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XXXV. Magister Wilhelm Lamp grüßt den Magister Ortuin Gratius.

Ausgezeichneter und hochberühmter Mann, Ehrerbietung, wie ich sie Euch, der mich zur Promotion gebracht, schuldig hin. Ihr habt mir geschrieben, wasmaßen mein schriftlicher Bericht, den ich Euch über meine Reise an die Kurie aufgesetzt habe, Euch übergeben worden sei. Auch schreibet Ihr, Ihr könnet daraus ersehen daß ich Euch in hohem Grade liebe. Und mit Recht schreibet Ihr so, denn es ist wahr: Ihr lieget mir ja im Herzen, und ich liebe Euch herzlich. Aber Ihr schreibet mir auch, ich solle Euch mitteilen und genau angeben, wie es mir gegenwärtig ergehe. So wisset denn, ich bin bei einem Notar der Rota, habe den Tisch herzurichten, auf den Markt zu gehen, um Gemüse, Bohnen, Brot, Fleisch u. dgl. einzukaufen und das Haus in Ordnung zu richten, damit, wann der Herr mit seinen Tischgenossen aus der Sitzung kommt, alles in Bereitschaft ist. Und daneben studiere ich auch. Auch hat mir mein Herr unlängst gesagt, wenn ich mit Gottes Hilfe ein Jahr oder zwei bei ihm bleibe, so wolle er mir zu einem Benefizium beförderlich sein, wie er schon früher vielen dazu verholfen habe. Und das ist wohl zu glauben, denn er hat mich sehr lieb. Besonders neulich, als er sah, daß ich Poet sei, da sagte er, er wolle mich immer noch lieber haben; und es ist auch so geschehen. Da ist einer von den Tischgenossen, der Poet in jener neuen Gattung ist und bei Tische immer von Poetik spricht; er tadelt jene alten Väter und Grammatiker bitter: den Alexander, den Gräcisten, die Verba deponentalia, den Remigius und andere. Und unlängst sagte er, wenn einer wolle gute Gedichte machen lernen, so müsse er den Dioinedes kennen, und redete viel von diesem Diomedes. Ich erwiderte: »Wundern muß ich mich, wie Ihr doch über jene neue Grammatiker geraten seid, und habt doch alles, was zur Metrik gehört, im III. Teil Alexanders von den Versfüßen, der Quantität der Silben und der Skandierkunst. Und dazu war jener Diomedes kein guter Christ, denn ich habe einmal gelesen, er habe Pferde gehabt, welche Menschenfleisch fraßen, und er selbst habe ihneu Menschen zu fressen gegeben.« Da lachte jener Mann der Kurie laut auf und spottete mich aus; und hierauf sagte er, ich solle ihm sagen, wie Abakuk die erste Silbe habe ? Ich antwortete: »Ich mache einen Unterschied, denn als Eigenname hat es die erste indifferent, nach Alexander: »Daß die Quantität der Eigennamen beliebig bestimmt werde, habe ich vielfach angemerkt«; fragt es sich dagegen, wie es die erste Silbe habe, wenn man die Natur der Gattungsnamen berücksichtigt, dann hat es die erste kurz, nach Alexander, welcher sagt: »A vor b in den ersten Silben ist, unter zu machenden Ausnahmen, kurz.« Auf das lachte er mich noch weit mehr aus und sagte: »Gehe nach Köln, mache das mit deinem Alexander zusammen aus, der ein Pariser Esel war, wie es jetzt noch mehrere gibt.« Und so lästerte er über diesen guten Alexander noch viel, und entfernte sich dann. Ich aber sagte: »Morgen sollt Ihr sehen Und am andern Morgen brachte ich ein Gedicht, das ich in der Nacht zum Lob Alexanders gemacht hatte und wovon ich Euch ein Exemplar schicke. Als mein Herr dieses Gedicht sah, lobte er mich mit den Worten: »Dieser Geselle ist für mich,« und sagte: »O Wilhelm, verstehst du so Verse zu machen? Das habe ich nicht gewußt, und deshalb werde ich dich in Zukunft noch mehr lieben.« Und so hoffe ich denn, daß ich eine gute Stellung haben werde, und wenn Gott der Herr will, daß ich etwas erlange, dann will ich mich wieder in die dortige Gegend begeben, um Priester zu werden. Lebet wohl für alle Zeit! Gegeben bei der römischen Kurie.

Epigrammatische Dichtung, verfaßt von Wilhelm Lamp aus Köln, Magister der sieben freien Künste, zum Lobe des Alexander Gallus.

Wer von Grammatik Kenntnis sich erwerben will,
Studiere Alexanders Lehrbuch erst, das vier
Der Teil' enthält und viele gute Künste lehrt.
Es bietet Milch und Honig unsrer Jugend dar,
Wie aus der Kölner Glosse zu ersehen ist;
Besonders über Metrik nimm den dritten Teil
Zur Hand: daraus wirst du, was an der Kunst dir fehlt,
Erlernen, wie auch ich daraus gar viel gelernt.


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