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LIII. Johannes Schluntzig an Magister Ortuin Gratius.

Ihr habt mir neulich einen sehr vorwurfsvollen Brief geschrieben, worin Ihr mich beschuldigt, daß ich Euch keine Nachricht gebe, wie es um den Glaubensstreit des Johannes Reuchlin stehe. Als ich diesen Brief las, wurde ich sehr unwillig und sagte: »Warum schreibt er mir so, da ich ihm schon zwei Briefe geschrieben habe, und es noch kein halbes Jahr her ist? Aber die Boten haben sie ihm eben nicht überliefert, was kann ich machen?« Auch dürft Ihr mir fest glauben, daß ich Euch genau und Punkt für Punkt alles geschrieben habe, was ich wußte. Allein es ist wohl möglich, daß die Boten es Euch nicht zugestellt haben. Namentlich habe ich Euch geschrieben, daß, als ich von Florenz nach Rom ritt, ich auf dem Wege den hochwürdigen Pater Jakob van Hoogstraten, unsern Magister und Inquisitor der ketzerischen Verkehrtheit, getroffen habe, der aus Florenz kam, wo er einiges in Eurer Angelegenheit durch den König von Frankreich erwirkt hatte. Da zog ich meinen Hut ab und sagte: »Hochwürdiger Vater, seid Ihr's, oder seid Ihr's nicht?« Er erwiderte: »Ich bin der, der ich bin«. Drauf sagte ich: »Ihr seid mein Herr, unser Magister Jakob van Hoogstraten, Inquisitor der ketzerischen Verkehrtheit«. Er antwortete: »Allerdings bin ich der«. Da gab ich ihm die Hand mit den Worten: »O Gott! wie kommt es, daß Ihr zu Fuß gehet? Es ist eine Schmach, daß ein solcher Mann mit seinen Füßen durch Schmutz und Kot waren muß«. Er entgegnete: »Die zu Wagen, und die zu Roß, wir aber kommen im Namen des Herrn«. Ich sagte zu ihm: »Aber jetzt regnet es stark und ist sehr kalt«. Da erhob er seine Hände zum Himmel und sprach: »Träufelt, ihr Himmel, von oben, und die Wolken regnen die Gerechtigkeit!« Ich aber dachte bei mir: »0 Gott, ist es nicht ein großes Elend, daß solch einer unserer Magister solch Unglück haben soll? Vor zwei Jahren sah ich ihn mit drei Pferden in Rom einziehen, und jetzt geht er zu Fuße«. Und ich sagte zu ihm: »Wollt ihr mein Pferd?« Er antwortete mir mit einem Vers:

»Wer zum Geben bereit, darf nicht erst fragen: beliebt's Euch?«

Hierauf sagte ich: »Bei Gott! vortrefflichster Herr, es gibt eine offene Stelle für mich, und darum muß ich meinen Weg beschleunigen, sonst wollte ich Euch mein Pferd geben«, und hiermit verließ ich ihn. Nun wisset Ihr ja, wie es steht. Auch scheint es, daß dieser unser Magister in großem Elend ist, darum verschaffet ihm Geld, sonst wird die Sache schlecht stehen. Der Sachwalter des Johannes Reuchlin, Johannes von der Wick, tut sich nämlich auf's eifrigste um und läuft hin und her. Unlängst hat er einige so skandalöse Schriften gegen unsern Magister Jakob eingereicht, daß ich mich wundere, daß Gott ihn nicht vor aller Welt Augen zu Boden schlägt. Auch hat er unlängst unsern obengenannten Magister ins Gesicht hinein geschimpft und gesagt: »Ich werde mit Hilfe der Wahrheit noch machen, daß du in Schande, Elend und Kummer sterben sollst und Johannes Reuchlin triumphieren wird; und alle Theologen müssen das sehen, selbst wenn sie zerbersten sollten«. Und so sehe ich denn, daß jener obgenannte Johannes von der Wick sich als den Feind aller Theologen erklärt und ein äußerst frecher Mensch ist; er ist so verwegen, als nur möglich. Ich habe es von unserm Magister Jakob gehört, wie er sagte: »Wäre der nicht gewesen, so würde ich gleich nach meiner Ankunft in Rom einen Spruch zu meinen Gunsten gehabt haben«. Und es ist wahr – denn ich habe es auch von andern gehört – als unser Magister Jakob zum erstenmal in die Römische Kurie kam, erweckte er einen solchen Schrecken, daß das ganze Personal bei derselben sich vor ihm fürchtete. Kein Sachwalter wollte sich des Johannes Reuchlin annehmen, aus Furcht vor diesem unserm Magister, und Jakob von Duestenberg, der auch ein Freund von Reuchlin ist, suchte ganz Rom nach einem Sachwalter durch, konnte aber keinen finden, denn alle sagten, sie wollten ihm in anderen Angelegenheiten wohl gefällig sein, allein hinsichtlich des Glaubensstreites wären sie in Furcht, unser Magister Jakob würde auf den Feuertod gegen sie inquirieren. Unter solchen Umständen kam jener Doktor – wenn er dieses Titels wert ist –Johannes von der Wick, und sagte zu Jakob von Duestenberg: »Ich bin bereit, der Wut jenes Mönchs die Spitze zu bieten«. Da drohte ihm unser Magister Jakob ganz offen mit den Worten: »Ich will machen, daß du es bereuen wirst, auch je nur ein einziges Wort für Reuchlin gesprochen zu haben«. Ich habe damals aus seinem eigenen Munde gehört, daß er sagte, er wolle diesen Doktor von der Wick auf der Stelle vorladen und ihn für einen Ketzer erklären, denn er hatte aus seinen Reden einige ketzerische Artikel gesammelt. jetzt aber ist es anders. Ihr dürft mir glauben, das Geschäft steht nicht gut, denn jetzt sind immer zehn Gönner des Johannes Reuchlin da, wo nicht ein einziger der Theologen ist, und als nach der Disputation von den Theologen die Voten abgegeben wurden, waren es achtzehn, welche für Reuchlin gestimmt hatten, und nur sieben für die Theologen. Und dazu noch sagten diese Sieben nicht, man solle den »Augenspiegel« verbrennen, sondern sie beschränkten ihre Worte. Darum habe ich keine gute Hoffnung; Ihr müßt alles tun, was Ihr könnet, damit jener Johannes von der Wick stirbt, denn er ist die Ursache, daß es mit Reuchlin gut steht, und mit den Theologen schlecht, wäre er nicht gewesen, so wäre dies nicht durchgesetzt worden. Und so glaube ich denn, daß ich durch dies Schreiben meiner Verbindlichkeit gut nachgekommen bin, sodaß Ihr mir in Zukunft keine solche Tadelworte mehr schreiben könnet. Nun lebet wohl!

Gegeben in der Römischen Kurie.


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