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XLVI. Magister Konrad Unckebunck entbietet dem Magister Ortuin Gratius zahlreiche Grüße.

Sie haben einen Mund und reden nicht; sie haben Augen und sehen nicht; sie haben Ohren und hören nicht«, sagt der Psalmist. Diese Worte können als Einleitung und Text zu dem dienen, was ich in folgendem beabsichtige. Magister Ortuin hat einen Mund und redet nicht, sodaß er etwa zu einem, der sich an die römische Kurie begibt, sagte: »Grüßet mir den Herrn Konrad Unckebunck«. Auch hat er Augen und sieht nicht: denn ich habe ihm viele Briefe geschrieben, und er antwortet mir nicht, als ob er sie nicht läse, oder ansähe. Und zum dritten hat er Ohren und hört nicht: denn ich habe vielen Freunden anempfohlen, ihn, wann sie in jene Gegend kämen, zu grüßen; aber er hat meine Grüße nicht gehört, denn er beantwortet sie nicht. Hiermit macht Ihr Euch eines großen Fehlers schuldig, denn ich habe Euch lieb, und darum müßt Ihr meine Liebe erwidern. Allein Ihr tut es nicht, denn Ihr schreibet mir nichts. Und ich hätte es gar zu gern, daß Ihr mir recht oft schriebet, denn, wann ich Eure Briefe lese, erfreuen sie mich im innersten Herzen. Allein aber, ich habe erfahren, Ihr hättet nur wenige Zuhörer, und es sei Eure Klage, daß Busch und Cäsarius Euch die Scholaren und Akademiker wegzögen, während sie doch die Poeten nicht so allegorisch zu erklären und die heilige Schrift dabei anzuführen verstehen, wie Ihr. Ich glaube, der Teufel steckt in diesen Poeten. Sie richten alle Universitäten zugrunde. Auch habe ich von einem alten Leipziger Magister, der schon sechsunddreißig Jahre Magister ist, gehört, daß in seiner Jugend es um diese Universität gut gestanden habe, weil zwanzig Meilen in der Runde kein Poet gewesen sei. Auch sagte er, die Akademiker hätten sich damals fleißig auf ihre Lektionen vorbereitet, sowohl auf die allgemein bildenden, als auf die über besondere Fächer, oder in den Bursen gehaltenen, und es wäre eine große Schande gewesen, wenn ein Student über die Straße gegangen wäre und nicht den Petrus Hispauns oder die »Parva logicalia« unter dem Arm gehabt hätte. Und wenn es Schüler aus der Grammatik waren, so trugen sie die »Partes« von Alexander, oder das »Vade mecum«, oder das »Exercitium puerorum«, oder das »Opus minus«, oder die »Dicta« des Johannes Sinthen mit sich. Auch merkten sie in den Schulen fleißig auf und hielten die Magister der freien Künste in Ehren; und wann sie einen Magister sahen, erschraken sie so sehr, als sähen sie einen Teufel. Weiter sagte er, daß jedes Jahr vier Promotionen zum Bakkalaureat stattfanden, und es seien bei jeder sechszig oder wenigstens fünfzig gewesen: damals sei die Universität in hoher Blüte gestanden. Und wenn einer ein Jahr hindurch nur in der Hälfte bestand, so sei er zum Bakkalaureat, und wenn er zwei oder drei Jahre hindurch in der Hälfte bestand, zum Magisterium promoviert worden: und hiermit wären ihre Eltern zufrieden gewesen, und hätten gern das Geld ausgegeben, weil sie sahen, daß ihre Söhne zu Würden gelangten. Jetzt aber wollen die Akademiker den Virgil und den Plinius und andere neumodische Schriftsteller hören, und wenn sie dieselben auch fünf Jahre hindurch hören, werden sie doch nicht promoviert. Und wenn sie so in ihre Heimat zurückkehren, fragen die Eltern sie: »Was bist du?« da antworten sie, sie seien nichts, sondern studieren die Poetik. Dann wissen die Eltern nicht, was das ist. Und wenn sie sehen, daß sie in der Grammatik nichts sind, dann sind sie ungehalten über diese Universität, ihr Geld reut sie und sie sagen nachher zu andern: »Schickt doch Eure Söhne nicht auf die Universität, denn sie studieren nichts, schwärmen bei Nacht auf den Straßen herum, und das Geld, welches man zum studieren hergibt, ist nutzlos verwendet«. Weiter noch sagte mir dieser Magister, zu seiner Zeit seien wohl zweitausend Studenten in Leipzig, und eben so viele in Erfurt, in Wien viertausend und in Köln auch so viele gewesen, und so habe es sich auch mit den andern verhalten. Jetzt aber seien auf allen Universitäten zusammen nicht so viel Studenten, wie damals auf einer oder zwei. Auch beklagen sich jetzt die Leipziger Magister über die geringe Zahl der Zuhörer, da die Poeten ihnen so Schaden bringen. Und wenn die Eltern ihre Söhne in die Bursen und Kollegien schicken, wollen sie nicht dort bleiben, sondern gehen zu den Poeten und studieren nichtsnutziges Zeug. Auch sagte er mir, er habe vordem in Leipzig vierzig vornehme Zöglinge gehabt, und wann er in die Kirche, oder auf den Markt, oder in den Rosengarten spazieren gelangen sei, so seien sie hinter ihm hergegangen. Es sei auch damals ein schwerer Verstoß gewesen, Poetik zu studieren. Und wenn einer in der Beichte bekannt habe, daß er heimlich den Virgil bei einem Bakkalaureus gehört habe, dann habe ihm der Priester eine schwere Buße auferlegt, nämlich: jeden Freitag zu fasten, oder täglich sieben Bußpsalmen zu beten. Auch schwur er mir auf sein Gewissen, daß ein Magistrand zurückgewiesen worden sei, weil ihn einer von den Examinatoren einmal an einem Festtage im Terenz lesen gesehen habe. Wenn es doch nur gegenwärtig noch so an den Universitäten stände, dann wollte auch ich in der Kurie nicht so den Knecht rnachen. Denn was sollen wir an den Universitäten tun? Wir haben keinen Profit: die Gesellen wollen nicht mehr in den Bursen oder unter den Magistern stehen, und unter zwanzig Studenten trachtet kaum einer danach, es zu einem Grade zu bringen, sondern die andern alle wollen Hunmaniora studieren. Und wann ein Magister liest, hat er keine Zuhörer; die Poeten dagegen haben bei ihren Vorträgen so viele Zuhörer, daß es zum Erstaunen ist. So werden denn alle Universitäten in ganz Deutschland immer weniger. Daher müssen wir Gott bitten, daß alle Poeten des Todes sterben, denn »es ist besser, daß ein einziger sterbe etc.«, das heißt, daß die Poeten, deren nur wenige auf jeder Umversität sind, sterben, als daß so viele Universitäten verderben. Ihr aber, schreibet mir in Zukunft auch, oder ich werde eine lange Klage anstellen über Eure begangene Nachlässigkeit. Lebet wohl.

Gegeben zu Rom.


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