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X. Unser Magister Bartholomäus Kuckuck an Magister Ortuin.

Zahllose Grüße nebst meiner höchsten Verehrung zuvor, ehrwürdiger Magister! Ohne eine lange Einleitung oder viele Weitschweifigkeiten in Worten zu machen, wird Euch zu wissen getan – da Ihr mir kürzlich geschrieben habt, wie das Geschäft in Sachen des Glaubens hier stehe – daß es gut steht, daß aber noch kein entscheidender Ausspruch ergangen ist. Auch ist hier ein Jurist namens Martin Gröning, der zu Sinigaglia doktoriert hat, wie er selbst sagt, ein Mensch voll Anmaßung und Stolz. Er soll den »Augenspiegel« übersetzen und ist sehr vermessen, weil er darauf ausgeht, sich sehen zu lassen. Einige loben ihn, und ich frug sie unlängst: »Was weiß er denn mehr, als ein anderer?« Hierauf erwiderten sie, er habe gute Kenntnisse im Griechischen. Und so sehet Ihr, daß man sich nicht viel um ihn zu kümmern braucht, da das Griechische nicht wesentlich für die heilige Schrift ist. Auch glaube ich, daß er keinen Punkt in den »Libri Sententiarum« versteht, auch mir keinen Schluß in »Baroco« oder »Celarent« bilden könnte, weil er kein Logiker ist. Er nannte mich unlängst einen Esel; da sagte ich zu ihm: »Wenn du so keck bist, so disputiere mit mir« – ich dutzte ihn ohne weiteres – da schwieg er. Dann ging ich ihm noch weiter zu Leibe und sagte: »Ich will beweisen, daß du ein Esel bist; erstens so: »Alles, was Lasten trägt, ist ein Esel; du trägst Lasten, folglich bist du ein Esel. Ich nehme den Untersatz als richtig an, weil du dieses Buch trägst«. Und es war auch in Wahrheit so, denn er trug ein Buch, daß ihm Jakob Questenberg gegeben hatte, um darin gegen unsern Magister Jakob van Hoogstraten zu studieren. Da war er nicht so gescheit, mir den Obersatz abzuleugnen, den ich nicht hätte beweisen können, allein ich wußte, daß er nichts von Logik verstehe. Ich sagte daher zu ihm: »Herr Doktor, Ihr wollt Euch in eine theologische Angelegenheit einlassen, welche nicht in Euer Fach einschlägt; ich möchte Euch raten, es bleiben zu lassen, weil Ihr diese Materie nicht verstehet, sonst könnt Ihr zu Schaden kommen, denn die Theologen wollen nicht, daß die Juristen sich mit Glaubenssachen beschäftigen«. Da geriet er in Zorn und sagte plötzlich: »Ich verstehe nicht allein jene Materie, sondern sehe auch, daß du eine verfluchte Bestie bist«. Nunmehr geriet auch ich in Wallung und stand auf, und es herrschte an jenem Tage heftiger Streit zwischen uns, worauf dann unser Magister Peter Meyer, Leutpriester aus Frankfurt, zu mir sagte: »Wir wollen ins Gasthaus zum essen gehen, da es jetzt Essenszeit ist-, lasset diesen guten Mann stehen, denn er hat keinen Begriff von dem, was er tut; er sollte noch weiter in die Schule gehen«. Ihr müßt aber wissen, Magister Ortuin, daß wir uns für jene Beleidigung schönstens rächen wollen. Er ist Student zu Köln und stand in der Burs unter XVI Häusern, was ich gewiß weiß; machet also, daß die Universität ihn vorladet: dann wollen wir ihn für meineidig erklären, denn er ist in die Matrikel der Universität eingetragen und hat den Eid geleistet, daß er sich das Beste der Universität wolle angelegen sein lassen; nun aber steht er auf der Seite des Johannes Reuchlin gegen die Universität. Auch bitte ich Euch, dies unverweilt zu tun, und mir das Buch des Johannes Pfefferkorn zu schicken, welches den Titel führt: »Verteidigung Johannes Pfefferkorns gegen die Verleumdungen etc.«; ich habe es kürzlich einen Burschen hierher tragen gesehen und möchte es so gerne haben, daß es mir herzlich wehe darnach tut, denn dieses Buch enthält viele scharfsinnige Sätze. Der Herr unser Gott verleihe Euch bei unvergänglichem Ruhme Heil und Frieden!

Amen.


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