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LXVII. Bruder Rollerius Stech an Magister Ortuin.

Mein andächtiges Gebet wünsche ich Euch, anstatt des Grußes. Ew. theologische Exzellenz weiß, daß ich wie ein Pilger vom Berge Sinai gekommen bin; doch das wisset Ihr nicht, wie viel ich in dieser Zeit gelitten habe, seit ich von Euch aus Köln geschieden bin. Es wäre zu weitläufig, Euch das alles zu schreiben; auch habe ich keinen anderen Freund mehr, dem ich meine Not klagen könnte, außer Euch. Sage ich etwas im Kloster, so erwidern sie mir gleich: »O, du bist nicht deshalb ein Klosterbruder, um ein gutes Leben zu haben.« So sind die Gottlosen nicht, so nicht. Ich kann nicht ergründen, woher das kommt, wenn nicht von jenem Unschick, daß unser Magister Jakob van Hoogstraten so große Geldsummen in der römischen Kurie ausgibt wegen des christlichen Glaubens, welchen jener nichtsnutzige Johannes Reuchlin in seinem »Augenspiegel« zugrunde gerichtet hat. Ich glaube, daß alle unsere Klöster ihm Geld schicken müssen, denn er muß da und dort freigebig sein mit Geschenken an die Kardinäle, daß sie ihr Urteil zu seinen, und nicht zu Johan nes Reuchlins Gunsten abgeben. Daher verkürzen uns unsere Oberen am Weine, obgleich Salomon sagt: »Saitenspiel, Weiber und Wein erfreuen des Menschen Herz, Sprüche im ersten Kapitel Vers 12. Ich übe mich immer in der Musik, mit Psalmen im Chor singen und herausgurgeln; und das ist nichts seltenes, also auch nicht von Wert. Von den Weibern zu sprechen, kommt mich schwer an, denn ich sehe keine, außer, wann ich mit unserem Küchenmeister wenn er Eier einkauft, auf den Markt gehe. Auch wann ich auf die Dörfer hinausgehe, um Rüben und Gemüse einzusammeln; und wenn mich, wann ich bei einer Frau hin, das Fleisch überwältigte, so würde sie mir nicht halten. Wenn uns daher jetzt auch noch am Weine abgebrochen wird: welche Freude haben wir dann noch? Hätten wir es nur halb so gut, wie die anderen Orden., wie die Priester, welche beim heiligen Geist Prozeß mit uns getan haben! Ich glaube, Ihr wisset wohl, was dem Orden zusteht: sie haben ein doppeltes weißes Kreuz auf dem Habit und sie sind nicht so stark geschoren, wie wir; und wenn man ihnen eine Freude nimmt, z. B. wenn ihnen wegen einer Übertretung Abbruch am Weine getan wird, dann haben sie eine andere Freude: sie können sich nämlich Huren anschaffen lassen durch ihren Holzspälter, den lahmen Johann: er kriecht auch an den Händen und Knieen daher. Ihr könntet einwenden: »Dieses Hurenleben ist denen vom Heiligen Geist nicht erlaubt«. Ich erwidere: ich hätte für gewiß gehört, daß ihr Herr Magister – obwohl er alt, lahm, grau und triefäugig, gleichwohl auf die Sache versessen, aber nicht immer potent ist – sich eine eigene in seiner Stube zu halten pflege, und wann er sie ganz versaut hat, ihr für einen Mann besorgt sei und diesem ein stattliches Heiratgut aus dem Schatze des Heiligen Geistes gebe, der nie weniger wird, weil daselbst die lautere Gnade des Heiligen Geistes waltet. Sodann schaffe er sich eine andere Magd an, und mache es ihr auf die eben beschriebene Weise: und so nehme dieser Orden an einer Menge Menschen ganz im geheimen zu. Jetzt will ich ein Sprichwort anführen, das in aller Leute Mund ist: »Wenn der Abt, d. h. der oberste Vater, die Würfel legt, dann können die Brüder spielen«. Das will so viel heißen, als: wenn unsere alten Prälaten so wollüstig sind und ein solch heilloses Leben verführen so können wir Untergebene ihnen ungehindert folgen. Das ist die richtige Folgerung: denn ich habe aus dem Traktat »De suppositionibus« ersehen, daß der dort zu lesen ist. »Praelatus supponit personaliter«, allein nach Marsilius »supponit inferius materialiter«. Jetzt zur Hauptsache. Es wäre mir lieb, daß unser Magister Jakob van Hoogstraten, wenn es ihm in Rom nicht gelingt, dem Johannes Reuchlin etwas abzugewinnen, uns eine mildere Ordensregel erwirkte, wie jene obgenannte. Denn das Fleisch stachelt uns doch auch zuweilen; ich weiß, daß ich nur ganz kurz am Leben bleiben würde, wenn ich nicht den alten Sauerteig wegschaffen dürfte, den ich von jenen Käsen in mich hinein bekommen habe. Verzeihet mir, daß ich so zutraulich mit Euch spreche, nämlich so, wie es mir gerade um's Herz ist. Ich fürchte immer, jene Sache werde ein schlimmes Ende nehmen, wie die Berner Angelegenheit. Ihr habt mich wohl verstanden. Unser Herr Magister Johannes Eimerich läßt Euch viele Grüße melden: erist zum gefeierten Manne geworden, denn er ist unser Prediger; jedermann lobt ihn; er ist so trefflich in der Veranschaulichung von Beispielen. Im Jahr des Herrn 1516 predigte er über die Passion; da nahm er einen Stecken mit sich auf die Kanzel, und als er den Spruch des Pilatus vortrug, da zog er diesen Stecken unter seinem Habit hervor, und brach ihn in der Mitte entzwei, wie ein Scepter. Das war kläglich anzusehen: die alten Weiber heulten so bitterlich, wie Petrus, als er den Hahn beim Feuer krähen hörte. Lebet wohl, und empfehlet mich unserem Magister, wann er aus Rom zurückkommt.


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