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XXVII. Magister Wilhelm Storch entbeut dem Magister Ortuin Gratius zahlreiche Grüße.

Wie kommt es, daß Ihr nur oft und viel von Euch schreibet und mir doch nicht einmal jenes Buch zum Präsent machet, das Ihr gegen Johannes Reuchlin verfaßt habt? Auch schreibet Ihr mir, es sei ein guter Gedanke von Euch gewesen, dieses Buch verfaßt zu haben, und Ihr glaubet, ein derartiges Buch werde sehr interessant sein, sodaß ein Verleger Euch zwanzig Gulden geben wollte, wenn Ihr es zum Drucke überlasset; ebenso schreibet Ihr mir, Ihr wolltet mir eine Abschrift davon senden, um sie hier den Hofleuten und Kanzlisten zu zeigen; und es ist das eine Qual für sie, weil sie nicht glauben wollen, daß es in Deutschland ebenso gute Schriftsteller gibt, wie in Italien. Darum wäre es gut, wenn Ihr mir dasselbe schicktet. Allein Ihr tut es nicht, und schreibet mir doch immer, Ihr wollet es tun. Ich bitte Euch, Ihr wollet mir dieses Schriftstück oder Buch senden, denn ich will hier einige Kanzlisten damit kujonieren, welche glauben, außer ihnen wisse niemand etwas. Auch tadeln sie hier meine Gedichte, wann ich deren mache, und sagen, sie seien nicht gut abgefaßt. Sehet doch, ob es wahr ist; ich sende Euch nämlich beiliegend eines, welches ich kürzlich bei der Ankunft unsers Magisters Hoogstraten verfaßt und zu Ehren dieses Doktors bei dem Pasquino niedergelegt habe, denn er ist ein ganz ausgezeichneter Mann und verteidigt den katholischen Glauben gegen viele Ketzer. Das Gedichte lautet so:

Gedicht von Magister Wilhelm Storch aus Deventer welches er verfaßt hat bei dem feierlichen Einzuge des hochwürdigen Pater Jakob van Hoogstraten aus dem Predigerorden, unsers Magisters und Inquisitors der ketzerischen Verkehrtheit.

Kund und zu wissen tu' ich allen, jung und alt,
Wie unserer Magister einer, welcher tief
Gelehrt ist und sich Jakob van Hoogstraten nennt,
In dieser Stadt ist und in hohen Ehren steht.
Er kam aus Deutschlands Gauen, wo als Käsemönch
Gar viel von dieser War' er eingesammelt hat;
Und endlich ward auf einer Universität
Er graduiert als ausgemachter Theolog,
Weil er daselbst mit vielem Scharfsinn disputiert
Und viele Syllogismen formuliert hat,
Sodaß sich alle Welt darob verwunderte.
Als das die Theologen sahen, welche dort
Voll Glaubenseifers sind, ernannten sie den Mann
Zum Untersuchungsrichter gegen Ketzerei.
Man könnte fragen: »Was hat solcher hier zu tun?«
Vernehmt es mit Aufmerksamkeit, gern sag' ich's Euch:
In Deutschland ist ein Doktor der Juristerei
– Johannes Reuchlin heißt er – dieser wird zitiert
Von unserem Magister vor die Kurie
Nach Rom, weil über einen Gegenstand er schrieb,
Der gar nicht theologisch, sondern ketz'risch ist
Und viele skandalöse Glaubenssatz' enthält.
Auch muß Euch wohl bekannt sein, daß erwähntes Buch
Den Juden günstig und deshalb verdächtig ist:
Es ward daher, nachdem der Inquisitor es
Geprüft, zum Feu'r verdammt, und sein Verfasser selbst
Zum Widerrufe vorgeladen. Wisset auch,
Daß jenes Buch den Titel »Augenspiegel« führt.
Der Inquisitor aber kam zur Kurie
Nach Rom, um hier die Sache zu bereinigen,
Weil ihm die Theologen keine Ruh' gegönnt,
Bis daß er hierher ging und Reuchlins Untergang
Bewirkte. Deshalb müßt Ihr ihn verehren und
Voll Achtung grüßen, wann er in den Weg Euch tritt,
Denn er ist Meister in der Disputation,
Und in der Logik gleichen ihm nur wenige.

Sie sagen, es sei, was die Versfüße betrifft, nicht richtig abgefaßt oder zusammengefügt, ich aber entgegnete: »Was kümmere ich mich um die Füße: bin ich ja doch kein weltlicher, sondern ein theologischer Poet, und nehme ganz und gar keine Rücksicht auf solch knabenhafte Dinge, sondern habe nur den Sinn im Auge.« Darum, Herr Ortuin, müßt Ihr mir jedenfalls auf diesen Aufsatz Antwort erteilen und den Brief in die Bank legen. Auch will ich Euch als Neuigkeit schreiben, daß gewisse Leute, welche man Hispanier nennt, nach der Lombardei gehen und sagen, der Kaiser wolle den König von Frankreich vertreiben, was für unsern Magister van Hoogstraten nicht gut wäre, weil er durch den König von Frankreich sein Geschäft bei dem heiligen Vater betreibt und der allerchristliche König angelegentlichst für ihn bittet zur Ehre der Pariser Universität, für die es eine Schmach wäre, wenn der »Augenspiegel« nicht verbrannt würde. Aber nun weiß ich nichts mehr. Lebet wohl in Freuden.

Gegeben zu Rom.


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