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XXV. Magister Adolf Klingesor an Magister Ortuin Gratius.

So viele Grüße an Magister Ortuin, daß sie dieser Brief nicht fassen, der Bote nicht tragen, kein Mensch aussprechen und kein Mensch schreiben kann. Und dabei wünschte ich auch, Ihr möchtet frohen Sinnes sein und Euch wegen des Glaubensstreites nicht abquälen. Ich rate Euch nie, so traurig zu sein, sondern Euch der Ruhe zu überlassen. Auch mir sagen sie hier viel nach, weil ich ein Kölner bin, allein ich lache darüber und tue, als kümmerte ich mich nicht darum; manchmal gebe ich es ihnen auch heim und kujoniere sie meinerseits ebenfalls. Das kam unlängst vor, als einer, der vor zehn Jahren sich auch zu Köln aufgehalten hatte, zu mir sagte, er glaube nicht, daß Pfefferkorn noch ein guter Christ sei, denn er habe ihn vor einem Jahre gesehen, und da habe er noch gestunken wie ein anderer Jude, und doch heiße es allgemein, wenn die Juden getauft seien, so stinken sie nicht mehr. Daher glaubt er, Pfefferkorn habe den Schalk noch hinter den Ohren, und wenn die Theologen glaubten, er sei der beste Christ, dann werde er wieder ein Jude sein, und man dürfe ihm nicht trauen, denn die ganze Welt habe eine üble Meinung von den getauften Juden. Da sagte ich: »Heiliger Gott! wollt Ihr aus bloßen Meinungen Beweise herholen? Die Leute glauben, daß die getauften Juden keine guten Christen seien: also ist Pfefferkorn ein schlechter Christ? das folgt nicht: ebenso könnte ich unsern Magister Arnold von Tongern im Verdachte der Sodomiterei haben, und doch wäre es nicht wahr, denn zu Köln hält jedermann fest daran, daß er so rein wie eine Jungfrau ist. Allein ich will Euch au jenen Einwurf antworten. Ihr behauptet, Pfefferkorn stinke; angenommen auch, es sei wahr, was ich aber nicht glaube, und auch nie wahrgenommen habe, so behaupte ich, daß dieser Gestank eine andere Ursache habe; denn als Johannes Pfefferkorn noch Jude war, da handelte er mit Fleischwaren, und Fleischwarenhändler stinken gemeiniglich.« Da sagten alle, welche es gehört hatten, der Grund sei richtig. Nun aber bitte ich Euch auch, Ihr wollet Euch über jene Sache nicht allzusehr betrüben, »denn ein betrübter Mut vertrocknet die Gebeine.« Lebet wohl!

Gegeben zu Frankfurt an der Oder.


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