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XLIII. Bruder Otto Flaschenklirrer an Magister Ortuin Gratius.

Mein andächtiges Gebet, anstatt des Grußes, verehrungswürdiger Mann, daß Ihr mir schreibet, wir Theologen alle hätten Gott dem Allmächtigen dafür zu danken, daß jetzt die Theologie so in Blüte steht und es eine Menge gelehrter Theologen in allen Teilen Deutschlands gibt, und alle Menschen, Herrn und Knechte, Vornehme und Bauern, ihnen große Ehre erzeigen, indem sie dieselben »unsere Magister« nennen und die Hüte und Barette vor ihnen abziehen, mit den Worten: »Ich empfehle mich Eurer Vortrefflichkeit, unser ausgezeichneter Herr Magister«. Und wann einer unserer Magister über die Straße geht, dann beehren ihn alle, wie wenn ein Fürst käme; und das mit Recht, denn unsere Magister sind wie die Apostel Gottes. So schreibet Ihr mir in Eurem Briefe große Dinge. Allein ich werde Euch Widerpart halten, indem ich sage: dies ist wohl hier in Köln wahr, anderswo aber nicht. Und namentlich hier in meiner Heimat genießen unsere Magister vom Stande der Religiosen keine Ehre; die Canonici und Adeligen sehen gar hoch herab auf sie; dagegen die Weltgeistlichen genießen noch Ehre und stehen in Achtung. Dies erscheint mir aber unwürdig, denn die Religiosen sollten immer den ersten Platz einnehmen, da sie doch mehr Geistliche sind, und was den himmlischen Sinn betrifft, steht der Religiose immer über dem Weltgeistlichen; denn die Religiosen sind so recht dazu geschaffen, laut zu verkünden in göttlichen Lobgesängen die Ehre Gottes und seiner heiligen Mutter, der allzeit gebenedeiten Jungfrau Maria, und die Ehre aller Heiligen, Martyrer, Beichtiger etc. Daher erscheint es mir als ein großer Irrtum, daß die Menschen den Weltgeistlichen mehr Ehre erweisen, als den Religiosen. Auch fangen die Theologen aus der Weltgeistlichkeit in den höheren Regionen an, stolz zu werden, und stellen sich den Religiosen gewissermaßen feindlich entgegen, während sie doch vielmehr an der Welt hängen und um so weiter entfernt vom Himmelreiche sind. Ihr wisset ja, daß Christus sagt: »Ihr, die ihr mir seid nachgefolget, werdet sitzen auf Stühlen, und richten die zwölf Geschlechter Israels«. Die Religiosen aber haben all ihr Hab und Gut verlassen und die Welt verachtet, darum sind sie die Nächsten am Himmelreiche. Und verzeihet mir, daß ich Euch solches von den Theologen unter der Weltgeistlichkeit schreibe, da Ihr selbst auch einer seid. Allein zu Köln ist es anders, wo man untertänig und ehrerbietig gegen die Religiosen ist. Und auch Ihr seid, was den Glaubenseifer anbelangt, ein Religiose, denn Ihr habt einmal in Köln zu mir gesagt: »Herr Otto, ich glaube, daß ich noch ein Mönch aus Eurem Orden werden will, ich habe große Neigung dazu«. Und darum schreibe ich Euch in so vertraulichem Tone. Denn es mißfällt mir sehr, daß jetzt manche Theologen unter den Weltgeistlichen so stolz sind, wie hier Dr. Johannes Reiß, welcher Domprediger in dieser Stadt ist. Er steht in hohen Ehren, und alle Canonici und Adeligen lieben ihn sehr, weil er ihnen gute Worte zu geben weiß.

Allein dieser Doktor scheint sehr gegen die Religiosen eingenommen zu sein. Einer hat mir gesagt, er schlage überhaupt einen eigentümlichen Weg ein und sei weder Albertist, noch Skotist, noch Okkamist, noch Thonmist, sondern, wenn ihn jemand frage: »Vortrefflichster Herr Doktor, welchen Weg geht Ihr?« so antworte er: »Den Weg Christi«. Auch lacht er, wenn die Doktoren der Theologie sich »unsere Magister« nennen. Ebenso hält er nicht viel von den Religiosen, und sagt, man brauche keine Kutte anzuziehen, sondern könne auch auf andere Weise selig werden, denn Gott sehe nicht auf die Kleidung. Hierin nun erscheint er mir als ein Ketzer, weil er unehrerbietig gegen die Religiosen und heiligen Väter ist. Er beobachtet auch eine besondere Art und Weise beim predigen, und macht es nicht, wie andere, daß er spitzfindige Fragen aufwürfe, Gegenbeweise formulierte, sie nachher wieder auflöste und Folgesätze zutage brächte, sondern er geht einfach auf seinem Wege fort. Daher wundere ich mich, daß man seine Predigten gerne hört, da er doch kein kunstgerechter Prediger ist. Ich habe mich bei zwei Vorkommnissen überzeugt, daß er für die Religiosen nicht günstig gestimmt ist: das eine Mal, als Ihr Kölner gemeinschaftlich mit unserm Orden jenen löblichen Streit gegen Johannes Reuchlin begannet; da brachte ich ihm einen Zettel, auf welchem das Mandat gegen Johannes Reuchlin stand, daß sein Buch verbrannt und er selbst zum Widerrufe gezwungen werden solle. Da sagte ich zu ihm, wie es mir von unserm Provinzial aufgetragen worden war: »Vortrefflichster Herr Magister, hier hat Ew. Vortrefflichkeit ein Mandat, daß Reuchlin ein Ketzer ist und daß sein Buch verbrannt werden soll, Ihr wollet es daher von der Kanzel verkündigen; und dabei bitten wir Euch, Ihr wollet Euch auf unsere Seite stellen wider genannten Ketzer«. Nun las er das Mandat und sagte darauf.»Ich sehe nichts , als ein Mandat, daß der ‹Augenspiegel› nicht öffentlich verkauft werden dürfe, bis zum Erkenntnis und Austrag der Sache; ich ersehe daraus nicht, daß Reuchlin ein Ketzer sein soll«. Ich erwiderte, dies sei daraus abzunehmen, daß der Verkauf seines Buches verboten ist, und hat ihn, unserer Sache auf der Kanzel doch das Wort zu reden. Da entgegnete er: »Lasset mich in Frieden! ich bin hier, um das Wort Gottes auszusäen, und darf niemandem Ärgernis geben, denn es stehet geschrieben: ‹Wer einen dieser Geringsten ärgert u.s.w.›« Und so konnte ich es nicht erwirken, daß er die Sache des Glaubens unterstützte. Noch bei einer andern Gelegenheit habe ich meine Bemerkungen gemacht. Als Bruder Jakob aus unserem Orden hier war und die Indulgenzen verteilte, welche wir zu Rom für das Augsburger Kloster erlangt hatten, bat er auch obengenannten Dr. Reiß, er wolle auf der Kanzel dieser Indulgenzen lobend erwähnen und die Frauen und andere Personen auffordern, Geld in den Kasten zu geben, weil es zu gutem Zwecke gegeben sei. Allein dieser ließ ihn reden, was er wollte, und ließ sich doch nicht herbei, auch nur ein Wort von den Indulgenzen zu sagen. Und einmal sagte Bruder Jakob zu ihm: »Sich da, Ihr seid uns neidig, daß wir Geld sammeln dürfen, und doch werden wir es sammeln, selbst wenn Euch das Herz darüber brechen sollte«. Auch sagte er einmal auf der Kanzel: »Siehe, hier habt Ihr Indulgenzen und Ablaßbriefe, und was in diesen geschrieben steht, ist so wahr und glaubwürdig wie das Evangelium, und wenn Ihre diese Ablässe gewinnet, seid Ihr gerade so absolviert, wie wenn Christus selbst gekommen wäre und Euch absolviert hätte«. Hiergegen erhob Dr. Reiß Widerspruch und sagte: »Nichts kann mit dem Evangelium verglichen werden«, und »Wer gut handelt, der gut wandelt«. Und wenn einer hundertmal jene Ablässe gewänne und nicht rechtschaffen lebt, so wird er verloren sein, und jene Ablässe werden ihm nichts helfen. Aber im Gegenteil, wenn jemand rechtschaffen lebt, oder, wenn er Sünden begangen hat, diese nachher bereut und sein Leben bessert, so verheiße ich ihm, daß er ein Bewohner des Himmelreichs sein, und keiner andern Hilfe bedürfen wird«. Und so habe ich denn wahrgenommen, daß dieser Dr. Reiß ein Feind der Religiosen ist; auch scheint er mir ein Gönner des Johannes Reuchlin zu sein, doch weiß ich das nicht gewiß, sehet daher zu, was zu sagen ist. Ich gebe gerne zu, daß die Theologen zu Köln in hohen Ehren stehen, und daß die aus der Weltgeistlichkeit fest mit den Religiosen zusammenhalten; allein hier ist es nicht so. Doch hoffe ich, daß, wenn man mit Reuchlin fertig sein wird, die Theologen sich gegenseitig freuen werden. Das verleihe uns unser eingeborner Erlöser! Amen.

Gegeben zu Würzburg.


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