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VII. Bruder Albert Radler an Magister Ortuin Gratius.

Verehrter Mann! Neulich gelangte ein Schreiben von Ew. Herrlichkeit hierher, welches für mich bestimmt war. Ich habe es voll Vergnügen eröffnet, weil ich Euer Siegel erkannte; ich las es und ersehe daraus, daß Ew. Herrlichkeit zu wissen wünscht, wie doch die Leute hier von dem Prozeß in Sachen des Glaubens zwischen euch Theologen und Johannes Reuchlin reden. Ich will es Euch schreiben, allein Ihr müßt es mir nicht übelnehmen, denn sie sind nicht auf Eurer Seite. Sie sagen alle, die Theologen machten es dem Reuchlin, wie die Schriftgelehrten und Pharisäer es Christo gemacht hätten und er sei immer ein rechtschaffener Mann gewesen und im Rate zweier Kaiser gesessen. Auch sei seine Rechtskenntnis vielen Staaten und Fürsten zu Gute gekommen: alle erfanden ihn als rechtschaffen und treu. Auch seien die Theologen ihm nur wegen seines Ruhmes neidig und hätten ihn auf krummen Wegen und durch nichtiges Vorbringen für einen Ketzer erklären wollen. Wenn ich solche Dinge höre, so halte ich Widerpart; allein Ihr wißt wohl: viele Hunde überbellen einen einzigen. Neulich sagten zwei aus Köln angekommene Magister, von denen der eine dazu noch ein Adeliger ist, daß alle, welche gegen Reuchlin tätig sind, Bastarde, oder Hundsfötter, oder Windbeutel seien: das brachte mich ganz außer Fassung; allein einer von ihnen behauptete keck, so daß alle Umstehenden es hörten: »Meine Herrn, damit Ihr einsehet, wie es sich mit jener Sache gegen Johannes Reuchlin verhält, jene Sache hat ihren Ursprung in Johannes Pfefferkorn, der in Wirklichkeit und dem Namen nach und in allen Beziehungen dem Johannes Pfefferkorn gleicht, der hier mit glühenden Zangen zerfleischt wurde: er ist auch ein getaufter Jude und hat ebenfalls wegen Schlechtigkeiten, die er verübt, seinen Glauben verlassen. Und wenn er hier im Turme sitzen und der Schinder ihn fragen sollte, was er getan habe, so müßte er nicht weniger eingestehen, als jener andere. Er hat die Theologen zu Köln aufgehetzt, und diese haben auch ihn aufgehetzt, und sie wollten die Bücher der Juden in ganz Deutschland verbrennen. Und das haben sie deshalb getan, daß die Juden sich an die Theologen und den obgenannten Pfefferkorn mit vielem Gelde wenden und ganz in der Stille sagen sollten: »Gebet mir meine Bücher frei, hier habt Ihr vierzig Goldgulden.« Auch hätten einige Juden gerne hundert, andere tausend gegeben. Da kam Reuchlin und verhinderte jenes Vorhaben; nun sind sie erzürnt über ihn, schreiben Bücher und wollen ihn blamieren, indem sie sagen, er sei ein Ketzer. Auch schreiben sie einige Bücher lateinisch und setzen den Namen des Johannes Pfefferkorn auf den Titel, während er doch keinen Buchstaben Latein versteht. Das tun sie aber deshalb, weil sie wissen, daß ihm niemand antworten wird, weil niemand mit diesem Missetäter sich beschmutzen will. Ihr werdet daher einsehen, daß, wenn sie wahre Theologen und rechtschaffene Männer wären, sie das, was sie tun, selbst tun und sich nicht hinter jenem Windbeutel verstecken und verbergen würden. Sie haben auch noch andere Bücher verfaßt, deren einige den Namen Arnolds von Tongern auf dem Titel tragen, der als Fälscher erfunden worden ist, so daß niemand leugnen und niemand ihn entschuldigen kann, daß er ein Fälscher sei, weil durch ganz Deutschland offenkundig ist, daß er die Schriften des Johannes Reuchlin gefälscht hat. Ein anderer Schriftsteller der Theologen ist Magister Ortuin, der Sohn eines Priesters, der auch ein Kebser und schon über Ehebruch ertappt worden ist. Dann haben sie noch einen andern, den Doktor Weigand Wirth aus dem Predigerorden, der gleichfalls verrufen ist. Dieser hat ein Buch verfaßt, die allerseligste Jungfrau sei in der Erbsünde empfangen, und er hatte großen Aufruhr mit seinen Predigten erregt. Darum wurde er auch gezwungen, seine Worte und Schriften zu Heidelberg öffentlich zu widerrufen, was ich selbst gehört und gesehen habe. So seid Ihr nun in der Lage zu wissen, welcher Art die Feinde des Johannes Reuchlin sind.« Als ich derlei Dinge gehört hatte, da sagte ich: »Mein Herr, Ihr müßt derlei nicht vor dem Volke sagen, selbst wenn es wahr wäre, weil dadurch der ganze Orden blamiert wird und die Leute ein böses Beispiel bekommen.« Er entgegnete: »Auch Ihr hättet nicht so gegen Reuchlin verfahren sollen, den Ihr ebenfalls habt blamieren wollen daher kann er sich nicht anders rechtfertigen, als wenn auch Ihr blamiert werdet.« Bei Gott, Magister Ortuin, ich wollte, diese Sache wäre zu Ende, denn sie bringt uns in viele Verlegenheiten: die Leute wollen uns keine Almosen mehr geben; ich lief in der vorigen Woche nach Käsen herum, und brachte in zehn Tagen nicht mehr als fünfzehn zusammen. Überall hieß es: »Geh' zu Johannes Reuchlin und sag' ihm, er solle die Käse geben.« Gott der Herr beschere ein gutes Ende! Und so lebet denn wohl im Herrn!

Gegeben zu Halle in Sachsen.


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