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LIV. Wilhelm Brikot an Magister Ortuin Gratius.

Da Ihr immer verlanget, ich solle Euch Neuigkeiten schreiben, und ich Euch ja doch oft schreibe, es aber nichts hilft: so will ich Euch abermal schreiben, und glaube, das wird genügen. Es ist mir in einem Briefe aus der Römischen Kurie zugekommen, Matthäus Finck, Euer ganz besonderer Gönner, sei gestorben, und einige bei der Kurie Angestellte, Landsleute von ihm, haben mich gebeten, daß ich eine Grabschrift auf ihn verfassen möchte. Dies habe ich in folgendem getan:

Hier liegt entseelet Finck, der einst Ehrwürdige,
Im roten Kleide: bitte Gott, den Herrn, für ihn.
Sein Magen liebte sehr den Wein aus Korsika;
Den Glauben hat er rein, die Liebe treu bewahrt.

Um eins bitte ich Euch: Ihr wollet mich doch belehren, wie ich es zu verstehen habe, daß die Pariser bei Abgabe ihres Spruches über den »Augenspiegel« die Worte beisetzen: »Doch abgesehen von einer Rüge des Verfassers selbst, den wir wegen seiner demütigen Unterwerfung und anderer seiner lobenswerten Schriften für katholisch halten«. Ich weiß nämlich nicht, was das heißt, daß der »Augenspiegel«, als ein ketzerisches Buch, verbrannt werden soll, ohne Beschimpfung des Johannes Reuchlin, der ihn verfaßt hat und jetzt noch verteidigt. Es scheint mir doch, der Verfertiger von Etwas, welcher die wirkende Ursache ist, müsse mehr Schuld tragen, als der von ihm verfertigte Gegenstand. Auch wollte ich, die Löwener hätten in dem Briefe an den Papst nicht geschrieben, der Spruch der Pariser und die Verdammung des »Augenspiegels« habe ihnen viel geistiges Vergnügen gewährt; denn der heilige Vater Papst wird denken: »Ei, nun sehe ich, daß es bloß der reine Neid bei den Theologen ist: denn, wären sie Theologen, ja, wären sie Christen, so müßten sie vielmehr Mitleid haben mit dem Mißgeschick eines Christen, als sich freuen und jauchzen«. Und glaubet mir, es wird die Sache des Johannes Reuchlin sehr fördern, und jedermann wird glauben, daß man ihm nur aus Neid so zu Leibe geht, was doch in Wahrheit nie ist gefunden worden. Denn dieser unser Gegner, oft vielmehr Freund in Christo, und seine Reuchlinisten, d. h. Söhne des Reuchlin, haben den Johannes Pfefferkorn beleidigt, der sich verteidigt und die Wahrheit geschrieben hat. Er selbst bittet ja: sterben tolle er, wenn er nur die geringste Unwahrheit geschrieben habe, obgleich der Psalmist sagt: »Alle Menschen sind Lügner«. Auch darf das kein Hindernis abgeben, daß Johannes Pfefferkorn leider! – in Schelmereien und Verbrechen von seinem Kindsalter an – wie er selbst in seiner »Verteidigung gegen die Verleumdungen« schreibt – eingeübt war. Denn mag auch einer lange Zeit hindurch schlecht und liederlich sein, so kann er doch wohl wieder rechtschaffen werden: dies von Johannes Pfefferkorn zu glauben, ist Pflicht, der wiedergeboren ist durch die Gnade des heiligen Geistes mittelst der Taufe; und nunmehr ist er rechtschaffen, wie ich nicht zweifle, und er wird ein Christ bleiben bis zum Ende der Tage. Auch habe ich erfahren, daß ein Gewisser Euch überall verlästert hat, indem er sagte, Ihr wäret der Sohn eines Priesters und nicht in rechtmäßiger Ehe geboren. Ich entsetze mich über solche Lotterbuben, die gar keine Scheu haben und so verwegen sind. Ihr habt ja doch Briefe über Eure rechtmäßige Herkunft. Ich möchte die Bursche vor Gericht laden, welche solche Reden führen. Auch bitte ich Euch, in dem Glaubensstreite den größten Eifer anzuwenden, daß jener Ketzer an den Galgen marschiere. Und so lebet denn wohl!

Gegeben zu Worms.


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