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XV. Magister Peter Steinhart grüßt den Magister Ortuin Gratius.

Viel möchte ich Euch schreiben, Herr Ortuin, von Neuigkeiten da und dort, von Kriegen und Fehden und auch von der Sache Johannes Reuchlins; allein ich bin bereits so aufgebracht, daß ich vor Zorn nicht mehr auf meinem Sitze bleiben kann, und darum bin ich nicht imstande, über dergleichen zu berichten, denn das Herz klopft mir als ob einer mit der Faust darauf schlüge. Es befindet sich nämlich hier ein Deutscher aus der Gegend von Meißen, der mir ein juridisches Wörterbuch zu geben versprochen hat, nun aber es mir nicht geben will. Ich habe ihn oft freundschaftlich erinnert, allein es hilft nichts, und ich sehe, daß er es darauf anlegt, mich zu kujonieren. Da nun aber wie Ihr wißt, jedes Versprechen Schuld macht, so ließ ich ihn vorladen. Da schrieb er mir heute einen schmachvollen Brief und blamierte mich wie einen Lumpenhund. Ich bin hierüber so ergrimmt, daß ich gar nicht weiß, was ich tun soll. Doch will ich zum Statthalter gehen und einen Arrestbefehl auswirken, da ich diesen Gesellen im Verdacht habe, er könnte entfliehen. Und wenn er mir das Buch nicht sogleich schickt, dann werde ich Gerichtsdiener holen, um ihn festzunehmen und ins Gefängnis zu werfen; und wenn er dann einen »Riß mit dem Wippseil« oder zwei haben wird, so mag er das für sich hinnehmen, denn ich will ihn lehren, einen an der Nase herumzuführen und ein Versprechen nicht zu halten. Und glaubet mir fest, ich will diesen Gesellen zurechtsetzen, und koste es mich das Leben; denn ich muß ein solches Buch haben, da ich mir bereits meinen Studienplan mache, rechtswissenschaftliche und andere Bücher gekauft habe und täglich vier Stunden in die Sapienz gehe, um Institutionen, Infortiatum, auch kanonisches Recht und die Kanzleiordnung zu hören. Auch habe ich hier ein gar praktisches Buch aufgefunden, das vortrefflich ist, und aus welchem ich viel lerne. Ich glaube nicht, daß Ihr es in Deutschland habt; es ist wirklich bewundernswert und erklärt alles deutlich. Es hat den Titel: »Casus longi super Institutis«, behandelt die schönsten Materien praktisch und erklärt die Institutionen so gründlich, daß es oft in einen einzigen Paragraphen in zehn Teile zerlegt und in dialogischer Form auftritt; auch ist es, was die Latinität betrifft, sehr elegant. Ich kann Euch nicht beschreiben, von welch großem Nutzen es ist, ein solches Buch zu haben; aber Ihr müßt es den Juristen in Köln nicht sagen, welche Gönner von Johannes Reuchlin sind; denn wenn sie dieses Buch hätten, könnten sie ihre Praktiken weit feiner ausführen Ich weiß wohl, Ihr habt es nicht gerne, daß ich die Rechtswissenschaft studiere, da Ihr mir oft gesagt habt, ich solle Theologie studieren, die da selig macht und größeres Verdienst erwirbt, als die Jura, welche das Krumme gerad und das Gerade krumm macht. Ihr habt mir auch den Richard an einer Stelle angeführt. Dennoch sage ich: »Ich muß es tun«: denn die Rechtswissenschaft dient zum Broterwerb, daher der Vers:

»Schätze verleiht Galen, und der lustinianische Kodex:
»Hol aus andern dir Stroh, aus diesen gewinne die Körner«,

Auch wißt Ihr wohl, daß ich sonst arm bin; dann hat mir auch meine Mutter geschrieben: ich solle auf Lebensunterhalt und Kleidung bedacht sein, denn sie will mir kein Geld mehr schicken. Und so ist es, bei Gott! Aber schon denke ich wieder an jenen Gesellen, der mich so in Zorn gejagt hat. Lebet wohl von Herzen.

Gegeben zu Rom.


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