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Hundertundsiebenzehntes Kapitel.
Die verlorene Wette

Die Einnahme, welche Mr. Seyers heute durch das Eintrittsgeld erzielte, war bedeutender, als je. Noch fortwährend kamen neue Gäste, und zwar die vornehmsten Bewohner Richmonds fanden sich auf den reservirten Plätzen ein.

Unter diesen waren auch zwei Damen, Belle-Boyd und Nettice. Die erstere heiter, lustig wie immer, die letztere mit den Zeichen höchster Angst und Besorgniß in den Zügen ihres lieblichen Gesichtes.

»Ob heute wirklich die schauerliche Vorstellung stattfinden wird?« fragte sie ihre Begleiterin.

»Ganz sicher; aber warten Sie einmal; ich werde einen der Herren meiner Bekanntschaft fragen,« antwortete Belle-Boyd und sah um sich.

Ihr Blick streifte die Reihe der Gentlemen auf den vordern Plätzen, und vor Freude so viele ihrer guten Freunde hier getroffen zu haben, klatschte sie in die Hände.

Auch nach dem Buffet warf sie einen Blick hinüber. Dort sah sie Mr. Gamp bei einem Glase Punsch.

»Da ist ja auch der frühere Besitzer dieser Menagerie!« rief sie; »der muß am besten wissen, ob die angekündigte Vorstellung stattfinden wird oder nicht. He da! Bursche!« wandte sie sich an einen der Wärter, welcher eben vorüberging, »rufe mir den Herrn, welcher dort am Buffet steht, hierher!«

Mr. Gamp, der natürlich seine Rolle als der reiche Sklavenhändler Johnston nicht vergessen durfte, machte ein höchst entrüstetes Gesicht über diese etwas unceremonielle Aufforderung. Als er aber der Hindeutung des Burschen mit den Augen folgte und Belle-Boyd erkannte, zögerte er keine Minute, der Aufforderung nachzukommen.

»Das ist vortrefflich, Mr ...«

Gamp legte den Finger auf seinen Mund und hinderte damit Belle-Boyd zu vollenden.

»Ich bin hier nicht Mr. Gamp,« flüsterte er; »ich bin hier Mr. Johnston, der reiche Sklavenhändler aus New-Orleans!«

Nettice hatte sich anfangs mit Schaudern und Widerwillen abgewandt, denn sie trug kein Verlangen, sich mit dem Manne zu unterhalten, welcher sie an die schrecklichste Periode ihres Lebens erinnerte. Der Name Johnston aber, welchen sie auf den Anschlagzettel gelesen, und welcher mit dem Schicksal Noddys so eng verknüpft war, bewog sie, aufzuhorchen.

»Sie sind es, der die Wetten für Mr. Noddy entrirt?« fragte sie in gespannter Erwartung.

»Derselbe, meine theure Miß Nettice, ich sorge dafür, daß die reiche und vornehme Gesellschaft Richmonds Unterhaltung, Mr. Seyers eine gute Einnahme und Mr. Noddy einen immensen Gewinn hat. Aber ich hätte mir nicht träumen lassen,« fügte er hinzu, »daß gerade Sie an so etwas Vergnügen finden.«

»Ich bin nicht hier, Mr. Gamp, um mich an dieser rohen Vorstellung zu belustigen, wie die Andern. Die Angst um Noddy trieb mich her.«

»Also sind doch Sie es und nicht die Andere!« versetzte Mr. Gamp.

»Was?«

»Nun, er sagte so etwas von »»für sie sterben;«« ich vermuthete, es wäre die schöne Creolin.«

Ein schmerzlicher Zug zeigte sich um Netticens Lippen. Sie zögerte einen Moment mit der Antwort.

»Sagen Sie,« hob sie dann wieder an mit bebender Stimme, »ist es denn wahr, daß Noddy sein Leben aufs Spiel setzt? Wird er wirklich das gefahrvolle Kunststück ausführen, das er auf dem Anschlagzettel versprochen?«

»Er wird es ausführen, Miß, so gut, wie er alle die andern Kunststücke ausgeführt hat, die ihm sämmtlich ganz hübsche Summen eingetragen haben. Vermuthlich wird er aber die sechstausend Dollars, welche heute gegen das Gelingen gewettet sind, nicht gewinnen.«

»Woraus schließen Sie das?« fragte Belle-Boyd.

»Weil die Sache schwer ist, Miß.«

»Sie meinen, der junge Mann konnte ein Unglück haben, Mr. Gamp – oder Johnston?«

»Was meine Ansicht betrifft, so ist die in solchen Sachen maßgebend, Miß Belle-Boyd, und meine Ansicht ist, daß es unmöglich ist, auch nur zwei Minuten in dem Käfig des Königstigers da zu verweilen, ohne zerrissen zu werden.«

Er deutete bei diesen Worten auf den Käfig, in welchem das Raubthier, je mehr Zuschauer sich sammelten, desto emsiger und ruheloser auf und ab lief und desto blutlechzender in den Zuschauerraum hinabblickte.

Mit Grauen sah Nettice das Thier.

»Dort hinein?« keuchte sie.

»Allerdings, Miß, dort hinein wird Noddo Noddini heute gehen, und Sie werden sehen, daß ich Recht habe. Wenn mich Jemand aufforderte, ich würde funfzehnhundert Dollars extra wetten, daß er nicht lebendig hinausgetragen wird.«

»Mann! Das sagen Sie und dulden, daß er es thut?!«

»Was kann ich thun? Es ist sein Wille, und Mr. Tucker und Mr. Alston und alle die andern Herren, welche gewettet haben, würden sich auch schwerlich damit zufrieden geben, des versprochenen Vergnügens verlustig zu gehen.«

»Wo ist Noddy? Ich muß ihn sprechen, ich muß zu ihm! Lassen Sie mich zu ihm!« keuchte Nettice.

In diesem Augenblicke ertönte wieder die Glocke, das Zeichen, daß jetzt der dritte Theil der Vorstellung, die Production im Tigerkäfig, vor sich gehen werde.

Die drei Personen, welche sich eben unterhielten, hatten weder etwas von den Kunststücken der großen Elephanten gesehen, noch auch auf die Vorführung der beiden Azteken geachtet, die auch heute einen äußerst kläglichen Anblick gewährten, denn auf ihren häßlichen Gesichtern lag große Bekümmerniß, und namentlich auf dem der männlichen Mißgestalt prägte sich eine Unruhe. eine Betrübniß und Aufregung aus, die dasselbe noch viel häßlicher machten, als es gewöhnlich der Fall war.

Mr. Mops hatte sie nach seinem Vortrag wieder in ihren Wagen hinaufsteigen lassen, und weder er, noch die beiden unglücklichen Mißgestalten hatten Lust, den sonst zum Programm gehörigen Tribut, eine Extrabelohnung für Mr. Mops, einzufordern.

Die Glocke ertönte gerade in dem Moment, als Nettice das Verlangen aussprach, zu Noddy geführt zu werden. Sie sprang auf und schien nicht übel Lust zu haben, aufs Gerathewohl irgendwohin zu gehen, um ihren Vorsatz auszuführen. Mr. Gamp aber hielt sie am Aermel ihres Kleides fest.

»Es geht nicht mehr, Miß,« sagte er, »es ist zu spät! Das ist das Zeichen, »daß der Thierbändiger seinen Wagen verläßt. – Da! Sehen Sie, er kommt! Rühren Sie sich nicht! Kein Laut, wenn Ihnen sein Leben lieb ist!«

»Lassen Sie mich!«

»Nein, Nein! Sie dürfen nicht! Sehen Sie, wenn er Sie bemerkte, Ihre Gegenwart würde ihn beunruhigen und ihn unsicher machen. Was Sie auch sehen mögen, stoßen Sie keinen Schrei aus! Jedes außergewöhnliche Geräusch könnte die Bestie noch wüthender machen. Ich kenne das, Miß. So lange der Thierbändiger und das Raubthier Auge in Auge einander gegenüberstehen, pflegt Alles gut zu gehen. Aber so wie die Aufmerksamkeit des Einen oder des Anderen durch etwas Außergewöhnliches abgelenkt wird, giebt's in der Regel ein Unglück. – Sehen Sie, da ist Noddy! Setzen Sie sich, damit er Sie nicht sieht.«

»Wie schade um ihn!« flüsterte Belle-Boyd.

Der junge Mann hatte in der That eine imponirende Figur. Die phantastische Tracht hob die Ebenmäßigkeit und Muskulosität seiner Gliedmaßen vortrefflich hervor.

Die Krone mit den Adlerfedern auf dem Kopfe, das Leopardenfell um die Schulter, der feste, ruhige Schritt, der Ernst, der Muth in seinem Feuerauge, und dabei doch eine gewisse Resignation in seinen Mienen – so hatte er in der That etwas Königliches und zugleich etwas ungemein Interessantes in seinem Aussehn.

Ohne auch nur im Vorbeigehen an dem Tigerkäfig das Thier anzublicken, ging er um denselben herum, stieg auf der Hinterseite auf einer kleinen Treppe empor und öffnete die niedrige Thür in der hintern Bretterwand des Käfigs.

Da stand er nun, von den zahlreich versammelten Zuschauerkreis durch das Eisengitter getrennt, mit dem furchtbaren Raubthier in demselben Raume.

Der Tiger hatte bereits, als er das Rasseln an der Thür hörte, in seinen Bewegungen inne gehalten. Den Kopf halb zur Thür gewandt, blieb er, den Schweif weit von sich gestreckt, eine Vordertatze emporgehoben, völlig regungslos stehen.

Als sich die Thür öffnete, und Noddy mit lautem, festem Schritt eintrat und die Thür hinter sich zuwarf, ward das Thier durch das Plötzliche seines Erscheinens offenbar so verdutzt, daß seine mordgierigen Gedanken der Bestürzung Platz machten.

Zu der Ueberraschung kam noch das sichere und drohende Auge des Bändigers, das sich fest und durchbohrend auf das Thier heftete. Langsam schlich dasselbe, hart an den Stäben des Gitters sich entlang drückend, in den äußersten Winkel seines Käfigs, den Kopf halb seinem Gaste zugewandt.

Noddy stand ihm einige Secunden gegenüber, die Peitsche in der Hand, und Beide schienen abzuwarten, was der Andere zunächst unternehmen würde.

Es ist schwer zu sagen, welcher von beiden zuerst seine Stellung änderte. Sei es, daß der Tiger sich jetzt an den außerordentlichen Anblick gewöhnt hatte, und in ihm die Blutgier wieder erwacht war, sei es, daß Noddy ihn bewegen wollte, seinen Platz zu verlassen und aufzustehen, genug, fast gleichzeitig erfolgte ein knallen der Stahlpeitsche, ein fürchterliches Brüllen und ein blitzschneller Sprung des Tigers auf Noddy zu.

Aber mochte der Sprung auch mit der Schnelle des Gedankens erfolgt sein, Noddys Aufmerksamkeit war die Absicht des Raubthieres nicht entgangen.

Er hatte den Sprung vorausgesehen, und schneller noch, als er erfolgte, trat er zur Seite. Der Tiger hatte ihn verfehlt, aber seine Wuth war nur desto mehr angestachelt. Sofort raffte er sich auf, und sprang von Neuem aus Noddy zu.

Diesmal indessen geschah es schon nicht mehr mit der Sicherheit wie das erste Mal, denn Noddys Blick und die Hiebe der Stahlpeitsche hatten den Tiger überzeugt, daß die Besiegung dieses Gegners viel schwerer sei, als er vermuthet hatte.

Er führte den zweiten Sprung nicht ganz aus, sondern unmittelbar vor Noddy, der regungslos und herausfordernd vor ihm stand, hemmte der Tiger seinen Anlauf, und sich zur Seite wendend schlich er um ihn herum, um ihn von hinten einzugreifen.

Noddy ließ ihn nicht aus den Augen.

So lange das Thier brüllte und blutlechzend den Rachen aufsperrte, so lange ließ er es völlig gewähren. Sobald es aber heimtückisch um ihn herumschlich, oder versuchte, sich zum Sprunge nieder zu kauern, da ließ er es seine Peitsche fühlen, und veranlaßte es, aufzuspringen und vor ihm zu fliehen.

Die Wuth des Tigers war nun grenzenlos und vergrößerte sich noch, je mehr er die Ueberzeugung gewann, daß er der Schwächere sei.

Hoch an den Eisenstangen richtete sich das Thier empor; sein Kopf ragte noch über Noddys Adlerfedern.

»Herunter!« schrie Noddy, und zischend sauste die Stahlpeitsche über die Tatzen des Tigers.

Der Tiger stieß ein Schmerzgebrüll aus. Noddy stand unmittelbar neben ihm. Ein Schlag mit der Tatze mußte ihn treffen. Diesen Schlag schien Noddy zu erwarten. Er war gegen denselben gesichert, und nichts wäre mehr geeignet gewesen, dem Tiger für alle Zeiten Furcht und Respect einzuflößen, als wenn sich dieser überzeugte, daß seine Tatzen den Feind nicht verletzten.

»Hinunter!« wiederholte Noddy, und mehrere Schläge der Peitsche trafen die Vordertatzen.

Da, wie der Blitz, schlug das Thier seine Krallen in Noddy's Brust. Mit beiden Vordertatzen stand es auf seine Brust gestützt, sein heißer Athem traf glühend giftig Noddy's Antlitz, aber unbeweglich blieb er stehen.

Athemlos schaute das Publicum der Scene zu, in jedem Augenblick erwartend, daß der kühne Jüngling werde zerrissen werden.

»Genug! genug!« hörte man aus dem Publikum rufen. Selbst Mr. Tucker, der Viscount, Mr. Benjamin, ja vielleicht sämmtliche Gentlemen, welche sonst an solchen Scenen Vergnügen finden, mit alleiniger Ausnahme vielleicht von Mr. Wirtz, würden sich vollständig befriedigt erklärt haben, wenn Noddy jetzt den Käfig verlassen hätte.

Noddy hätte dies auch in der That gethan. Denn der Tiger, dessen Krallen vergebens das büffellederne Panzerhemd zu durchdringen suchten, wagte kaum, Noddy's Blick, dem er in wenigen Zoll Entfernung gegenüberstand, zu begegnen.

Die Last, welche Noddy zu tragen hatte, ging fast über seine Kräfte; aber er ertrug sie, denn er durfte dem Raubthier auch nicht die mindeste Schwäche zeigen. Seine Hand hielt den quecksilbergefüllten Griff der Peitsche so gefaßt, daß die geringste verdächtige Bewegung des Thieres den Tod desselben zur Folge gehabt hätte.

»Zurück·!« rief er, und sprang zur Seite.

Der Tiger fiel auf seine Vorderpranken herab. Aber Noddy hatte die Bewegung vielleicht zu schnell und zu wenig vorsichtig gemacht, auf dem glatten Boden des Käfigs that er einen Fehltritt, glitt aus, stolperte und fiel. Augenblicklich sprang der Tiger hinzu und stand mit den Vordertatzen auf der Brust seines Feindes.

Es mochten nur Wenige im Zuschauerraume sein, die den Zusammenhang sahen. Viele meinten unstreitig, daß der Tiger ihn zu Boden geschlagen habe. Dieser selbst aber schien durch den unerwarteten Erfolg überrascht zu sein. Er regte sich nicht, und machte keine Miene, ihn anzugreifen. Die Furcht vor der Peitsche wirkte noch.

Da erscholl aus dem Zuschauerraum ein markdurchdringender Schrei.

»Noddy! Er ist todt!« erklang Netticens Stimme zeternd durch die Menagerie.

Noddy zuckte zusammen. Vielleicht glaubte er Fanny's Stimme zu vernehmen, vielleicht erkannte er die Stimme nicht und war überrascht, sich bei Namen gerufen zu hören.

Unmerklich richtete er den Kopf empor. Aber diese einzige Bewegung, welche er machte, dieser einzige Moment, welchen er den Tiger aus den Augen ließ, genügte zu seinem Verderben. Der Rachen, welcher über ihm geöffnet war, schlug sich in dem Moment, da er die Bewegung machte, über seiner Schulter zusammen.

Des Tigers Zähne gruben sich tief in sein Fleisch, und das Knacken der zerbrechenden Knochen konnte selbst im Zuschauerraume deutlich gehört werden.

»Rettet ihn, rettet ihn!« kreischte Nettice.

»Rettet ihn, rettet ihn!« wiederholten fast alle Zuschauer.

Wer aber wollte es wagen, der wüthenden Bestie, nachdem sie einmal Blut gekostet, ihren Raub zu entreißen? Mr. Seyers hatte sich längst in seinen Wagen eingeschlossen, schon ehe die Vorstellung begann; er hatte sich in weiser Vorsicht verbeten, daß ihm überhaupt Jemand Bericht erstatte, da er es vorgezogen hatte, es diesmal zu machen, wie sonst seine Frau, sich tief in die Betten zu verkriechen und die Decke über seinen Kopf hinauf zu ziehen. – –

Das plötzliche Geschrei im Publikum veranlaßte den Tiger einen Augenblick abzustehen.

Er hob den Kopf und schaute sich langsam um. Die Schulter, welche zerrissen war, war die rechte, und in der rechten Hand hielt Noddy die Peitsche; sie konnte ihm jetzt nichts nützen denn er hatte in dem Arm nicht mehr die Kraft den rettenden Schlag auszuführen, und der geringste Versuch, die Peitsche mit der Linken zu erfassen, hätte den Tiger nur veranlaßt, seine Zähne auch in die linke Schulter zu graben.

Mr. Mops rannte verzweifelnd hin und her; er konnte nichts thun. Da er sah, daß Noddy noch nicht todt war, so wußte er recht gut, daß etwa ein Schuß, den er auf die· Bestie abfeuern würde, oder der Versuch, sie mit Stangen von ihrem Opfer wegzutreiben, dessen sicherer Tod sein würde.

»Bringt Stricke, Schlingen!« rief er dem übrigen Personal zu.

Der Tiger hielt mit den Vordertatzen seine Beute fest am Boden und hielt seine Augen auf den dicht am Gitter stehenden Wärter geheftet, als wäre er neugierig, zu erfahren, was dieser da im Schilde führe.

Die Aufmerksamkeit des Thieres war so in Anspruch genommen, daß es nicht gewahrte, wie sich rasch die Thür des Käfigs öffnete. Eine kaum menschliche Gestalt ward in derselben sichtbar, es war der Azteke. In jeder Hand einen seiner Pfeile mit Feuersteinspitzen schwingend stürzte er sich auf das Thier los,·welches überrascht durch diesen unerwarteten Angriff brüllend den Kopf zu ihm empor richtete.

Der Azteke stieß ein wahres Wuthgeheul aus, das das Brüllen des Tigers noch übertönte. Einen der Pfeile bohrte er in den Nacken des Raubthieres; doch noch ehe er auch mit dem zweiten zum Stoß ausholen konnte, hatte ihn eine Tatze des Tigers neben Noddy niedergestreckt.

Diese Secunde Zeit aber genügte Noddy, der selbst in der Todesgefahr seine Geistesgegenwart nicht verloren hatte, mit der Linken den Griff der Peitsche zu erfassen.

Der Kopf des Tigers fuhr zu ihm hernieder, seine Zähne wollten den Hals des Opfers umfassen; allein, noch ehe das geschah, ward der Schlag geführt, und mit einem schweren Fall sank das furchtbare Thier leblos zu Boden.

Noddy hatte noch die Kraft, aufzustehen, und den Azteken, der blutend da lag, mit dem linken Arm aufzuheben. Allein noch ehe er den Käfig verließ, sank er, durch Ueberanstrengung seiner Kräfte und Blutverlust ermattet, ohmnächtig mit seiner Bürde nieder.

Hunderte sprangen jetzt herbei, um die beiden Leblosen wegzutragen. Ein Wundarzt war bereits bestellt. Das Lederwams wurde von Noddy's Schultern herunter geschnitten; eine Untersuchung ergab, daß er einen doppelten Schlüsselbeinbruch erlitten habe, und daß die Wunden so gefährlich seien, daß der Tod vielleicht bald erfolgen werde. Indessen sei eine Rettung nicht ganz unmöglich.«

»Gott sei gelobt!« rief eine Stimme nach dieser Erklärung des Arztes, »daß er nicht ganz todt, daß noch Hoffnung ist, ihn zu retten.«

Es war Nettice, welche von diesem Augenblicke an Noddy's Lager nicht mehr verließ.

Des Azteken schwache Brust war durch den Schlag der Tatze des Tigers dermaßen verletzt, daß er bereits seinen Geist aufgegeben hatte, bevor er aus dem Käfig getragen wurde.

Es ist sicherlich das schönste Zeugniß für Noddy's Character, daß ein Halbwilder, ein Wesen, das Alle mit den Thieren der Menagerie auf eine Stufe setzten, für ihn sein Leben hingab.


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