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XVIII. Bruder Simon Wurst, der heiligen Theologie Doktor, grüßt den Magister Ortuin Gratius

Seit die Verteidigung Johann Pfefferkorns »gegen die Verleumdungen etc.« hier angekommen ist, welche derselbe lateinisch verfaßt hat, hatten wir immer jeden Tag etwas Neues, der eine spricht so, ein anderer anders; der eine ist für ihn, ein anderer für Reuchlin; der eine verteidigt, ein anderer beschuldigt ihn; es ist ein arger Kampf, und sie wollen einander prügeln. Wenn ich Euch alle Fehden, welche über dieses Buch entstanden sind, berichten sollte, so würde der Zeitraum einer Olympiade nicht hinreichen, doch will ich im Vorbeigehen einiges wenige sagen. Die meisten, und insgeheim die weltlichen Magister, die Presbyter und Brüder aus dem Minoritenorden, behaupten geradezu, Pfefferkorn könne unmöglich der Verfasser jenes Buches sein, indem er nie ein Wort Latein gelernt habe. Ich entgegnete, dieser Einwurf gelte nichts, wenn schon er selbst große Männer bis auf diesen Tag getroffen habe, aber mit Unrecht; denn Johannes Pfefferkorn, der Federrohr und Tinte mit sich führt, könne das aufzeichnen, was er höre, sei es in öffentlichen Vorträgen, sei es in Versammlungen, oder wann die Studenten und Brüder aus dem Predigerorden in sein Haus kommen, oder wann er ins Bad geht. Heiliger Gott, wie viele Predigten hat er nur innerhalb zwölf Jahren gehört! Wie viele Ermahnungen! wie viele Aussprüche der heiligen Väter! Diese konnte er entweder sich selbst ins Gedächtnis einprägen, oder er konnte sie seiner Frau mitteilen, oder an die Wand schreiben, oder in sein Notizbuch eintragen. Ebenso habe ich kürzlich gesagt, Johannes Pfefferkorn sage von sich – jedoch ohne Prahlerei – daß er alles, was in der Bibel, oder in den heiligen Evangelien enthalten sei, von sich aus zu jedem Thema, es sei gut oder schlimm, jüdisch oder deutsch, anführen könne; auch weiß er alle Evangelien, welche das ganzeJahr hindurch erklärt werden, auswendig, und kann sie am Finger hersagen, was jenej Juristen und Poeten nicht können; auch hat er einen Sohn, namens Lorenz, einen wirklich talentvollen Jüngling, der vor lauter studieren ganz bleich ist; indes wundere ich mich, daß er ihn bei –jenen teufelischen Poeten studieren läßt. Dieser sammelt für seinen Vater die Sentenzen der Redner und Dichter, sowohl aus seinem eigenen, als aus seiner Lehrer Munde, für jede Materie und jedes Thema, und weiß auch den Hugo anzuführen. Auch versteht Johannes Pfefferkorn vieles mittelst dieses talentvollen Jünglings, so daß ihm das, was er als Nichtgelehrter nicht selbst machen kann, sein Sohn ausarbeitet. Wehe daher über alle die, welche das falsche Gerücht herumgetragen haben, er habe seine Bücher nicht selbst verfaßt, sondern die Doktoren und Magister in Köln seien deren Verfasser. Erröten und in Ewigkeit darüber seufzen möge auch Johannes Reuchlin, der sogar gesagt hat, Johannes Pfefferkorn habe seinen »Handspiegel« nicht selbst verfaßt, worüber sich oft ein Streit unter den Gelehrten erhoben hat, weil drei Männer ihm die Belege geliefert haben, welche er daselbst angeführt hat. Auf dies sagte einer: »Wer sind die Männer?« Ich erwiderte: »Das weiß ich nicht; indessen glaube ich, daß es jene drei Männer sind, welche dem Abraham erschienen sind, wie im 1. Buch Mosis zu lesen ist.« Und als ich so gesprochen hatte, lachten sie mich aus und gingen mit mir um, wie mit einem Abcschützen. Ich wollte, der Teufel schlüge sie mit der Schwertschlacht, wie geschrieben steht im Buche Hiob, welches wir jetzt in unserm Kloster bei Tische lesen. Sagt doch dem Johannes Pfefferkorn, er möge Geduld haben, denn ich hoffe, Gott werde einmal ein Wunder tun, und grüßet ihn in meinem Namen. Auch müßt Ihr mir seine Frau grüßen, wie Ihr wohl wißt, aber heimlich. Lebet wohl!

Gegeben in aller Eile, und ohne viel Nachdenken, zu Antwerpen.


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