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XXIII. Magister Berthold Häckerling an Magister Ortuin Gratius.

Brüderliche Liebe anstatt des Grußes, verehrter Mann! Da ich bei Euch hinterlassen habe, daß ich Euch über alles einzelne Nachricht geben und schreiben wolle, wie es mit mir steht, so sollt Ihr wissen, daß ich jetzt schon seit zwei Monaten in der Stadt Rom bin und noch keinen Patron habe bekommen können. Ein Beisitzer der Rota wollte sich meiner annehmen; da war ich ganz vergnügt und sagte: »Es ist gut, Herr, aber Eure Magnifizenz wolle mir sagen, was ich zu tun habe.« Er erwiderte, ich müsse Stalldienst tun und ein Maultier im Stande halten, ihm zu fressen und zu saufen geben, es striegeln und putzen, und es, wenn er ausreiten wolle, in Bereitschaft setzen; es müsse Zaum, Sattel und alles haben. Und dann müsse ich neben her laufen zur Gerichtsversammlung und wieder zurück nach Hause. Ich sagte ihm, das sei nichts für mich, ich sei Magister der freien Künste in Köln und könne dergleichen nicht tun. Er entgegnete: »Wenn Du es nicht tun willst, ist es Dein eigener Schaden.« Und so glaube ich denn, daß ich wieder in die Heimat zurückgehen will. Ich sollte ein Maultier striegeln und einen Stall ausmisten; Da wollte ich doch lieber, der Teufel holte das Maultier samt dem Stall! Auch glaube ich, es wäre das gegen die Statuten unserer Universität: denn ein Magister muß sich verhalten wie ein Magister. Und dann wäre es ein großer Schimpf für die Universität, wenn ein Kölner Magister solches täte. Ich will, der Ehre der Universität wegen, ins Vaterland zurückkehren. Auch sonst gefällt es mir zu Rom nicht, denn die Leute in der Kanzlei und bei Hofe sind so stolz, daß Ihr es gar nicht glaubet: Einer sagte gestern zu mir, er scheiße auf einen Kölner Magister. Dem antwortete ich, er solle an den Galgen gen scheißen. Dann sagte er, er sei auch Magister, nämlich von der Kurie, und ein Magister von der Kurie stehe hoch über einem Magister der freien Künste aus Deutschland. Ich entgegnete: »Unmöglich!« und sagte noch: »Du wolltest eben so gut sein, wie ich, da ihr doch kein Examen bestanden habt, wie ich, wo fünf Magister mich streng geprüft haben? und somit bist du nur ein Magister mit dem Maul.« Hierauf begann er einen Wortstreit mit mir und sagte: »Was ist ein Magister?« Ich erwiderte: »Eine als tüchtig befundene, promovierte und in den sieben freien Künsten graduierte Person, nachdem sie zuvor die Magister-Prüfung bestanden, welche das Recht besitzt, einen goldenen Ring und einen seidenen Streif am Mantel zu tragen, die sich zu ihren Schülern verhält, wie ein König zu seinem Volke. Auch sagt man Magister in vier Beziehungen: in einer Beziehung von magis und ter, weil ein Magister dreimal mehr wissen muß, als eine gewöhnliche Person. In der zweiten von magis und terreo, weil ein Magister Schrecken erregen muß, wenn seine Schüler ihn erblicken. In der dritten von magis und theron, d. h. Stellung, weil der Magister in seiner Stellung höher sein muß, als seine Schüler. In der vierten von magis und sedere, weil der Magister weit höher sitzen muß, als irgend einer seiner Schüler.« Nun fragte er: »Wer ist der Gewährsmann?« Ich erwiderte, ich hätte es im Vademekum gelesen. Sogleich wollte er das Buch tadeln und sagte, das sei keine zuverlässige Quelle. Ich entgegnete: »Du willst jene Alten tadeln, und doch weißt du es nicht besser? Ich habe noch niemanden in Köln dieses Buch tadeln gesehen. Schämst du dich nicht?« Und mit großem Unwillen schied ich von ihm. Und noch möchte ich Euch zu merken geben, daß ich darum im Sinne habe, nach Deutschland zurückzukehren, weil dort die Magister Herren sind, und das mit Recht. Ich beweise das mit dem Evangelium, weil auch Christus sich Meister (magister) und nicht Doktor genannt hat, indem er sagte: »Ihr heißer mich Meister und Herr, und tut recht daran, denn ich bin's auch.« Doch, ich kann nicht mehr schreiben, weil ich für jetzt kein Papier mehr habe, und es ist weit nach Campofiore. Lebet wohl!

Gegeben in der römischen Kurie.


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