
Und am Horizont
Ging die Sonne zu Bett,
Offenbar
Müde wie'n Hund
Und rot wie Blut.
(»Wie Blut« gefällt mir eigentlich nicht!
Zu gewöhnlich –
Aber ich laß es stehen.)
Das alles kam mir wieder in den Sinn,
Als ich dahinbummelte, trottelte, schlotterte, schlankerte
Nach der Köpenicker-StraßeDer konsequente Naturalismus verlangt die Angabe der Straße.
Nr. 93.
Da wohne ich nämlich.
Vor meiner Tür stieg vom Pflaster
Eine bleiche Dampfwolke auf,
Bläulich-silbern durchzittert
Vom Mondlicht.
Aus einem Kessel
Geheimnisvoll
Wirbelte die zarte Dampfsäule empor:
»Heiße Frankfurter!«
Schrie es mir knirschend entgegen –
Brrr, wie mir ekelte –

Na? – – –
Das nenn ich'n Gedicht, was?
Gedanken sind ja keine drin.
Das wäre noch schöner!
Gedankenlyrik machen
Wie der Idiot Schiller,
Der »Moraltrompeter von Säkkingen«,
Wie ihn Nietzsche genannt hat,
Der Philosoph jenseits von Sinn und Unsinn –
Und Gefühl?
Na, in Jefühl machen wir schon lange nich,
Und was die Form anlangt,
So ist sie nichts als schandbare Schlamperei;
Aber ein Individuum bin ich
Verdammt noch'n mal!
Und das will was heißen!
Individualitäten brauchen wir.
Wie Attila,
Friedrich Nietzsche
Sternickel
Und mich.

Wir vier,
Wir reißen noch mal die Welt aus'm Dreck.
Und wenn nich,
Na, denn nich.
Die Hauptsache ist, daß wir Individuen sind!
Gedanken? Phh!
Gefühle? Phh phh!
Welt? Menschheit?
Ist – ja – doch – lllächerlich!

 


 << zurück weiter >>