Hermann Bahr
Kritik der Gegenwart
Hermann Bahr

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6. Sept.

Seit acht Tagen gießt's und das ist nicht mehr der gewohnte, lieb lullende Salzburger Schnürlregen, das sanfte Tropfengespinst, sondern sozusagen ein permanenter Platzregen, ein ewiger Wolkenbruch, als wäre gleichsam irgendwo dort oben ein ungeheures Geschwür aufgestochen worden, das nun sein seit Jahrhunderten eiterndes Gift auf uns ausschütten muß; der Regen hat seit einer Woche gewissermaßen einen hysterischen Anfall. Nun schlug heute früh noch der Wind um und ein heißer West stürmt; unter rostbraunem, gelblich geflecktem, niederstarrendem Wolkenhimmel sengt's wie Wüstenbrand in dumpfen Stößen über uns her. Die Nacht hat auf einmal den Herbst gebracht, Eichen gilben, Blumen sind geknickt. Und alles scheint heute näher als sonst, scheint bös, als winde sich heute die Welt vor Grimm; es liegt überall ein hämisches Lauern auf dem Sprung. Und eine Schwüle, die frösteln macht.


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