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Einundneunzigstes Kapitel.
Die Bartholomäusnacht zu Lawrence

Je näher Grant mit seiner Armee der Hauptstadt des Landes rückte, je drohender die Gefahr der Vernichtung über dem Haupte der Rebellenstaaten schwebte, desto energischer machten sich die Junker des Südens ans Werk, um den kleinen Krieg, wie sie ihre Aktionen an den Grenzen des Landes nannten, wirksam und empfindlich für die Staaten der Union zu machen. Es ist unmöglich, alle die Gräuelscenen zu schildern, welche hier vor sich gingen, alle die gräßlichen Verbrechen zu beschreiben, welche von den Guerillabanden ausgeführt wurden.

In den Missouristaaten Utah und Nebraska, da war Mr. Tucker stationirt und ließ von dort aus mittelst der Häuptlinge der Guerillabanden die Einfälle in Kansas und die übrigen angrenzenden Staaten machen. Im Norden verfuhren auf ähnliche Weise Thompson und Cleary, von Kanada aus in die Staaten Michigan und New-York.

Die Schaaren, deren sie sich bedienten zu ihren Raub- und Mordzügen, bestanden meist aus dem gemeinsten Gesindel, das für Geld zu jedem Verbrechen sich kaufen ließ. Rowdy's, Mörder und Räuber: das waren die Kämpen, deren sie sich zum Angriff gegen die wehrlosen Grenzstädte bedienten. Es genügt, wenn wir von all den Schrecken, welche in den Grenzstädten und in den Grenzbefestigungen in Scene gingen, nur zwei besonders erwähnen, und wir thun auch dies nur, da sie uns von dem Schicksale einiger Personen berichten, die bereits mehrfach in unserer Erzählung aufgetaucht sind, und deren Schicksal für uns von Interesse sein muß. – –

Mr. Brocklyn hatte, dem Rathe seines Sohnes folgend, die Schuld gegen seinen früheren Compagnon, Charles Powel, dadurch abgetragen, daß er ihm die Hälfte seines Vermögens, bestehend in der Faktorei zu Old-Church, überwiesen hatte. Die Liegenschaften und das Geschäft selbst wurden für diesen verwaltet, bis er in Freiheit gesetzt sein würde, denn um der Contribution und der Strafe zu entgehen, welche die Ritter wegen der Abtrünnigkeit seines Sohnes über ihn verhängen möchten, hatte er sich mit dem Rest seines Vermögens nach Lawrence begeben, einer Stadt in Kansas am Missouri gelegen, von wo seine Fahrzeuge, den Missouri hinabfahrend, die früheren Handelsverbindungen mit Charleston und New-Orleans unterhalten konnten.

Er schien sich in seiner Hoffnung nicht getäuscht zu haben, daß das Glück, welches er bisher in seinen Handelsunternehmungen gehabt, ihm auch hier günstig sein würde. Allein der Ruin sollte von einer Seite über ihn kommen, von welcher er den Schlag nicht erwartet hatte.

An der Grenze von Kansas, da waren bekanntlich die Banden Tuckers stationirt, auch Lawrence sollte von einem Raubanfalle betroffen werden. Von allen Gräueln, welche die Rebellion der Sklavenhalter hervorgerufen hat, ist die Bartholomäusnacht zu Lawrence die gräßlichste, und muß man wirklich und wahrhaftig bis zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges, der Hugenottenkriege in Frankreich oder der namenlosen Schandthaten der Henkersknechte Ludwigs XIV in der Pfalz zurückgehen, um Vergleiche zu finden.

Die Geschichte der europäischen Kriege in den letzten Jahrhunderten weist kein Seitenstück zu der Schreckensnacht zu Lawrence auf. Mr. Tucker hatte den berüchtigten Guerillahäuptling Quantrell mit dieser Mission beauftragt.

Mitten in der Nacht vom 21. zum 22. Juli, während die Bewohner der Stadt Lawrence, nichts Böses ahnend, in ihren Betten lagen, erscheint Quantrell mit seiner Banditenhorde, besetzt alle Ausgänge der Stadt und giebt dann seinen Hyänen das Signal zu allgemeinem Würgen, Plündern, Sengen und Brennen. Das Haar sträubt sich bei der Erzählung der Auftritte, die nun erfolgten. Wie Tilly's Kroaten in Magdeburg, so hausen die Ouantrellschen Bestien in Lawrence. Mit indianermäßigem Mordgeheul die schlummernden Bewohner weckend, dringen sie in die Häuser, in die Schlafkammern und metzeln alle Männer nieder, die ihnen vorkommen. Die Weiber und Kinder drängen sich um ihre Gatten und Väter, klammern sich an sie, flehen auf ihren Knien die Mordhunde um Schonung an. Umsonst. Mit teuflischer Kaltblütigkeit wird den Unglücklichen das Pistol auf die Brust oder vor die Stirn gesetzt, und ihren Angehörigen wird der blutige Leichnam gelassen.

Von Widerstand war keine Rede. In Nachtkleidern suchen die Bürger zu entfliehen. Wie ein gehetztes Wild rennen sie durch die Straßen und werden niedergeschossen Ihre zuckenden Körper werden in Brunnen und Zisternen geworfen.

Am Ende der Stadt befindet sich ein Boardinghouse. Dort hinein trieb man 33 Flüchtlinge, besetzte das Haus, zündete es an und verwandelte das Haus mit Allem, was darin war, in einen Aschenhaufen. Wer den Flammen zu entfliehen versuchte, wurde niedergeschossen.

Eine Schaar wehrloser Flüchtlinge stand am Ufer zusammengedrängt, noch zweifelnd, ob sie den Tod durch das Henkerbeil oder den im Wasser wählen soll. Die Scheusale gewahren die Verzweifelten, eine Colonne sprengt heran und giebt auf sie eine Salve. Eine Anzahl fällt getroffen zu Boden, die Andern stürzen sich in die Fluthen.

Allein noch nicht befriedigt durch die Todesangst der Unglücklichen, die vergebens mit den Wellen des Missouri kämpften, pflanzte sich eine Reihe der Unmenschen am Ufer auf und feuerte Salve auf Salve auf die Schwimmenden, bis das Wasser des Missouri vom Blute geröthet war.

Eine Anzahl von Negern, welche man aus einem Packhofe zusammengetrieben, wurden dort in der beliebten Weise an einen Zaun angenagelt, und dann belustigte man sich damit, aus einer bedeutenden Entfernung auf sie nach Manier der Indianer mit Bowie-Messern zu werfen.

Zu dem Morden gesellte sich der Raub und die Plünderung. Alle Gegenstände von Werth werden geraubt, selbst den Frauen ihre Ohrringe und Ringe abgerissen. Was zu schwer ist, um mitgenommen zu werden, wird zertrümmert, und schließlich das Haus in Brand gesteckt. Der größte Theil der Stadt wird eingeäschert, die Brandstätte des Hauses wird meistens zugleich auch das Grab der Bewohner.

Nur soweit die Namen der Ermordeten constatirt sind, erreicht die Anzahl derselben nahe an 700. Der Schaden, welcher durch Brand und Raub entstanden, muß nach Millionen geschätzt werden. Auch Mr. Brocklyns Handelshaus bleibt nicht unverschont. Indessen gehört er mit seiner Familie zu den Wenigen, welche sich das Leben zu retten im Stande waren. Mr. Brocklyn flüchtete sich in die Hütte eines alten Negers, eines seiner Diener, und als die Horden kamen, um sein Haus zu durchsuchen, fanden sie nur die Schätze des Besitzers, nicht aber diesen selbst. Alles, was an baaren Gelde vorgefunden wurde, ward mitgenommen, und Haus und Speicher und Waarenvorräthe wurden den Flammen preisgegeben. Die eine Nacht machte Mr. Brocklyn zum Bettler.

Es war ein entsetzliches Bild, welches die aufgehende Sonne am andern Morgen beleuchtete. Der größte Theil der Stadt war ein Haufen Rauch und Ruinen, die wenigen stehengebliebenen Häuser angefüllt mit Schwerverwundeten und Sterbenden; Weiber und Kinder, in ihren Nachtkleidern an den Brandstätten umherirrend, um die verkohlten Ueberreste ihrer Ernährer zu suchen. Wahrlich, wo die wildesten Indianerhorden jemals einen Angriff auf eine Colonie von Europäern, in denen sie ihre Todfeinde erblickten, gemacht haben, ist die Verwüstung nicht grauenvoller gewesen. In solchen Fällen würde wenigstens der Tod, der unter solchen Umständen ja eine Wohlthat ist, die Familie vereinigt haben. Die raffinirte Blutgier weißer Bestien aber sorgte dafür, daß für jedes ihrer Opfer noch eine Anzahl Leidtragender übrig blieb, an deren Jammergeschrei sie sich ergötzen konnten.

Die Zerstörung an Eigenthumswerth, obschon dieselbe fast verschwindet neben den übrigen hier verübten Gräueln, welche, wie gesagt, mehrere Millionen beträgt, repräsentirte die Frucht eines langjährigen rastlosen Erwerbslebens. Ueber Tausende von fleißigen und betriebsamen Bürgern war das Loos der Armuth verhängt. Die Stadt Lawrence war vom Erdboden so gut wie vertilgt und mußte von Neuem aufgebaut werden.

Es ist eine fürchterliche Rache, welche das Missouri-Banditenthum an der Stadt genommen hat, welche während des vierjährigen Kampfes um die Freiheit von Kansas den Mittelpunkt der Unionspartei bildete. All der namenlose Haß und Grimm, welchen die Grenzbanditen gegen die Unionspartei hegten, hat in der Bartholomäusnacht zu Lawrence einen Ausdruck gefunden, über welchen nach Menschenalter der Geschichtsschreiber des nordamerikanischen Freiheitskrieges nicht ohne Schauder Bericht erstatten wird.


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