Otto Ernst
Satiren, Fabeln, Epigramme, Aphorismen
Otto Ernst

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Revolverischer Journalisten-Unterricht.

Frei nach Goethe.

(Redaktionszimmer. Mephistopheles in Schreibärmeln. Ein Schüler tritt auf.)

Schüler.
Ich bin allhier erst kurze Zeit
Und komme voller Lüsternheit,
Einen Mann zu sehen und zu kennen.
Den alle mir mit Zittern nennen.

Mephistopheles.
Ach, dieser Ruhm erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie viele mehr.
Habt Ihr Euch sonst schon umgetrieben?

Schüler.
Ich habe natürlich Kritik geschrieben.
Daher hab ich den dreisten Mut,
Mangel an Geld und gelbes Blut.
Kaum wollt' mich die Polizei entfernen.
Möchte nun Zeitungsschreiber lernen.

Mephistopheles.
Da seid Ihr eben recht am Ort.

Schüler.
Aufrichtig – möchte schon wieder fort.
In diesen Mauern, diesen Hallen –
Ohrfeigen hör' ich ringsum schallen;
Es ist ein sehr beschränkter Raum;
Man sieht viel Grünes, doch keinen Baum;
Vor Kleistertopf, Revolver, Scheren
Vergeht mir Denken, Seh'n und Hören.

Mephistopheles.
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt der Mensch der Börse Brust
Nicht gleich im Anfang willig an;
Doch bald ernährt er sich mit Lust.
So wird es Euch an Panamas Brüsten
Mit jedem Tage mehr gelüsten.

Schüler.
An seinem Hals will ich mit Freuden hangen;
Sagt mir geschwind: wieviel muß man verlangen?

Mephistopheles.
Erklärt Euch, eh' Ihr weiter geht,
Was wählt Ihr für eine Spezialität?

Schüler.
Ich wünschte recht korrupt zu werden,
Und möchte gern, was auf der Erden
Und in dem Himmel ist, erfassen:
Den Silberrubel, das Lorbeerreis.

Mephistopheles.
Da seid Ihr just im rechten Gleis;
Doch müßt Ihr Euch nie was reuen lassen!

Schüler.
Ich geb' mich hin mit Seel' und Leib;
Doch freilich würde mir behagen,
Daß ich Reklamen für Bäder schreib
An schönen Sommerfeiertagen.

Mephistopheles.
Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen;
Doch Übung lehrt Euch Zeit gewinnen.
Mein teurer Freund, ich rat Euch drum
Zuerst Collegium moglicum.
Da wird der Geist so »ausstudiert«,
In tausend Schlüssen so versiert,
Daß er im Schlafe selbst fortan
Hinflegle die Gedankenbahn
Und flink und frech die Kreuz und Quer
Irrlichteliere hin und her.
Dann wird's Euch klarer Tag für Tag,
Daß, was Ihr sonst mit Müh' und Plag'
Erworben, Essen und Trinken, frei
Und Hirn dazu nicht nötig sei.
Zwar ist's mit Eurer Gedankenfabrik
Wie mit einem Webermeisterstück:
Ein Tritt von oben die Fäden regt,
Ihr müßt herüber-, hinüberschießen
(Auch ungeseh'ne Fäden fließen)
Ein Machtwort tausend Artikel bewegt.
Der Leitartikler »schreibt sich ein«
Und meint, er müsse »geistreich« sein.
Der erste Artikel wäre so.
Und drum der zweit' und dritte so,
(Und wenn der erste Artikel nicht wär',
Der dritte »zöge« schon nimmermehr.)
So treiben's die Schreiber allerorten,
Sind auch recht viele Weber geworden.
Wer will was Lebendigs zertrennen und zerreiben.
Sucht erst seinen Geist hineinzutreiben.
Dann hat er 'nen Dreck in seiner Hand
Und witzelt sich dran aus Rand und Band.
Der Lesepöbel nennt es esprit,
Spottet seiner selbst und weiß nicht wie.

Schüler.
Kann Euch nicht eben ganz verstehen.

Mephistopheles.
Das wird nächstens schon besser gehen.
Wenn Ihr, ohne Euch zu genieren,
Lernt über alles räsonnieren.

Schüler.
Mir wird von alle dem so dumm,
Als ging' mir ein Film im Kopf herum.

Mephistopheles.
Nachher vor allen andern Sachen
Müßt Ihr in Offiziösem machen.
Da seht, daß Ihr aus der Zeitung laßt,
Was einem Moloch just nicht paßt.
Für was drein geht und nicht drein geht,
Ein Preßbureau zu Diensten steht.
Doch vorerst dieses halbe Jahr
Nehmt ja der größten Ordnung wahr!
Fünf Leitartikel jeden Tag!
Seid fertig mit dem Glockenschlag!
Habt's Strafgesetz wohl präpariert,
Paragraphos wohl einstudiert.
Damit Ihr keine Gemeinheit begeht,
Die etwa in dem Buche steht.
Dabei des Anscheins Euch befleißt,
Als diktiert' Euch der heilig' Geist.

Schüler.
Das sollt Ihr mir nicht zweimal sagen!
Ich rechne aus, wieviel das nützt;
Vereint man Schwarz und Weiß verschmitzt,
Vermag man doppelt einzutragen.

Mephistopheles.
Doch wählt mir eine Spezialität!

Schüler.
Zum »Unterm Strich« kann ich mich nicht bequemen.

Mephistopheles.
Ich kann es Euch so sehr nicht übelnehmen:
Ich weiß, wie es um diese Leere steht.
Es erben sich Geschmack und Urteil
– »Fortsetzung folgt« – ermüdend fort;
Es schleppen von Geschlecht sich zu Geschlechte
Das »Fälscheton« und der Roman d'accord.
Vernunft – wär' Unsinn, Wahrheit Plage.
Ein Glück noch, daß Du Rezensente bist!
Vom Genius, der in Dir geboren ist,
War' sonst wohl leider nie die Frage.

Schüler.
Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt.
O glücklich der, den Ihr belehrt!
Fast möcht' ich nun die Politik erküren.

Mephistopheles.
Ich wünschte nicht, Euch irre zu führen.
Was diese edle Kunst betrifft,
Es ist so schwer, die Wahrheit stets zu meiden;
Wie leicht, daß man Parteigenossen trifft,
Die von den Gegnern kaum zu unterscheiden.
Durchaus geboten ist's, daß Ihr nur Einen hört
Und aufs Parteiprogramm den höchsten Meineid schwört.
Im ganzen – haltet Euch an Worte!
Dann geht Ihr durch die sichre Pforte
Zum Parlamentsgebäude ein.

Schüler.
Doch muß auch Brustton bei dem Worte sein.

Mephistopheles.
Sehr gut! Allein wer wird darob sich quälen!
Denn wo des Busens echte Töne fehlen.
Da wölbt sich voll der Mund zum Wortespei'n.
Auf Worten läßt sich trefflich reiten.
Mit Worten jedes Manko sich bestreiten.
An Worten läßt sich klauben, dreh'n und schrauben,
An Worte – braucht man selber nicht zu glauben.

Schüler.
Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen,
Allein wollt Ihr in aller Eil'
Mir vom »Vermischten«, vom »Lokalen Teil«
Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?
Zum Lernen hat man keine Zeit,
Und, Gott, das Feld ist gar zu breit.
Gebt einen Fingerzeig noch, mir zulieb',

>Mephistopheles (für sich)
Haha, als kleiner Sitz- und Hängedieb
Mag dieser Tölpel seine Rolle spielen.
    (Laut.)
Der Geist des Tagsberichts ist leicht zu fassen.
Ihr bummelt durch die ganz' und halbe Welt,
Um Euch stilistisch gehn zu lassen
Für's Zeilengeld.
Sehr unnütz, daß Ihr ängstlich forschend schweift,
Ein jeder schreibt halt, was er schreiben kann;
Doch wer im Augenblick des Pöbels Gier begreift.
Ist ein gemachter Mann.
Es scheint mir, daß Ihr gerne lauft,
An »Kühnheit« wird's Euch auch nicht fehlen,
Und wenn Ihr Euch nur selbst verkauft,
Verkaufen Euch sich andre Seelen.
Besonders lernt die alten Weiber führen;
Sie sind mit Hofbericht und Maskenball
Und Jungfernfall
Aus einem Punkt zu divertieren.
Und wenn Ihr dabei ehrbar tut.
Dann habt Ihr sie all' unterm Hut.
Durch »Anstand« müßt Ihr erst Vertraun erwecken
('ne Kunst, die viele Künste übersteigt).
Dann braucht Ihr nur die Pfote auszustrecken,
Und alles macht sich nun »diskret« und leicht.
Versteht die Hand geheim zu drücken
Und faßt ins Aug' mit feurig-schlauen Blicken
Des Andern Portefeuille dabei,
Zu sehn, ob es von Juchten sei.

Schüler.
Das sieht schon besser aus! Man ahnt doch schon, wieviel!

Mephistopheles.
Grau, teurer Freund, ist alles Schamgefühl,
Und grün, wer sich damit befassen wollte.

Schüler.
Mir ist, als ob mein Herz zerspringen sollte.
Dürft ich Euch wohl ein andermal beschweren,
Auch vom Reklameschacher was zu hören?

Mephistopheles.
Was ich vermag, soll gern geschehn.

Schüler.
Ich kann unmöglich wieder gehn,
Ich muß Euch mein Notizbuch überreichen;
Gönn' Eure Gunst mir dieses Zeichen.

Mephistopheles.
Sehr wohl. (Er schreibt und gibt's.)

Schüler (liest).
Eritis sicut Sckmockus, scribentes multum et malum.
    (Macht's ehrerbietig zu und empfiehlt sich.)

Mephistopheles.
Folg nur dem Freundeswink und meiner Muhme, der Schlange –
Du feilst gewiß noch mal an einer Gitterstange!

 


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