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LX. Magister Wernher Stompff an Magister Ortuin Gratius.

Ew. Magnifizenz möge erfahren, daß ich bei Empfang Eures Briefes so sehr in Schrecken geriet, als es nur immer möglich ist, ganz rot im Gesicht wurde und mir die Haare zu Berge standen. Auch glaube ich, daß meine Furcht kaum damals so groß war, als ich mich in der roten Kammer zu Köln befand, in der Absicht, Bakkalaureus zu werden, und mich dem Examen zu unterwerfen; denn damals war ich ebenfalls sehr in Furcht, die Herren Examinatoren möchten mich zurückweisen. Ihr schreibt mir, mit dem Glaubensstreite stehe es zu Rom schlecht. Heiliger Gott! was sollen wir sagen? Jene Juristen und Poeten wollen die ganze Fakultät der Artisten und Theologen zugrunde richten. Denn auch hier auf unserer Universität nehmen sie sich vieles gegen die Magister und Theologen heraus. Und unlängst sagte ein Gewisser, ein Bakkalaureus der Rechte müsse bei der Prozession den Vortritt vor einem Magister der freien Künste haben. Ich entgegnete: »Das ist unmöglich; denn ich will beweisen, daß die Magister der freien Künste über den Doktoren der Rechte stehen. Die Doktoren der Rechte verstehen nämlich nur eine einzige Kunst, nämlich die Kunst des Rechtes; die Magister dagegen sind Magister in den sieben freien Künsten, daher wissen sie auch mehr«. Darauf sagte jener: »Gehe nach Italien und sage, du seiest ein Leipziger Magister, dann wirst du sehen, wie sie dich dort plagen werden«. Dann sagte ich, ich könne noch ebensogut mein Magisterium verfechten, wie einer aus Italien, ging von ihm hinweg und dachte bei mir, unsere Fakultät werde gar gering geachtet, und das sei schlimm: denn die Magister der freien Künste sollten auf den Universitäten regieren; nun aber maßen sich die Juristen an, dort zu regieren. was höchst unschicklich ist. Auch will ich Euch trösten, im Glaubensstreite den Mut nicht zu verlieren, denn ich hoffe, Gott werde wohl für Euch sorgen. Und hiermit gehabt Euch wohl, so lange als Pfefferkorn ein Christ bleibt!

Gegeben zu Leipzig im Fürsten-Kollegium.


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