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XLV. Johannes Gerlamb an Magister Ortuin Gratius.

Wie geschrieben steht: »Den Freund lernt man in der Not kennen«, so will nun auch ich sehen, ob Ihr mich noch im Andenken habt. Und dies kann ich durch folgendes Mittel sehen. Überbringer dieses ist ein Blutsverwandter von mir, hat gutes Talent, und beabsichtigt die freien Künste zu studieren. Da wollte sein Vater ihn hierher auf die Universität tun, ich aber riet ihm ab, denn ich will, daß er nach der Methode der Alten studiere, wie auch ich meine Studien gemacht habe. Ich bitte Euch nun, Ihr wollet ihn Euch empfohlen sein lassen. Obwohl ich Albertist bin, so ist es mir doch einerlei, wenn Ihr ihn in die Burs unter XVI Häusern tut, wo man nach Thomistischer Methode studiert, denn der Rektor daselbst ist ein Oberländer, und es ist auch kein großer Unterschied zwischen den Albertisten und Thomisten, außer, daß die Albertisten die Sätze aufstellen »adjectiva appellant« und »corpus mobile est subjectum in physica«, die Thomisten dagegen die Sätze aufstellen »adjectiva non appellant« und »ens mobile est subjectum in physica;« ferner sagen die Albertisten »logica est de secundis intentionibus in ordine ad primas«, die Thomisten dagegen sagen »logica est de primis intentionibus in ordine ad secundas«. Ebenso behaupten die Albertisten »mobile positum in vacuo movetur successive«, die Thomisten dagegen »mobile positum in vacuo movetur in instanti«. Auch sagen die Albertisten, die Milchstraße sei himmlischer Natur, die Thomisten dagegen, die Milchstraße sei elementarer Natur. Auf diese Behauptungen kommt jedoch nicht viel an, wenn sich einer nur an die Methode der Alten hält. Auch will ich, daß dieser junge Mensch in der Burs speise, und daß Ihr ihn streng haltet, damit er nicht fortlaufe, wann es ihm gefällt. Und wenn er einen Exzeß macht, so gebet ihm die Disziplin, denn es stehet geschrieben in den Sprüchen Salomonis 23, 13. 14: »Laß nicht ab, den Knaben zu züchtigen, denn wo du ihn mit der Rute hauest, so darf man ihn nicht töten. Du hauest ihn mit der Rute, aber du errettest seine Seele von der Hölle«. Auch erhaltet ihn in der Gewohnheit, daß er stets die Disputationen in der Burs besuche und nicht in die Vorlesungen des Cäsarius und anderer Poeten gehe. Ich freue mich über Eure Nachricht, daß Busch nicht mehr in Köln ist, denn er war ein großes Hindernis an der Universität, da er die Studierenden mit seiner Poeterei auf Abwege führte. Es sind hier auch zwei Poeten, Eoban Hesse und Petrejus Aperbach; sie sind mir feind; allein ich kümmere mich nicht um sie. Überall, wo sie mich sehen, sprechen sie von der Angelegenheit des Johannes Reuchlin, geben ihm Recht und reden den Theologen entgegen, ich aber schweige, obgleich ich unlängst gesagt habe: »Johannes Pfefferkorn versteht es gut, ihm zu sagen, was er ist;« auch habe ich ihnen sein Buch gezeigt, welches den Titel führt: »Verteidigung Johannes Pfefferkorns gegen die Verleumdungen etc.«, und damit ging ich fort. Gebe Gott der Herr, daß ein Spruch zu Eueren Gunsten ergehe, sonst möchten uns jene Poeten noch großen Schabernack antun. Indes lasset Euch den jungen Menschen empfohlen sein und lebet wohl!

Gegeben zu Erfurt.


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