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Hundertunderstes Kapitel.
Der Maskierte

Das Blackhouse war ein in jeder Beziehung vollständiges Etablissement.

Es war nicht nur eingerichtet für den Reichen, sondern auch für weniger Bemittelte, wie Bürger und Arbeiter, und damit diese mit den Herren des Südens, die hier ja hauptsächlich verkehrten, nicht in Berührung kamen, so war mit dem eigentlichen Hôtel eine Art Boardinghouse verbunden, das an Comfort wenig zu wünschen übrig ließ, und sich von dem älteren Theil des Hôtels nur durch die Lage unterschied.

Während dort die Fenster nach der Straße und dem Flusse zu gelegen waren, so führten sie hier auf den großen, reinlich gepflasterten und zum Theile mit Bäumen bepflanzten Hof.

Das Gastzimmer des Boardinghouses war also dasjenige, welches sich der Fremde, den Mr. Payne hatte aussteigen sehen, und dessen Aussehen er als ein sehr verdächtiges bezeichnet hatte, zum Aufenthalt wählte.

Als der Wirth, von Dr. Mudd und Booth beauftragt, hier erschien, um den Fremden in's Parlour des Hôtels zu bitten, fand er diesen nicht mehr allein, sondern in Gesellschaft eines Andern, welcher mürrisch und verdrießlich an einem Tische saß und ein Glas Porter trank.

Robert Payne hatte vollständig Recht gehabt, wenn er das Aussehen jenes Fremden als ein auffälliges und verdächtiges bezeichnete.

Der Mann trug auf dem rechten Auge ein großes schwarzes Pflaster, quer über das Gesicht hatte er eine dicke Narbe und sein Haar von einer röthlich braunen Farbe hing unordentlich und ungebürstet über seine Schläfe. Sein Anzug war zur Hälfte der eines Gentleman, zur Hälfte militairisch.

Er trug nämlich die grauen Uniformhosen des New-Yorker Infanterie-Regiments und einen Rock von feinem Tuche von kaffeebrauner Farbe.

Wenn schon dieser Anzug nicht recht zusammen paßte, so nahm sich völlig geschmacklos die mächtige Cravatte aus, deren breite Zipfel weit zu beiden Seiten abstanden und dem Manne ein stutzerhaftes Ansehen gaben.

Das eine Auge, mit welchem der Fremde zu sehen vermochte, durch einen darunter angebrachten schwarzen Bogen anscheinend weit größer als in Wirklichkeit, war von brauner Farbe, lebhaftem Glanze, und scharf und beweglich, ja durchdringend. Jede Miene, ja jede Bewegung des Fremden zeigte den Mann, der zu beobachten gewohnt ist und das Resultat seiner Beobachtung zu verbergen versteht.

Der dichte blonde Bart, mit dem ein großer Theil seines Gesichtes bedeckt war, verhinderte, den feinen Zug um seinen Mund zu erkennen, und verbarg auch das ironische Lächeln, das um seine Lippen zuckte, als der Zweite, den der Wirth bei einem Glase Porter fand, eintrat.

Dies war ein Mann, der, wenn wir des Ersteren Aussehen als ein Auffälliges bezeichneten, vollständig widerlich und abschreckend aussah.

Struppiges rothes Haar, dicke buschige Brauen, ein breites, gemeines Gesicht, stumpfe, nichtssagende Züge, das Gepräge aller gemeinen Laster aus seiner platten Stirn, ... es war nicht schwer, daß, wer diesen Mann einmal gesehen, ihn wieder erkannte.

Es war der Mann, welcher den teuflischen Plan ausgesonnen, die edlen Pferde des Präsidenten durch die Marter der Kugeln in den Ohren zur rasenden Angst zu treiben, und bei dieser Gelegenheit sich der Person Lincolns zu bemächtigen, es war derjenige unter den Verschworenen, welcher von Allen gehaßt und nur seiner Gemeinheit und Rohheit wegen geduldet wurde, Eigenschaften, welche ihn vorzüglich zu den Geschäften qualificirten, zu welchen er verwandt wurde – kurz, es war John Atzerott.

»Vortreffliches Wetter heute,« redete der Mann mit dem Pflaster auf dem Auge Atzerott an, welcher sich absichtlich in einiger Entfernung von dem andern setzte und verdrießlich auf dessen Fortgehen zu warten schien.

Atzerott antwortete nur mit einem nachlässigen Nicken des Kopfes.

»Vortrefflich zum Reisen heute,« fuhr der Fremde fort.

»Da bin ich Ihrer Meinung,« antwortete Atzerott barsch, »und ich an Ihrer Stelle würde mich nicht länger in dem dumpfigen Gastzimmer eines Boardinghouses aufhalten, als unbedingt nöthig ist.«

»In der That, Sir,« antwortete der Andere mit ironischer Verbindlichkeit, »ich bin ganz Ihrer Ansicht, und ich hätte auch nicht gezögert, sofort abzureisen, wenn ich nicht das Glück gehabt hatte, Ihre liebenswürdige Bekanntschaft zu machen!«

»Meine Bekanntschaft?« fragte Atzerott etwas verblüfft. »Ich wüßte nicht, daß sich Jemand die Mühe genommen hätte, mich Ihnen vorzustellen.«

»Ist auch durchaus nicht nöthig! Wenn Sie erlauben, stelle ich mich Ihnen selber vor.«

Damit erhob er sich und näherte sich dem Tisch des Andern.

»Bemühen Sie sich nicht," fuhr ihn Atzerott an, »ich habe kein Verlangen darnach, Sie kennen zu lernen, und wünschte, daß Sie lieber hundert Meilen weiter von meinem Tische entfernt wären, als daß Sie noch näher kommen.«

»Ha!« lachte der Andere, »daran erkenne ich den ehemaligen Kameraden! – Wir sind nämlich Kameraden, Sir! Sie erkennen mich freilich nicht wieder, denn ich habe mich verändert, aber beim Teufel, ich schwöre Ihnen, daß wir Kameraden sind.«

»Schwören Sie beim Teufel, oder schwören Sie bei seiner Großmutter, oder schwören Sie bei sich selber; mir solls egal sein; ich bin nicht Ihr Kamerad und bin's nie gewesen und trage auch kein Verlangen, es zu sein. Denn, um's Ihnen offen zu gestehen, Ihre Physiognomie sieht nicht sehr anziehend aus, und eine Kameradschaft mit Ihnen könnte wohl nicht gut einen andern Weg führen, als den zum Galgen.«

»Sie sind wirklich ein Spaßvogel, Sir, ein allerliebster Kerl! Hier ist meine Hand! Sie gefallen mir ausnehmend – Also Sie finden meine Physiognomie nicht schön?«

»Hol' mich der Teufel, nein! Ich finde sie abscheulich! Bleiben Sie mir vom Halse, Sie sehen aus, wie ein Spitzbube, ja, wie ein Gauner, ja sogar wie ein Mörder, und, was noch schlimmer ist, wie ein Spion. Kurz, Sie sehen aus wie ein Kerl, den ich von ganzem Herzen hasse, und den ich durchprügeln werde, wenn er sich mir aufdringt.«

Der Fremde mußte ein Mann von ganz vorzüglichem Humor sein; denn weit entfernt, sich durch einen Empfang von so unfreundlicher Art beleidigen zu lassen, lachte er von ganzem Herzen und so, daß er sich die Seiten halten mußte.

In diesem Augenblick trat gerade der Wirth ein.

»Ah gut, daß Sie kommen, Sir, schicken Sie mir eine Flasche Porter her, ich muß mit meinem Kameraden Brüderschaft trinken, das heißt, eigentlich ist's nicht nöthig, wir haben längst die Brüderschaft getrunken, aber der alte Junge ist heute bei so amüsanter Laune, daß es mir Vergnügen macht, mit ihm noch ein Stündchen zu plaudern.«

Dann wandte er sich wieder an Atzerott:

»Sie reisen doch so bald noch nicht ab Mr ..., wie ist doch Ihr werther Name, Kamerad?«

»Mein Name kann Ihnen so gleichgültig sein, wie mir der Ihrige ist. Sie thäten mir einen großen Gefallen, wenn Sie wieder Ihr Cab bestiegen und hinreisten, wo der Pfeffer wächst, oder meinetwegen noch zweihundert Seemeilen weiter· Ich sage Ihnen, ich mag nichts mit Ihnen gemein haben.«

»Eine Flasche Porter, Herr Wirth, und eine für meinen Freund! – Hören Sie nicht? Was stehen Sie noch da?« rief der Fremde statt aller Antwort dem Wirthe zu.

Dieser indeß machte keine Anstalt, den Befehl auszuführen, sondern sagte, indem er sich ihm vertraulich näherte:

»Der Dr. Mudd und seine beiden Freunde, welche sich im Parlour befinden, wünschen sich, das Vergnügen Ihrer werthen Bekanntschaft zu machen, Mr. Co ...«

Ein Blick, den Atzerott nicht bemerkte, hinderte den Wirth, den Namen seines Gastes auszusprechen Derselbe erschrak fast über seine Unvorsichtigkeit, und um dieselbe wieder einigermaßen gut zu machen, fügte er hinzu:

»Sie haben es Ihnen gleich angesehen, Mr. Smith, – wenn ich mich recht erinnere ist das Ihr Name, – daß Sie ein invalider Krieger sind; ohne Zweifel haben die Herren Lust, von Ihnen eine Schilderung der Schlacht von Fredericksburg oder Gettysburg zu hören. Beliebt's Ihnen hinauf zu gehen?«

»Es beliebt mir nicht, dies Zimmer zu verlassen, sondern es beliebt mir, mit meinem alten Kriegskameraden ein Glas Porter zusammen zu trinken, wie ich Ihnen bereits sagte,« antwortete der Fremde fast unwillig. Ein Blick des Einverständnisses aber sagte dem Wirthe, daß es dem Fremden nichts weniger als angenehm sei, die Gesellschaft des Grobians zu theilen, daß er aber auf seinen Vorsatz, ein Glas Porter mit demselben zu trinken, bestehen müsse.

»Kriegskamerad?« wiederholte Atzerott für sich, der bereits aufzuathmen und zu hoffen begann. daß der Fremde kein Spion sei und möglicher Weise sich entschließen möchte, in's Parlour des Hôtels hinaus zu gehen – »Kriegskamerad? Ich bin niemals Soldat gewesen.«

»Ah! Du beliebst zu scherzen, alter Junge! – Haben wir nicht unter Beauregard oder Price zusammen gedient?«

»Sie dienten beim Süden?« fragte Atzerott ein wenig mißtrauisch.

»Ha! ich fürchte mich nicht, es zu gestehen; denn ich bin jetzt im Norden ansässig, und kein Mensch kann mich dafür bestrafen, daß ich in der Armee der Conföderirten gedient habe. Ich bin stolz darauf, unter Beauregard gedient zu haben!«

Atzerott maß den Sprecher vom Kopf bis zu den Füßen, bei welcher Musterung sein Blick aus den grauen, mit blau gepaspelten Beinkleidern haften blieb.

»Das ist doch kein Montirungs-Stück eines Conföderations-Soldaten?«

»Sehr pfiffig, alter Schlaukopf!« bemerkte der Fremde, indem er eine Geste der Bewunderung machte. »Ist der That höchst scharfsinnig bemerkt! Aber sieh' einmal, Kamerad, ich war in der Gefangenschaft, mußt Du wissen, und habe diese Beinkleider im Gefängniß zu Elmira bekommen, und es ist immerhin besser, in diesen Gegenden die grauen, als die grünen Beinkleider zu tragen, denn man ist nicht immer so glücklich, alte Kameraden anzutreffen, mit denen man sich so offen und vertrauensvoll aussprechen kann, wie mit Dir, mein bester Bob.«

»Ich heiße nicht Bob!«

»Thut nichts; indessen ist es mir doch interessant, Deine Bekanntschaft zu erneuern. Ich werde Dir offen erzählen, was mich hierhergeführt hat, lieber Jack.«

»Ich heiße nicht Jack.«

»Gleichviel, der Name thut nichts zur Sache. Was mich aber hierher führt, ist ein kleines Geschäft, das ich mit dem Süden habe. Du weißt, man schmuggelt manchmal so Kleinigkeiten ein. Ich sage Dir das ganz offen, denn ich weiß, daß Du ein Kerl bist, dem man vertrauen kann. In meinem Cab wirst Du eine ansehnliche Quantität von Kleiderstoffen finden, die mir im Süden gut bezahlt werden, und auf der Rückreise bringe ich eine Portion Baumwollen-Waaren mit, die mir im Norden gut bezahlt werden. Man schlägt sich eben durch, so gut man kann. – Natürlich, was ich Dir hier mittheile, ist im Vertrauen gesprochen, und braucht kein Dritter zu erfahren. Du siehst, welch großes Vertrauen ich in Dich setze, und ich hoffe also, Du wirst jetzt nicht mehr Anstand nehmen, mich wie einen alten Kameraden zu betrachten.«

Atzerott war vor Ungeduld aufgesprungen und im Begriff, das Zimmer zu verlassen, das einzige Auskunftsmittel, welches sich ihm darzubieten schien, um die lästige Gesellschaft des aufdringlichen Gastes los zu werden.

Dieser aber stellte sich ihm in den Weg·

»Erst trinkst Du ein Glas mit mir, werther James; eher lasse ich Dich nicht von der Stelle. – Da! Hier ist Mr. Fisher mit dem Porter. Setze Dich! Auf gute Kameradschaft, Jim!«

»Ich sage Ihnen, daß Sie ein lästiger Patron sind, Sir. Lassen Sie mich los, oder ich schaffe mir Sie auf eine Weise vom Halse, die für Ihre Knochen sehr bedenklich werden könnte!«

Der Wirth verhinderte durch sein Dazwischentreten ein weiteres Vorgehen des Gastes, so, daß also Atzerott Gelegenheit erhielt, hinaus zu kommen.

Als der Wirth sich mit dem Einäugigen allein sah, stellte er die Flaschen bei Seite und näherte sich diesem.

»Mr. Conover," sagte er halbflüsternd, »Was Sie auch vorhaben, Sie spielen ein gewagtes Spiel. Ich muß Ihnen sagen, daß dieser Patron nicht der einzige ist, mit dem Sie es zu thun haben werden, wenn er mir auch von Allen der roheste und brutalste zu sein scheint. Die beiden Herren im Parlour, die Freunde Mr. Mudds stehen unbedingt mit ihm im Einverständniß, und soeben meldete sich ein Milchbart, ein Kerl, welcher aussieht wie ein verzärteltes Muttersöhnchen, fragte ebenfalls nach Mr. Atzerott.«

»Nun, und wenn mir das Alles bekannt wäre?«

»Ich meine, wo so viele Augen beobachten, da möchte es am Ende doch schwer sein, die Maske beizubehalten Allerdings muß ich gestehen, daß Sie Ihre Physiognomie mit großer Meisterschaft entstellt haben; indeß sein Sie nicht zu sicher! Von den Andern ist kein Einziger ein solcher Dummkopf, wie Atzerott.«

»Ich danke Ihnen, bester Mr. Fisher für Ihren wohlmeinenden Rath; aber jetzt muß ich hinaus zu meinem Freunde Atzerott; ich darf ihn keine Minute aus dem Gesichte verlieren. Der Mann, mit welchem er dort auf dem Hofe spricht, ist ohne Zweifel der Milchbart, von welchem Sie eben redeten.«

Er deutete mit diesen Worten zum Fenster hinaus auf einen jungen Mann, der Niemand anders war, als George Arnold, der Freund Booth's.

»Derselbe, Mr. Conover.«

»Nun, der sieht mir in der That nicht aus, wie ein gefährlicher Spion, sondern eher wie ein schmachtender Schäfer, oder wie ein sentimentaler Poet; von einem Spion aber hat er auch nicht ein Tüpfelchen an sich. – Adieu! Adieu, Mr. Fisher, auf Wiedersehen! Ich muß hinaus, mein Freund Atzerott kommt mir sonst aus dem Gesicht.«

Diese letzte Bemerkung gründete sich darauf, daß Atzerott sich mit seinem Freunde weiter in das Innere des Hofes begab, und zwar in eine seitwärts gelegene Abtheilung, wo er vom Fenster des Gastzimmers aus nicht beobachtet werden konnte.

Mr. Conover, – denn kein Anderer war der Maskirte – schlug natürlich dieselbe Richtung ein und fand hier die beiden Gesuchten im Gespräche mit einem Stallmeister, welcher in Gala-Livree, gelben Lederhosen, blauem Frack, Stulpstiefeln und einer Jockeymütze, in der Thür des Pferdestalls lehnte und sich, wichtigthuend, mit der Gerte, die er in der Hand hielt, auf seine Waden klopfte.

Das übrige Gesinde kaum eines Blickes würdigend, betrachtete er sich in diesem Moment als die wichtigste Person des Etablissements, und fand es nicht mehr, wie billig, daß die beiden fremden Herren, die über den Hof daherschritten, indem sie sich ihm näherten, ihn achtungsvoll grüßten.

Er nahm diesen Gruß hin, wie eine Sache, die sich von selbst verstände, und erwiederte ihn, wie ein Mann, welcher sich seiner Bedeutsamkeit wohl bewußt ist.

»Sie sind Stallmeister Sr. Excellenz?« fragte ihn Arnold.

»Ja, Sir, bis jetzt noch sein Stallmeister; vielleicht bald sein Marstall-Inspector, auf welchen Posten ich die erste Anwartschaft habe.«

»Ah! da gratulire ich Ihnen zu dem Avancement.«

»Ich danke Ihnen, Sir; aber ich will damit nicht gesagt haben, daß mein jetziger Posten weniger wichtig ist, als der eines Marstall-Inspektors. Denn was die Verantwortlichkeit anbetrifft, da kann ich Ihnen versichern, Gentlemen, daß unser Einer sich mehr zusammen zu nehmen hat, als ein Marstall-Inspector.«

»Ah!« machte Atzerott.

»Ich hoffe nicht, Sir, daß Sie daran zweifeln,« entgegnete der Stallmeister in beleidigtem Ton.

»O, nicht im Mindesten,« antwortete Arnold an Stelle seines Freundes in begütigendem Tone. »Seien Sie überzeugt, mein Freund ist ganz Ihrer Ansicht.«

»Nun, das ist auch in der Ordnung,« versetzte der Stallmeister; »denn sehen Sie, wenn meinetwegen Se. Excellenz über Land fährt, wie es heute der Fall ist, dann habe ich dafür zu sorgen, daß die Pferde, die vor seinen Wagen kommen, gut eingefahren sind und sowohl äußere, als innere Vorzüge genug besitzen, um würdig zu sein, Sr. Excellenz Wagen zu ziehen.«

»In der That, ein verantwortungsschwerer Beruf!« fiel hier plötzlich ein Dritter ein, dessen Annäherung die Uebrigen bisher nicht bemerkt hatten.

Aller Blicke richteten sich gleichzeitig auf den Sprecher, und Mr. Atzerott erkannte in ihm zu seinem großen Verdruß den Mann mit dem Pflaster auf dem Auge.

»Ha! daß dieser Lästige mir auf den Fersen sitzt, wie die Pest dem Auswanderer in Mexiko!« murmelte er.

»Was der Herr da sagt,« fuhr Mr Conover fort, anscheinend, ohne den Mißmuth seines angeblichen Kameraden zu bemerken, und indem er eine Handbewegung gegen den Stallmeister machte, »so hat das seine vollkommene Richtigkeit. – Dieser Herr hat dafür zu sorgen, daß Sr. Excellenz kein Leides passirt; und wenn es in der ganzen Union einen Buben geben sollte, welcher es wagte, Sr. Excellenz eine Falle zu stellen, die für sein Leben gefährlich werden könnte, – etwa seine Wagenaxe zu durchsägen oder seine Pferde scheu zu machen ... oder was sonst dergleichen, – so hat dieser respectable Stallmeister die Verantwortung auf seinen Schultern.«

Er berührte bei diesen Worten mit einem kräftigen Schlage den Körpertheil, aus dem nach seiner Aeußerung die Verantwortung ruhte und fügte dann hinzu:

»Und Sie, Freund Stallmeister, Sie werden hoffentlich ein Mann an Ihrem Platze sein und werden Augen und Ohren aufsperren, damit nicht ein Mörder, ein Spitzbube, ein Verräther hinterrücks an Ihre Pferde schleicht und sie unbrauchbar macht, noch bevor sie an den Wagen gespannt sind! Habe ich Recht?«

Die Wirkung, welche diese Worte auf Atzerott machten, war eine unbeschreibliche.

Mit weit aufgerissenen Augen stierte er den Sprecher an und wechselte einen Blick mit Arnold, der deutlich den Schrecken ausdrückte, der ihn bei dieser Aeußerung des Fremden überkam.

Arnold war, wenn dies möglich, noch um einige Schattirungen bleicher geworden, als gewöhnlich.

Wie? Wußte der Fremde etwas von dem Plane? – Klangen nicht seine Worte ganz, als ob sie direct auf ihn gemünzt wären? – Hörte es sich nicht an, als ob er den Plan in allen seinen Details kannte? –

Aber nein! Woher sollte er diese Kenntniß haben? Es war ja Niemand eingeweiht, als die Verschworenen, und wer unter diesen könnte wohl ein Verräther sein? Und endlich, wenn er den Plan kannte, warum gab er den Verschworenen von seiner Kenntniß eine Andeutung? Warum schritt er nicht sofort zu ihrer Verhaftung? Wozu gerirte er sich als einen Kameraden, und weßwegen suchte er die Freundschaft Atzerotts?

Es war nicht denkbar, daß er von dem Plane wußte, und je mehr Atzerott sich's überlegte, desto beruhigter wurde er über diesen Punkt, und seine Furcht war vollständig geschwunden, als er gegen den Fremden etwas ironisch äußerte:

»Ich muß gestehen, daß diese Sprache für einen ehemaligen Secessionisten-Soldaten yankeemäßig genug klingt.«

»Still, Kamerad!« flüsterte ihm Conover zu, »man muß nicht immer sprechen, was man denkt; im Yankee-Lande muß man sprechen wie ein Yankee. Merk' Dirs alter Freund!«

»Aber ich denke,« fügte er dann laut hinzu, »wir können jetzt, nachdem wir die Bekanntschaft des Herrn Stallmeisters gemacht haben, ins Gastzimmer zurückgehen und unsern Porter trinken. Vielleicht erweist uns der Herr Stallmeister die Ehre, ein Glas mit uns zu leeren.«

Der Herr Stallmeister war in diesem Punkte nicht stolz, sondern gab durch eine gravitätische Neigung seines Hauptes seine Einwilligung zu verstehen.

Atzerott kam nichts ungelegener, als diese Einladung; denn seine Absicht war, einen Besuch in dem Pferdestall zu machen, in welchem die für den Wagen des Präsidenten bestimmten Pferde standen, und dort seine verbrecherische Absicht auszuführen.

Die Hand, welche er in der linken Seitentasche hielt, hatte bereits die Kugeln erfaßt, welche das Verderben des Präsidenten Lincoln herbeiführen sollten.

Er zögerte einen Augenblick, der Einladung Folge zu leisten. Da schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf.

»Wie wäre es,« dachte er, »wenn durch Arnold und den Stallmeister der Fremde so in die Unterhaltung verwickeln würde, daß ich mich unbemerkt fort zu schleichen Gelegenheit habe? – Das wird gehen! Nur fünf Minuten brauche ich unbemerkt zu sein, und das Vorhaben ist ausgeführt.«

Er folgte daher erleichterten Herzens den drei andern in das Gastzimmer, und sein rauhes Aeußere glättete sich sichtlich.

Er stieß mit den Andern an, lobte den Stallmeister, duzte sich mit dem Fremden, nannte auch ihn einen alten Kameraden, und flüsterte dazwischen Arnold zu, daß er dem Fremden fleißig zutrinken möge und ihn namentlich nicht aus dem Zimmer lassen solle, wenn er selbst eine Gelegenheit suchen würde, hinauszukommen·

Mr. Conover spielte seine Rolle vorzüglich.

Der Mann, welcher in den besten Kreisen der Gesellschaft sich sein Lebelang bewegt hatte, der sein gebildete, in aristocratischen Sitten erzogene Weltmann war unter dieser Maske eines etwas tölpisch lustigen Hinterwäldlers nicht wieder zu erkennen, und Atzerott ließ jeden Verdacht einer Spionage, der früher von Zeit zu Zeit in ihm aufgetaucht war, allmälig gänzlich fahren und lachte beinahe über sich selbst, wie er hätte auch nur einen Augenblick Furcht haben können, daß ein solcher Dummkopf seine Pläne zu durchkreuzen im Stande wäre.

»Aber,« fuhr Conover in dem begonnenen Gespräche, zu Atzerott gewendet, fort, »Du wolltest mir ja, wenn ich nicht irre, Deine Schicksale erzählen seit unserm letzten Unglück in Tennessee. Du standest ja wohl auch unter Price?«

»Unter Price?« wiederholte der Stallmeister stirnrunzelnd, »das ist ja ein Rebellen-General!«

»Beunruhigen Sie sich nicht, Herr Stallmeister, lachte Conover, »wir gehörten damals zur Rebellen-Armee; jetzt sind wir gute Patrioten!«

»Price?!« rief der Stallmeister noch einmal, und setzte sein Glas, das er schon an die Lippen gehoben hatte, wieder auf den Tisch und schob es weit von sich, – »mit einem Mann, welcher in der Rebellenarmee diente, trinkt der Bürger der Republik kein Porter.«

Conover hatte eine Unvorsichtigkeit begangen, welche Atzerott sofort zu seinem Nutzen ausbeutete.

»Was mich anbetrifft,« sagte er, »so ist es ein Irrthum dieses invaliden Secessionisten-Soldaten, daß ich ein Kamerad von ihm bin. Schon hundert Male habe ich es ihm gesagt, daß ich niemals in der Armee des Südens gedient habe. Ich bin von Jugend auf in den Nordstaaten und immer ein loyaler Bürger gewesen und ein ganz spezieller Verehrer unsers allgeliebten Präsidenten. Darauf kann ich einen Eid leisten, und mein Freund hier wird mir bezeugen, daß ich die Wahrheit rede.«

Arnold war noch nicht so verderbt, um eine Lüge ohne Erröthen auszusprechen und ein falsches Zeugniß mit schamloser Stirn abzulegen.

Seine Bestätigung der Aussage Atzerott's erfolgte daher etwas schüchtern und verlegen, was indessen der Stallmeister, der sich auf die Physiognomie der Menschen weit weniger, als auf diejenige der Pferde verstand, nicht bemerkte.

Dieser schüttelte vielmehr Atzerott's Rechte kräftig, und sagte:

»Das heißt gesprochen, wie ein Patriot, mein Freund! Ich habe es Ihnen gleich angesehen, daß Sie Gentleman sind; aber dieser Mann hier – ich brauche es nicht zu verschweigen – hat ein Aussehen, das mir nicht gefällt. Er ist ein Rebell und ist von Gott gezeichnet, und ich stoße nicht mit ihm an.«

Atzerott warf Conover einen triumphirenden Blick zu, und dieser faltete ärgerlich die Stirn.

»Wenn ich sage, daß ich mit diesem hier nicht anstoße,« so fuhr der Stallmeister fort, »so ist damit nicht gesagt, daß ich überhaupt nicht mehr trinke. Im Gegentheil! Wenn meinetwegen einer von diesen Gentlemen,« – – er machte eine Handbewegung gegen Arnold und Atzerott und warf Conover einen vernichtenden Blick zu – »in diesem Augenblick zu mir sagte: »Mr. Hay, Sir, trinken Sie mit uns ein Glas Porter? ... ich würde nicht nein sagen, oder falls einer von Ihnen sagte: »Trinken Sie mit uns ein Glas Sherry?« ich würde es nicht abschlagen. Ich würde Porter, ich würde Sherry und würde selbst Sillery trinken, um anderen Leuten zu beweisen, daß ich nicht stolz bin gegen gute Patrioten.«

Nachdem der Stallmeister mit gravitätischem Pathos diese patriotische Rede gehalten, blickte er erwartungsvoll die beiden Männer an, auf welche sich seine schmeichelhafte Anmerkung bezog.

Arnold verstand sofort die zarte Insinuation, und eine Flasche Sherry stand schon nach wenigen Minuten auf dem Tische.

Mr. Conover war zu seinem Verdruß vollständig ausgeschlossen, und die Unterhaltung wurde von den Dreien allein geführt.

Das schwere Porterbier und der feurige Wein animirten den Stallmeister nach und nach immer mehr und erwärmten sein Herz für die neuen Freunde zusehends, schürten aber auch den Haß, den er gegen den ehemaligen Rebellen-Soldaten empfand.

»Da wir nun doch einmal Freunde geworden sind, Mr. Hay,« sagte Atzerott im Verlaufe des Gespräches, als die Flasche Sherry sich ihrem Ende nahte, so können Sie mir auch wohl einen Gefallen erweisen.«

»O, Sir, meinen Sie, ich hätte so wenig Erziehung, daß ich nicht wüßte, mich einem Gentleman verbindlich zu machen, welcher für mich eine Flasche Sherry bezahlt hat, und sich's auch nicht verdrießen lassen wird, noch eine zweite zu bezahlen? Sprechen Sie! wenn es in meiner Macht steht, so erweise ich Ihnen jeden Freundschaftsdienst!«

»Natürlich steht es in Ihrer Macht!«

»Desto besser. Wollen Sie meine Protection bei Sr. Excellenz? Wollen Sie eine Offizier-Stelle? Oder wollen Sie im Staatsdienst angestellt sein?«

»Nein, nein! Weder eine Offizier-Stelle, noch den Staatsdienst suche ich.«

Vielleicht bei der Aushebungsoffice?«

»Auch das nicht. Was ich bitte, können Sie viel leichter erfüllen.«

»O, das ist ein Irrthum,« versetzte der Stallmeister, sich stolz in die Brust werfend; »ich denke. daß meine Fürsprache bei Seiner Excellenz Ihnen eben so viel gilt, als hätten Sie sich an Mr. Seward, oder Mr. Nicolai oder sonst an einen Mann gewandt, der dem Präsidenten nahe steht.«

»Ich zweifle durchaus nicht daran. Aber hören Sie, Freund, ich will keine Anstellung. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich ein Pferdeliebhaber bin.«

»Ah! das ist mir angenehm! Ein Patriot und ein Pferdeliebhaber! Ganz mein Mann, Sir! So wollen Sie meine Stelle, falls ich zum Marstall-Inspector avancire?«

»Auch da sind Sie im Irrthum, Freund. Ich muß zuvörderst noch bemerken, daß ich niemals Gelegenheit hatte, den Marstall Sr. Excellenz zu sehen. Der Präsident soll vorzügliche Pferde haben.«

»Ich sage, die besten Pferde, welche Sie von Mishigan bis Carolina finden! Natürlich ist die Zucht und der Ankauf derselben ganz mir überlassen.«

»Könnte ich nicht wenigstens die Pferde sehen,« flüsterte Atzerott seinem neuen Freunde zu, mit einem mißtrauischen Seitenblick auf Mr. Conover, der sich erhoben hatte und seitwärts am Fenster lehnte, »könnte ich nicht diejenigen Pferde sehen, die hierher geschickt sind zum Relais für den Präsidenten?«

»Ah, mit Vergnügen, wenn's Ihnen Spaß macht.«

Hier wandte sich Mr. Conover um. Sein freies Auge streifte Atzerott mit einem Blicke, der ihn bis in's Innerste seiner Seele zu durchdringen schien.

»Auch ich bin ein Pferdeliebhaber,« bemerkte er, »und würde es nicht Ungern sehen, wenn Sie mir erlaubten, Sie zu begleiten.«

»Verdammt!« murmelte Atzerott.

»Hindern kann und will ich Sie nicht daran,« entgegnete der Stallmeister: »aber verlangen Sie nicht, Sir, daß ich an Sie einige Worte näherer Auskunft richte, denn ich unterhalte mich nicht mit einem Rebellen.«

Atzerott flüsterte seinem Freunde Arnold einige leise Worte zu.

Dieser nickte und entfernte sich. Er begab sich hinauf in's Parlour und wechselte einige Worte mit Booth, worauf dieser, verdrießlich die Stirn runzelnd, murmelte:

»Fatal! sehr fatal! Man muß ein Mittel finden, den Störer zu entfernen!«

»Mein Freund Arnold sagt mir eben,« wandte er sich dann an die beiden andern Anwesenden, den Dr. Mudd und Robert Payne, »daß die Anwesenheit eines lästigen Fremden im Gastzimmer es Atzerott unmöglich mache, sein Vorhaben auszuführen Wollen wir zum Ziele kommen, so müssen wir uns diesen vom Leibe schaffen!«

»Hm,« brummte Mudd, »nach meiner Ansicht könnte das nicht schwer sein.«

»Sprechen Sie, Sir!«

»Nun, ich meine, man müßte den Fremden irre führen.«

»Wie soll das geschehen?«

»Man muß den Stallmeister bestechen!«

»O, das ist unmöglich!« fiel Arnold ein; »der Stallmeister ist ein so gewissenhafter Manu, daß eine Bestechung nichts fruchten würde. Die Bestechlichkeit ist seine schwache Seite nicht. Ich habe wohl daran gedacht, dies Mittel in Anwendung zu bringen; indessen, so weit ich ihn beurtheilen kann, besitzt er weiter keine Schwäche, als seinen Hochmuth.«

»Hochmuth?« warf Payne ein: »so müssen wir ihn von dieser Seite fassen! Lassen Sie ihn hinaufladen in das Parlour; wird ihm schmeicheln, und hier könnte man ihm möglicherweise einen Wink geben, den Fremden zu täuschen.«

Der Vorschlag fand Beifall, und Arnold wurde beauftragt, Mr. Mudd's Neger in's Gastzimmer zu schicken mit dem Befehl, dem Stallmeister die Karte des Dr. Mudd zu überreichen, und zu bestellen, daß dieser und seine Freunde um seine Gesellschaft bitten ließen.

Der Stallmeister richtete sich in seiner ganzen stattlichen Größe auf, als ihm diese Einladung überbracht ward. Ein Seitenblick in den Spiegel überzeugte ihn, daß seine Persönlichkeit ganz dem hohen Posten entspräche, den er nach seiner Meinung bekleidete, und zum Ueberfluß verlieh er seiner Miene so viel gravitätische Würde, als ihm nöthig schien, sich der Auszeichnung einer so noblen Gesellschaft würdig zu zeigen.

»Sie werden mich entschuldigen, meine Herren« sagte er zu Atzerott und Arnold, »allein einige Gentlemen im Parlour wünschen meine Bekanntschaft zu machen. Natürlich wird man von mir gehört haben, und ein Mann von meiner Stellung hat für einen guten Patrioten immerhin einiges Interesse, und ich folge darin ganz der Gewohnheit des Präsidenten, ich schlage einem Gentleman sein Gesuch nicht ab, welcher Verlangen hat meine Bekanntschaft zu machen. – Ich empfehle mich Ihnen!«

»Geh hinauf, und melde mich!« fügte er, zu dem Neger gewandt, hinzu.

Damit schwenkte er seine Mütze und schritt gravitätisch, als ob er Banko's Geist vorstellte, zur Thür hinaus. Seine Sporen klirrten; seine schweren Reiterstiefel dröhnten auf der Treppe, und nach wenigen Minuten saß er bereits im Parlour mit den drei Herren am Marmortische bei einer Flasche Sillery.

In seiner Aufgeblasenheit bemerkte er nicht, mit welchem Widerwillen Mr. Mudd seine Gesellschaft ertrug, und wie vielen Zwang dieser sich anthat, die Rolle eines Mannes zu spielen, der es sich zur Ehre schätzte, die Bekanntschaft einer so wichtigen Persönlichkeit zu mischen.

»Wir hörten,« sagte Mudd, »daß Sie im Gastzimmer sich in einer Gesellschaft von Leuten befänden, welche offenbar nicht für Sie passen.«

»Nun,« versetzte der Stallmeister, der noch einige dankbare Erinnerung wegen der geleerten Porter- und Sherryflaschen empfand, »ich will nicht gerade sagen, daß sie nicht für mich passen, und daß ich mein Lebtag nicht oft mit solchen Leuten umginge. Indessen ist es auch nicht das erste Mal, Gentlemen, daß ich mich in so vornehmer Gesellschaft befinde, wie in diesem Augenblicke. Ja, ich bin es meiner Stellung sogar schuldig, daß ich mich möglichst den besten Kreisen anschließe. – Was die Gesellschaft im Gastzimmer anbetrifft, so waren es honette Leute, mit Ausnahme jenes Kerls mit dem Galgengesicht, dem invaliden Rebellen-Soldaten, der mir seine Freundschaft mit aller Gewalt aufzudringen trachtete. Ich denke, ich habe meine Schuldigkeit gethan, als ich ihm sagte, daß ich seine Freundschaft nicht wünsche.«

»Das haben Sie recht gemacht,« lobte ihn Booth; »Sie hätten nur dem Kerl noch entschiedener entgegentreten müssen, als Sie es gethan haben.«

»Ha!« fügte der Stallmeister selbstzufrieden lächelnd hinzu, »als einer der Herren, der mit dem ...« er sann auf einen euphemistischen Ausdruck für Atzerett's rothes Haar und verfiel schließlich auf kastanienbraun, – »als der Kastanienbraune verlangte, die Pferde des Präsidenten zu sehen, da habe ich's jenem Andern so gut wie abgeschlagen.«

»Seht lobenswerth, in der That! Nur hätten wir es gerne gesehen, wenn Sie ihn sich nicht gerade zum Feinde gemacht hätten. Denn man kann nicht wissen, wie Ihnen ein solcher Mann, der, wie Sie sagen, ein Galgengesicht hat, schaden kann.«

»Halten Sie mich für furchtsam?«

»Das nicht, Herr Stallmeister; aber er könnte über Sie vielleicht das Gerücht verbreiten, daß Sie unhöflich wären, und Ihnen Mangel an Erziehung vorwerfen, da Sie ihm seine höfliche Bitte abschlugen.«

»Ja, zum Henker! sollte ich ihn denn im Stalle herumführen, als ob er ein guter Freund von mir wäre?«

»Das meine ich nicht,« erklärte Booth; »Sie hätten ihm meinetwegen zwei beliebige Pferde zeigen können und sagen: »»Das sind des Präsidenten Pferde.«« Natürlich nicht die richtigen; denn die anzusehen ist ein ehemaliger Rebellen-Soldat gar nicht werth. Inzwischen aber hätten Sie den beiden andern Herren, die sich in ihrer Gesellschaft befanden, bedeuten können: »»Gehen Sie da und da hin, und sehen Sie sich diese beiden Pferde an; das sind die richtigen!«« ... Die beiden Herren würden sich alsdann dort hinbegeben und die Pferde in Augenschein genommen haben, und der Fremde mit dem widerwärtigen Gesicht hätte den Genus; gehabt, zwei gewöhnliche Rosse anzustaunen, statt derer, welche bestimmt sind, vor den Wagen des Präsidenten gespannt zu werden.«

»Ja wahrhaftig, da habest Sie Recht, Sir!« stimmte der Stallknecht bei; »das hätte ich thun können. – Bei Gott, Sie haben Recht, der Kerl wäre im Stande, auszusprengen, daß es mir an guter Erziehung mangelt. Da habe ich einen Fehler begangen.«

Er überlegte einige Augenblicke.

»Halt!« rief er dann, »der Fehler ist noch gut zu machen! Ich werde Ihrem Rathe folgen; ich werde hinuntergehen und thun, was Sie mir angedeutet haben.«

Er zögerte um so weniger, diesen Entschluß sofort zur Ausführung zu bringen, da die Flasche Sillery bis auf das Glas, das er vor sich stehen hatte, geleert war.

Dies setzte er an die Lippen, trank es auf einen Zug aus, empfahl sich dann, indem er seinen Körper zu seiner sechsfüßigen Ansehnlichkeit empor richtete, mit einem graciösen Schwenken seiner Jockeymütze und donnerte mit seinen Reiterstiefeln wieder die Treppe hinab.«– –

»Sie haben verlangt, Sir,« wandte er sich, im Gastzimmer angelangt, ohne Umstände an Conover, »die Pferde des Präsidenten zu sehen. Ich bin bereit, Ihnen dieselben in zeigen, und bitte die beiden andern Gentlemen« – nähmlich Atzerott und Arnold – »mich zu begleiten.«

Zugleich winkte er Atzerott mit einem bedeutsamen Blick zu, welcher den Mißmuth und das Erstaunen desselben, das er bei dem plötzlichen Entschluß empfand, ein wenig beschwichtigte.

Der Stallmeister führte die drei Herren durch die Stall-Thür, vor welcher sie vorher seine Bekanntschaft gemacht hatten.

Es war ein geräumiger Stall, in welchem rechts und links Reihen von Pferden standen, welche theils den Gästen gehörten, die im Hotel logirten, theils dem Wirthe, theils Relais für die durchfahrenden Posten waren.

Gleich zu Anfang des Stalles standen zwei Schweißfüchse von edlem Geblüt. Als sie an diesen vorbeikamen, stieß der Stallmeister Atzerott heimlich an und flüsterte ihm zu:

»Das da sind die Pferde; ich sage es Ihnen; dem Schurken von Rebellensoldaten werde ich andere vorstellen.«

Er führte in der That die Herren bis an das andere Ende des Stalles, und deutete hier auf zwei ziemlich elende, krummbeinige Postpferde, welche aufgeschirrt dastanden und das Stroh zu ihren Füßen auflasen.

Conover hatte in der That kein Interesse daran, die Pferde zu besehen; ja, er machte vielleicht kaum die Bemerkung, daß diese Gäule mit den gerühmten Vollblut-Pferden des Präsidenten wenig Aehnlichkeit hatten. Ihm war es ja nur darum zu thun, durch seine Gegenwart den Schurkenstreich Atzerott's zu verhindern.

Atzerott und Arnold gaben sich den Anschein, als ob sie die beiden Pferde mit großem Interesse musterten.

Sie dehnten dies Interesse nach und nach auch auf die andern Pferde aus, gingen von einem zum andern, stellten Vergleiche an; Atzerott sprach über Hufe, Knochenbau, Hals, Mähne und Kopf der einzelnen Pferde, bis er die eine Reihe herunter an den Raum der beiden Schweißfüchse gekommen war.

Es konnte nicht auffallen, daß er auch hier seine Kenntniß der Pferde-Anatomie zum Besten gab und hier, wie bei den andern Pferden die Sehnen betastete, den Hals befühlte, sich an dem Kopf der Pferde zu schaffen machte, kurz, es eben so trieb, wie bei den andern Thieren.

Die beiden Schweißfüchse, welche sich die Manipulationen ruhig hatten gefallen lassen, prusteten laut und unruhig, als Atzerott sie verließ und seine Auslassungen über Güte, Brauchbarkeit, Schönheit und Werth bei den andern Pferden fortsetzte.

So kam er nach Durchmusterung der andern Reihe wieder zurück auf die beiden Postgäule, bei welchen Conover noch immer Schildwache stand. Dann schickten sie sich Alle an, den Stall zu verlassen, Conover mit dem beruhigenden Bewußtsein, daß den Pferden des Präsidenten nichts Schlimmen geschehen sei.

Wer jetzt die Seitentaschen Atzerott's durchsucht hätte, würde gefunden haben, daß die beiden Kugeln sich nicht mehr darin befanden. –

Eben, als sie den Stall verließen, ward die Hausglocke geläutet, und:

»Der Präsident! der Präsident!«

erscholl es von Mund zu Mund der Dienerschaft, vom Portier bis zum letzten Stallknecht hinab.

Natürlich erreichte die Kunde auch den Stallmeister und seine Begleiter. Sie stürzten hinaus auf das Portal, wo sie ankamen, als der Wagen des Präsidenten soeben die Rampe hinaufrollte.


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