Otto Ernst
Satiren, Fabeln, Epigramme, Aphorismen
Otto Ernst

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20. Kapitel.

Das vertagte Heldenleben.

»Na, Herr Jeheimrat, wat sagen Se nu?« fragte Strippecke.

»Nun jaaa, das lag ja nahe,« meinte Merswinsky, »aber was will das sagen! Ein österreichisches Armeekorps wird in Serbien einmarschieren, und dann wird die Sache erledigt sein.«

»Nu, so obdimistisch bin ich nu nich,« erklärte Bemmefett. »Ich gloobe vielmehr, daß mir ooch losgehn.«

»Achchch!« machte der Geheimrat.

»Nu?!«

»Achch, Herr Bemmefett! Glauben Sie mir doch! Ich habe doch Beziehungen zu den bestinformierten Kreisen – ich versichere Sie, man denkt gar nicht daran. Die Sache wird lokalisiert werden; dafür sorgt England schon!«

Dann kam allerdings die Verkündung des Kriegszustandes im Deutschen Reiche und unser Ultimatum an Rußland.

»No, Herr G'hoamrat,« meinte Gselchwampner, »dös ham S' net g'spannt, gell?«

»Nun, meine Herren, die Verkündung des Kriegszustandes ist noch kein Krieg! Warten Sie's doch ab! Rußland wird sich die Sache dreimal überlegen, wenn es sieht, daß wir Ernst machen. Und dann ist ja auch immer noch England da. England wird es nicht zum Kriege kommen lassen. Wenn Sie wüßten was ich weiß ...«

Es war merkwürdig zu beobachten, wie August Gutbiers Angesicht bei jeder pessimistischen Betrachtung der Lage eine weißliche Färbung annahm und bei jeder optimistischen Beschwichtigung seine gesunde Farbe wieder erlangte.

Dann kam freilich die Mobilmachung und die Kriegserklärung an Rußland.

»Meine Herre,« sprach der Rentner Melchior Bopserle, und er hatte sich erhoben, zum Zeichen, daß er ein feierliches Wort zu sprechen gedenke, »meine Herre, fir onsern ›Verein Nägschteliebe‹ g'winnt dieser Tag noch a besonders ernschtes G'sicht insofern, als wir nun onser geischtiges und moralisches Oberhaupt verliere werde. Meine Herre, es wird Ihne alle in unvergeßlicher Erihnerung sei', wie onser allverehrter Herr Gutbier erklärt hat, daß er der erschte sein wolle, der wo sich freiwillig meldet, wenn's losgeht. Meine Herre, das ischt ein großes Wort; das ischt das Wort eines Helden, ond wir sind wohl alle fescht iberzeigt, daß ein Auguscht Gutbier sei Wort wahrmache wird. Meine Herre, onsere beschte Winsche geleite ihn auf sei'm ruhmvolle Weg; meege er dereinscht mit Lorbeer gekrent, das Eiserne Kreiz auf der Bruscht, heimkehre; ein begeischterter Empfang wird ihm g'wiß sein. In diesem Sinne erhebe ich mei Glas ond rufe: Heil ond Sieg onserm Helde!«

»Ich kann ja nicht ich kann ja leider nich!« schrie August in wilder Verzweiflung. »Ich kann ja aus meinem Geschäff nich weg! Ich hab' doch Kriegslieferungen, ich bin doch total unabkömmlich! Ja, wenn ich 'n freier Mann wäre!«

»Gann denn des nich Ihr Brogurist besorchen?« fragte Bemmefett.

»Och, mein Prokurist!« rief August. »Haben Sie 'ne Ahnung! Mein Prokurist hat keinen blassen Schimmer! Nee, das muß ich selber machen, da kann ich keinen andern bei brauchen.«

Du wirst sehen, lieber Leser, daß er recht hatte.

»Nun,« sprach der Professor mit großer Freundlichkeit, »vielleicht können Sie ja mit der Zeit Ihren Prokuristen einweihen, und er arbeitet sich nach und nach hinein.«

»Ja, das hoff ich ja, das hoff' ich ja,« rief August, der mit wiederkehrender Gesichtsfarbe diesen Ausweg betrat. »Och, meine Herren, sowie ich bloß loskommen kann, sowie ich sehe, daß die Karre auch ohne mich geht, stell' ich mich ja, das ischa mal klar; lieber heut als morgen.«

So wurde August Gutbiers Heldenlaufbahn denn vertagt. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben.

 


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