Otto Ernst
Satiren, Fabeln, Epigramme, Aphorismen
Otto Ernst

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16. Kapitel.

August spricht alle Sprachen.

Den Rückweg hatte das Paar durch die westliche Schweiz genommen.

»Da ham Se woll franzeesisch sprechen missen?« meinte Bemmefett.

»Jaaa, ich sprech doch französisch wie deutsch!« sagte August in einem Ton, als wenn er sagte: »Ich kann mir doch allein die Nase putzen!«

»Als Reisender hab' ich doch alle Sprachen sprechen müssen!« fügte er hinzu.

»Alle Sprachen!« Schellenbarth betrachtete ihn mit Wohlwollen.

»Es is was Scheenes, wenn man die fremden Schbrachen beherrscht,« fuhr Bemmefett fort.

»Aaah, das is gar nich mit Geld zu bezahlen!« rief August. »Da hab' ich auch immer bei meinen Kindern drauf gehalten. Tüchtig Englisch un Französisch! Das is das Allererste, alles andere is Nebensache. Wenn einer perfekt Französisch un Englisch kann, das is bares Geld, sag' ich, immer. Da halt' ich streng auf, auch bei mein'm Jung. Der lernt ja nu natürlich noch Griechisch un Lateinisch außerdem.«

»Er besucht das Gymnasium?« fragte Merswinsky.

»Na natürlich!« versetzte August. »Das Aas is so'n bischen faul; aber da hilft nu nix, er soll sein Abiturium machen un soll Jura studieren, da kenn' ich keine Gnade. Als Jurist kann er nachher alles werden.«

Das war nun eigentlich etwas hart von August, besonders in Anbetracht dessen, daß er selbst nur das Abiturium aus der Quarta erzielt hatte. Sein Junge hatte keineswegs die nötige Begabung; aber August hatte reichlich das nötige Geld für den Humanismus, und so verfügte er ganz einfach: »Er soll sein Abiturium machen.«

»Na, wissen Se, mein lieber Herr Jutbier,« erhob jetzt Strippecke seine Stimme, »über die modernen Sprachen will ick ja weiter nischt sagen; aber über den Wert der ollen toten Sprachen sind sick die neuen Jelehrten doch sehr uneinig!«

»Och, das is ja Unsinn!« rief August mit vollkommener Sicherheit. »Das is ja allens Quatsch! Es geht nichts über die alten Sprachen!«

»Certant Grammatici, et adhuc sub iudice lis est,« sagte Schellenbarth, indem er Augustus freundlich anlächelte.

»Ja ... hähä ... sehr richtig!« rief August mit bleichem Lachen, fügte aber schnell und heftig hinzu: »Franz, noch 'n Halben!«

Inzwischen war wieder einmal jener epochale Augenblick gekommen, da nach dem Trinken wieder das Essen schmeckt.

»Je voudrais bien déjeuner de quelque chose,« sprach der Professor mit sonnigem Lächeln Herrn Gutbier mitten ins Gesicht.

»Hä???!« machte August. Dann zuckte es flammend auf in seinen Augen: »Och soo! Jawoll! Jawoll! Ich hab's verstanden! ›Deeschöneeh!‹- ›Frühstücken!‹ Jawoll! Ich hab' auch Hunger.«

»Est-ce qu'on mange bien ici?« fragte Schellenbarth.

Diesmal hatte August Glück. Merseburg, der in jungen Jahren in Paris als Kellner gedient hatte, mischte sich ins Gespräch und sagte:

»Mais oui, monsieur; on y mange très bien

Da Gutbier inzwischen die Speisenkarte ergriffen hatte, so fragte ihn der Professor:

»Que pourriez-vous me recommander, monsieur?«

August wußte, was »rekommandieren« ist, starrte fünf Minuten lang die Karte an und sagte dann:

»Côtelette!«

»Eh bien, monsieur,,« wandte sich Schellenbarth schmunzelnd an den Wirt, »je prendrai un côtelette.«

»De veau ou de porc?« fragte Merseburg.

»de porc,« antwortete Schellenbarth. Das wußte ja nun August sehr gut, daß porc Schwein heißt, und so rief er denn:

»Je aussi porc!«

»Chaud ou froid?« fragte Merseburg. August stutzte.

»Jawoll!« rief er dann, besann sich aber, daß das deutsch sei, und fügte darum schnell hinzu: »Oui oui!«

 


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