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Hundertundviertes Kapitel.
Die beiden Schützlinge

Die Vorstellung in der Menagerie des Mr. Seyers war zu Ende.

Die Gentlemen von Charleston waren wie gewöhnlich von den Produktionen des berühmten Noddo Noddini mehr als befriedigt.

Die Herren vom Sport hatten ihre Wetten, daß der Löwenbändiger aus Central-Africa binnen drei Monaten von den Löwen zerrissen sei, erhöht gegen diejenigen, welche behaupteten, daß er diese Frist überleben werde.

Noddo Noddini war der Mittelpunkt in der Unterhaltung der Damen; man bewunderte seinen Muth, den ebenmäßigen, muskulösen Bau seines Körpers, und fand es erstaunlich, daß ein junger Mann in seinen Jahren sich einem so gefährlichen Gewerbe widme.

So manche Schöne von Charleston stellte in ihrem Innern heimlich Vergleiche an zwischen dem muthigen, kräftigen Mulatten und den entnervten Männern ihres Standes, welcher Vergleich natürlich sehr zu Ungunsten der letzteren ausfiel.

Der junge Mann, welcher fast überall, in allen Zirkeln, das Tagesgespräch bildete, schien davon keine Ahnung zu haben.

Er kümmerte sich weder um die Wetten, die für oder wider sein gutes Glück gemacht wurden, noch um die Urtheile der Damen über seine Persönlichkeit.

All' sein Denken und all' sein Sorgen war einem Ziele zugewandt, der Sorge um das Kleinod, das ihm anvertraut war, und das in seinem Herzen höhern Werth besaß als alles Andere.

Die Vorstellung war zu Ende. In seinem Wagen hatte er die Messingkrone mit den Adlerfedern abgelegt, das Pantherfell mit einem modernen eleganten Ueberrock und die mächtigen Kanonenstiefel mit zierlichen Schuhen vertauscht, und kaum hatte das Publicum die Menagerie verlassen, so hatte auch er bereits seine Metamorphose beendet, stieg vom Wagen herunter und grüßte Mrs. Seyers, die Dame mit dem Essig-Gesicht, welche an dem Platz stand, wo sich sonst die Kasse zu befinden pflegte, und auf das Getümmel des großen Platzes hinausschaute, als ob sie taxirte, wie viel von den Menschen, die dort vorübergingen, wohl noch die Menagerie besuchen würden.

Ihr saures Gesicht hellte sich ein wenig auf, als Noddy sich im Vorübergehen vor ihr verbeugte. In vertraulichem Tone sagte sie zu ihm:

»Wahrlich, Mr. Noddy, Ihre Aufopferung und Fürsorge allein schon verdient, daß die schöne vornehme junge Dame Sie liebt, nicht wie einen Bruder, sondern wie einen zärtlichen Freund; und die junge Dame ihrerseits, ist so schön und anbetungswerth, daß sie jeder Aufopferung würdig ist.«

»Sie haben Recht, Mrs. Seyers,« sagte Noddy, ein wenig erröthend; »sie verdient es, daß man Alles thut, was in seinen Kräften steht, um ihr die schlimme Lage ein wenig zu erleichtern. Indessen, was Sie von ihrer Liebe zu mir sagen, – meinen Sie wohl, daß eine Dame von Fanny's Schönheit und von ihrer vornehmen Herkunft etwas Anderes gegen einen verachteten Mulattenknaben empfinden könnte als vielleicht Dankbarkeit?«

Mrs. Seyers antwortete nicht, sondern blickte ihm theilnehmend in die treuherzigen Augen und drückte stumm seine Hand, als wollte sie sagen:

»Leider wird sie das nicht – armer Junge!«

Noddy aber schritt in dem Bewußtsein der Beschützer der Freundin zu sein stolz wie ein König die Stufen hinab, angestaunt von dem dollarlosen Publicum, welches auch jetzt noch das Zelt umstand und in ein allgemeines »Ah!« ausbrach, als der gefeierte Thierbändiger erschien.

Noddy nahm seinen Weg eine belebte, schöne Straße hinab, die auf einem mit Bäumen und Blumenanlagen verzierten Platz führte.

Dort, vor dem Eckhause stand er still. Er drückte seine Hand auf's Herz, als ob er dessen lauteres Pochen mäßigen wolle, warf dann noch einen flüchtigen Blick auf seinen gentlemanischen Anzug und zog die Glocke.

»Miß Cleary und ihre Gesellschafterin sind zu Hause,« berichtete ihm der Portier, »und erwarten Sie bereits, wie ich glaube.«

Noddy dankte ihm für die Kunde; seine Brust war beklommen, aber doch mit Verlangen und Sehnsucht erfüllt.

Noch war er die Treppen nicht hinauf; da öffnete sich bereits eine Thür, ein liebliches Mädchengesicht blickte hinaus und rief ihm mit heller Stimme zu, während sie in die Hände klatschte:

»Habe ich es doch errathen, daß Sie es sind, Mr. Noddy! Ich erkannte schon Ihren Tritt und sagte:

»Gieb Acht, Fanny, es ist Noddy!«

Nettice sprang ihm entgegen, erfaßte mit ihren Händchen seine muskulöse Rechte und zog ihn fast durch die Thür, fortwährend ihre Freude ausdrückend, daß er endlich da sei und daß er sie nicht länger habe in der Besorgniß warten gelassen, ihm möchte ein Unglück widerfahren sein bei seinen gefahrvollen Productionen.

Noddy hatte aber für diese Aeußerungen unverstellter Freude gar kein Ohr.

»Was macht Fanny – Befindet sie sich wohl? – Fühlt sie sich sehr unglücklich, so fern von ihren Eltern zu sein? – Hat sie irgend einen Wunsch geäußert? – Fehlt es ihr an irgend einer Bequemlichkeit?«

Das Alles waren Fragen, welche er, statt auf Nettice's Aeußerungen zu antworten, an diese richtete.

Nettice schüttelte den Kopf.

»Fanny ist nicht traurig; Fanny hat Sie ja so lieb und weiß, daß sie auf der Welt keinen andern Beschützer hat, als Sie. Ihr Vater in der Gefangenschaft, ihre Mutter irgend wo in der Welt... war sollte sie sich da sehnen, von hier fort zu kommen? – Und was die Bequemlichkeiten anbetrifft, Mr. Noddy,« hier warf sie einen fast vorwurfsvollen Seitenblick auf den Angeredeten, – »so haben Sie ja für uns gesorgt, mehr, wie ein Vater für uns sorgen könnte, und haben sich unsretwegen gewiß schon manche Entbehrungen aufgelegt. Ich weiß recht gut, das; Sie sich unseretwegen manchen Genuß versagen, den Sie sich sonst gönnen würden. O, das ist Unrecht, Mr. Noddy! Wir sind ja zufrieden mit dem bescheidensten Loose.«

»O nein, Nettice!« antwortete Noddy; »Sie müssen wissen, daß Miß Fanny sehr vornehm, in allem Luxus und Ueberfluß erzogen und gewohnt ist, jeden ihrer Wünsche erfüllt zu sehen.«

»Ach, glauben Sie nicht, daß Fanny anspruchsvoll ist!« rief Nettice, »die Zeit, welche wir im Hause der Mrs. Bagges verlebten, hat uns gelehrt, daß Entbehren nicht das schlimmste ist, was Einem widerfahren kann. Wie oft haben wir Beide gesagt, daß wir lieber bei Wasser und Brod in irgend einer elenden Hütte leben möchten, als nur eine Stunde länger in der luxuriösen Wohnung und bei den üppigen Mahlzeiten jener Frau!«

Während dieser Unterredung hatte Noddy seinen Ueberrock ausgezogen, noch einen letzten Blick in den Spiegel des Vorzimmers geworfen. Dann öffnete Nettice die Thür, und Noddy trat in das Bondoir seiner Schützlinge ein.

Nettice hatte Recht. Er hatte ihnen große Opfer gebracht; in einer schönen Gegend der Stadt ihnen eine schöne Wohnung gemiethet, dieselbe bequem und geschmackvoll ausgestattet, für ihre Garderobe gesorgt und ihnen die Mittel gewährt, ihren Lebensunterhalt ganz nach ihrem Geschmack zu besorgen.

Obwohl Noddy's Auge vor Glückseligkeit leuchtete, so begrüßte er doch die Freundin mit einiger Verlegenheit.

Während er Nettice gegenüber die Rolle des väterlichen Freundes mit aller Unbefangenheit spielte, so war sein Benehmen Fanny gegenüber doch nicht ganz sicher.

Die junge Tanne erhob sich bei seinem Eintreten von dem Sopha, aus welchem sie, in einem Journal lesend, saß, und rauschte in dem schönen Seidenkleide, das sie trug, ihrem Freunde entgegen.

Sie war schöner als je: ihr Aufenthalt im Hause der Mrs. Bagges hatte zwar ihre Wangen ein wenig gebleicht, allein die kurze Zeit der Freiheit hatte hingereicht, die Rosen der Jugendblüthe wieder auf ihr holdes Antlitz zu zaubern, und die Geschicklichkeit, welche sie dort erworben hatte, sich geschmackvoll zu kleiden, hatte sie auch jetzt vorzüglich anzuwenden verstanden, so, daß sie, das Ebenbild ihrer schönen Mutter, mit ihren vollendet schönen Zügen, dem Feuerauge der Creolin, den herrlichen Körperformen, ein vorzügliches Modell einer Hebe oder einer Jo abgegeben haben würde.

Noddy hatte in seinem Leben nichts Schöneres gesehen und stand eine Weile ganz sprachlos da, so daß Fanny laut auflachte, als sie ihm die Hand entgegenstreckte und zu ihm sagte:

»Nun, Noddy, was staunst Tu mich so an? Siehst Du etwas Auffälliges an mir?«

Noddy stammelte etwas von ihrem entzückenden Aussehen.

»O« lachte Fanny, »ich fürchtete schon, daß ich irgend etwas Schreckliches an mir habe, so etwas von einem Medusenhaupt, da mein Anblick Dich, der Du Dich doch vor Löwen und Tigern nicht fürchtest, so erstarren macht ... Komm' nur zu Dir und höre auf, mich von oben bis unten zu betrachten; Du wirst ja bei einer Tasse Thee noch hinreichend Gelegenheit haben, mich zu bewundern, wenn es Dir Vergnügen macht.«

Sie nahm ihren Freund bei der Hand und führte ihn an den Tisch.

»Nettice hat schon seit einer Stunde das Theewasser bereit und die Brödchen geröstet und hat vor Ungeduld kaum die Zeit erwarten können, in welcher Du zu kommen versprochen hattest. Nun thue ihr auch zur Belohnung den Gefallen, und laß es Dir bei uns gut schmecken. Da, nimm Platz! Hier neben mich setze Dich hin.«

Sie wies auf einen Fauteuil, der neben dem Sopha stand, auf welchem Sie selbst sich niederließ.

Nettice sprang hinaus und mit emsiger Geschäftigkeit servirte sie das Abendessen.

Schon nach wenigen Minuten war der Tisch hergerichtet; Thee mit gerösteten Brödchen, etwas kaltes Geflügel, ein Pudding und selbst ein Glas Wein fehlte nicht.

Mit unermüdlichem Eifer war sie besorgt, daß Noddy von Allem das beste erhielt, und wenn er es vergaß, zu essen, oder wenn er sich einer andern Beschäftigung hingab, z. B. dem Anschauen seiner Nachbarin, ihn daran zu erinnern, daß er diese und auch sie selbst am meisten erfreuen werde, wenn er ihnen durch seinen Appetit beweise, daß er mit ihrer Wirthschaft und mit ihrer Küche zufrieden fei.

Auch Fanny war freundlich und zuvorkommend und überschüttete ihren Freund mit Aufmerksamkeiten; indessen lag ein gewisser Mißmuth in ihren Mienen, eine Betrübniß, die sie nicht ganz verbergen konnte, und doch sichtlich zu verbergen sich bemühte.

Noddy, der nur Augen für sie hatte und weder Nettice's zarte Besorgniß, noch ihre wahrhaft aufopfernde rastlose Thätigkeit beachtete, bemerkte bald, daß in Fanny's Seele sich eine Verstimmung eingeschlichen.

»Du bist traurig, Fanny,« sagte er; »willst Du mir nicht mittheilen, was Dir Kummer macht?«

»Ich bin nicht traurig, Noddy.«

»Aber Du bist nicht zufrieden! Dein Leben gefällt Dir nicht!«

»O doch, Noddy; gewährst Du nicht Alles, was wir uns wünschen können!? Ja, gewährst Du nicht fast mehr, als Deine Mittel Dir erlauben?«

»Ich weiß, Fanny, das ich noch Vieles, Vieles thun müßte, daß Dir noch Vieles fehlt, um Dein jetziges Leben Deinem früheren ähnlich zu machen; allein, es ist mir nicht in dem Maße möglich, Dir Bequemlichkeiten zu schaffen, wie ich es wünschte. Du weißt, ich bin Theilhaber an der Menagerie, und unser Ertrag ist seit der Abreise der Herren von Richmond kein sehr glänzender.«

Fanny seufzte.

Noddy hielt dies für ein Zeichen der Theilnahme und fuhr fort:

»Aber mache Dir deshalb keinen Kummer, Fanny; mein Verdienst ist immer ein solcher, daß Du nicht zu befürchten brauchst, jemals mehr zu entbehren, als Du jetzt entbehrst.«

»Ach sprechen Sie nicht von Entbehrungen!« fiel hier Nettice ein, ihn zärtlich anblickend und ihre kleine, weiche Hand sanft auf seinen Arm legend. »Sprechen Sie nicht so, Mr. Noddy; und wenn wir in größter Armuth leben müßten, so müßten wir es doch Ihnen danken, daß wir aus jenem Hause fort sind. – Wenn es uns nicht gut genug wäre so, so könnten wir ja arbeiten. O, ich kann arbeiten und kann so viel verdienen, daß auch Miß Fanny Vortheil davon hat! Aber, ich weiß, Fanny erträgt die Entbehrung des luxuriösen Lebens und der rauschenden Vergnügungen viel leichter, als es scheint; denn ich weiß, wie unglücklich sie sich unter all'·dem Glanz in Mrs. Bagges Hause fühlte!

Fanny hatte sich, ein wenig verstimmt, erhoben und stand am Fenster hinter den Topfgewächsen, mit denen Nettice's Hand dieselben verziert hatte, Und schaute nachdenkend zwischen den Blättern hindurch auf die Straße.

Glänzende Equipagen rollten vorüber; – Officiere in prachtvollen Livreen an der Seite vornehmer Damen in den kostbarsten Gewändern und mit den werthvollsten Schmucksachen behängt; – Goldstrotzende Lakaien; – Jäger mit großen Federbüschen auf dem Hut; – Pferde, deren Geschirr mit edlem Metall garnirt war, auf deren Köpfen Büsche ächter Morabouts wehten.

Alles dies fesselte ihre Aufmerksamkeit.

Noddy betrachtete sie eine Weile und trat dann an ihre Seite.

»Du hast Nachricht aus Richmond?« flüsterte er.

Sie nickte.

»Du kennst den Aufenthalt Deiner Mutter?«

»Nein. Sie ist von Richmond abgereist und wahrscheinlich nach Washington, wird aber vermuthlich sehr bald nach Richmond zurückkehren, sobald dort die großen Feste der Ritter, die Theater, Concerte und alle andern Vergnügungen der Saison beginnen.«

»Fanny, Dich verlangt's nach Deiner Mutter?«

»Nein; nicht nach meiner Mutter; Du weißt, daß ich sie nicht lieb haben kann. Sie selbst sehnt sich nicht nach mir. Ich weiß, daß ich ihr von jeher nur ein Hinderniß war, und habe sie mehr als einmal sagen hören, daß sie mit Schrecken der Zeit entgegen sähe, wo sie in mir möglicherweise eine Rivalin erblicken könne.«

»Die Zeit ist da, Fanny. Du bist jetzt kein Kind mehr, Du bist eine Dame, und würdest Du jetzt in der großen Welt austreten, so würdest Du umschwärmt sein von Anbetern aus den vornehmsten Kreisen. Man würde Dir schmeicheln, man würde sich um Deine Gunst bewerben, man würde Dir Geschenke machen; die Blicke der Männer würden mit Verlangen, und die der Frauen mit Neid auf Dir ruhen!«

Fanny antwortete nicht, aber Noddy hörte, daß sie mit Gewalt einen Seufzer zurückpreßte.

»Du erinnerst Dich, Fanny, daß ich Dir dies schon einmal gesagt; Du weißt, damals ...«

»Ich weiß,« unterbrach ihn Fanny »Du hast den Vater und mich dem sichern Tode entrissen und nahmst mich in Schutz, als ich auch des Vaters beraubt war. Ich werde Dir's nie vergessen, Noddy, und werde Dir mein Lebelang dankbar sein; ich würde kein größeres Glück kennen, als Dich glücklich zu machen.«

Noddy's dunkles Auge flammte vor Begeisterung auf.

»Fanny,« sagte er, »erinnerst Du Dich dessen, was ich damals sprach, als wir von Nashville abreisten?«

Fanny nickte, aber sie vermied es, Noddy's Blick zu erwiedern, und die Röthe, welche über ihre Wangen flog, war vielleicht mehr Verlegenheit, als innere Bewegung.

»Du schweigst, Fanny? – Du bist nicht glücklich!«

»Nein, Noddy! Ich weiß es, Du liebst mich, wie ein Bruder nur seine Schwester lieben kann; ich darf's Dir nicht verhehlen, ich bin oft traurig.«

»Die Nachrichten aus Richmond ...?«

»Nun ja, auch die!«

»Du sehnst Dich nach Richmond zurück?«

»Ich leugne es nicht, daß ich gerne dort wäre.«

»Aber Du sagst, Du liebst Deine Mutter nicht, und sehnst Dich doch nach ihr nicht zurück.«

»Es ist nicht ihretwegen.«

»Nun?«

»Die Vergnügungen der Saison ...«

»Ah, das ist es! Du willst Zerstreuung! Ja, Du hast Recht, Fanny, ich dachte nicht daran. – Zerstreuung! – Ja, Zerstreuung mußt Du haben; Du bist daran gewöhnt. Wie konnte ich auch nur denken, daß Du an dem einförmigen Leben Geschmack finden könntest, das ich Dir bot!? Verzeihe mir, Fanny, ich hatte vergessen, daß Du die Tochter des reichsten Farmers in Kentucky bist, als ich Dir diese Wohnung miethete, und Dir zumuthete, daß Du weiter keine Zerstreuung haben solltest, als Deine Bücher, Deine Blumen, hin und wieder einen Spaziergang und ... meinen Besuch,« fügte er etwas zögernd hinzu.

»Nein, nein, Noddy!« rief Fanny energisch; »ich habe nicht gewollt, daß Du mehr für mich thätest; denn ich weiß, daß das, was Du für mich thust, Dir schon Opfer kostet.«

»O, glaube das nicht, Fanny; ich habe Geld genug, um Deine Wünsche so vollständig zu befriedigen, als ob ich ein reicher Sclavenzüchter wäre.«

Nettice, welche in einiger Entfernung stand, heftete auf die Beiden einen Blick voll tiefinniger Theilnahme, ja, sie schien mit Noddy wahres Mitleid zu empfinden. Traurig schüttelte sie den Kopf bei seinen letzten Worten und flüsterte:

»Ich weiß, es ist nicht wahr; Du kannst es nicht, Du guter Mann und Fanny wird das Anerbieten nicht annehmen.«

Fanny indessen hatte sich sicherlich nicht so viele Mühe gegeben, um in die pekuniären Verhältnisse Noddys einen solchen Einblick zu gewinnen, denn sie wurde sichtlich heiterer.

Noddy versicherte, das es auch in Charleston nicht an Vergnügungen fehle.

»Da, sieh' die Equipagen, die dort unten vorüber fahren; das alles sind Leute, welche das Vergnügen suchen.«

»Und wohin fahren diese Leute?«

»In die Oper, Fanny.«

»In die Oper? – Ach! Seit Jahren hörte ich keine Oper; Wir gern würde ich in die Oper fahren!«

»Freilich, Fanny; indeß, Du weißt, es ist gegen den Anstand, daß Du allein, nur von Nettice begleitet, die Oper besuchst.«

»Warum begleitest Du mich nicht Noddy?«

»Ich?« sagte Noddy, und sein Mund verzog sich zu bitterm Lächeln. »Ich!? Du vergißt Fanny, daß in diesem Lande Nigger nicht in den Logen der Theater Platz nehmen dürfen. Für die Nigger hat man auf der höchsten Galerie einen besonderen Verschlag eingerichtet, und Miß Fanny Cleary würde wahrscheinlich nicht Lust haben, mit mir in diesem Verschlage Platz zu nehmen.«

Fanny erröthete. Schämte sie sich der Sitten ihres Vaterlandes, oder versetzte ihre Phantasie sie in die beschämende Situation an der Seite ihres Freundes in der Niggerloge des Opernhauses?

Sie schwieg eine Weile.

Noddy blickte nachdenkend vor sich hin. Nach einer Weile hob er an:

»Schade, daß Du gar keine Bekanntschaft hast, oder daß ich keine Bekanntschaft in Charleston habe unter den Weißen, in deren Begleitung Du die Oper besuchen könntest.«

Auch Fanny schien dies zu beklagen und vor ihrer Seele alle Personen, welche sie in Charleston kennen gelernt hatte, die Revue passiren zu lassen, ob nicht unter diesen wenigstens eine sei, deren Gesellschaft sie sich passender anschließen könne, als der des Mulatten.

Sie war noch nicht zu einem Resultat gekommen, da hörte man den Klopfer draußen.

Die Hausthür ward geöffnet, auf der Treppe ertönten Schritte, dem Anschein nach von Männern und dazwischen helles Lachen eines Mädchens.

Sie wechselte mit Nettice einen Blick des Erstaunens, als bald darauf an ihrer Thür die Schelle gezogen wurde.

Nettice öffnete, und ihr Erstaunen vermehrte sich, als sie die Personen erblickte, welche jetzt eintraten.


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