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XlV. Magister Otto Hämmerlin an Magister Ortuin Gratius.

Grüße eine ganze Menge, ehrwürdiger Magister! Eure Herrlichkeit hat mir eine große Gefälligkeit erwiesen, indem Ihr mir jenes merkwürdige Buch von Johannes Pfefferkorn zugesandt habt, welches den Titel führt: »Verteidigung Johannes Pfefferkorns gegen die Verleumdungen etc.« Ich kann mich nicht genug wundern, wie treffend und ausgezeichnet gut dieser Mann den Johannes Reuchlin zurechtweist. Ich sagte, als ich es las: »Wie gerne wüßte ich diesen Reuchlin tot«. Allein ein Leutpriester von den Unsern, ein guter Reuchlinist, hält mir immer Widerpart, indem er seine Beweise vom Allgemeinen zum Besonderen zu führen sucht, und als ich gestern vor der Vesper mit ihm spazieren ging, kamen folgende Worte aus seinem Munde: »Wenn die Theologen gegen Reuchlin in Deutschland nicht stand gehalten haben, so werden sie noch weit weniger in der römischen Kurie standhalten, denn in Italien sind die gelehrtesten Männer, und diese werden die Torheit und Leerheit der Theologen alsbald durchschauen, weil man sich zu Rom um solche Narrenpossen nicht kümmert«. Auch sagte er noch: »Was ist das für ein Zeichen, daß die Theologen es nicht wagen, unter ihren eigenen Namen und alle für einen stehend gegen Johannes Reuchlin zu schreiben, sondern eine Kröte unterschieben, die weder Ehre noch Gut zu verlieren hat, und ihre Bücher dieser zuschreiben?« Hierauf erwiderte ich: »Pfefferkorn ist zwar Verfasser des Inhalts, aber Magister Ortuin hat denselben nachher ins Lateinische übersetzt.« Worauf der Leutpriester: »Ich weiß wohl, daß Ortuin dieses Latein gemacht hat, denn ich habe sogleich seinen Stil erkannt; auch weiß ich, daß Ortuin selbst von guter Herkunft ist, nämlich von priesterlicher; allein saget mir das eine: Ihr müßt zugeben, daß Pfefferkorn nicht einmal das lateinische Alphabet versteht; und wenn er das Alphabet nicht kann, so kann er noch weit weniger lesen; und wenn er nicht lesen kann, so kann er noch weit weniger verstehen; und wenn er nichts verstehen kann, so kann er noch weit weniger etwas schreiben und verfassen-, und wenn er weder lesen, noch verstehen, noch schreiben kann, so kann er noch weit weniger über jene Fragen disputieren, welche nur ein ganz gründlich Gelehrter begreifen kann: wie ist es also möglich, daß er selbst Verfasser des Inhalts ist, sei er lateinisch oder deutsch, oder hebräisch?« Ich entgegnete, nach meinem Dafürhalten besitze Pfefferkorn einen solch erleuchteten Verstand, und habe jenen Gegenstand so oft gehört, daß er mit Gottes Hilfe und durch Eingebung des heiligen Geistes wohl darüber disputieren könne. Auch sei die Sache so leicht, daß Reuchlin darin sogar durch Pfefferkorns Frau besiegt werden könne.« Der Leutpriester darauf. »Das ist wahr; denn ich glaube, daß selbst fünf junge vierschrötige Bauern aus Westfalen mit Johann Pfefferkorns Frau nicht würden fertig werden, wie viel weniger würde Johannes Reuchlin, der alt und schwach, folglich ohne Manneskraft ist, die Oberhand über sie behalten. Allein ich wundere mich, daß unser Heiligster Vater, der Papst, und auch unser Kaiser zugeben, daß solch große Ärgernisse durch jene Kröte von einem Juden gegeben werden, daß er an heiliger Stätte auftreten, dem Volke predigen, den Segen erteilen und dergleichen verrichten darf, wobei wir, wenn es ein Laie täte, der immer ein Christ gewesen wäre, doch nichts Gutes von ihm vermuten dürften, wie viel weniger von einem getauften Juden, bei dem erst nach seinem Tode der Beweis geliefert werden kann, daß er ein guter Christ gewesen sei. Und wenn sie das nicht leiden sollten, so sollten sie noch viel weniger leiden, daß er sich in die Disputationen der gelehrten Männer hineindränge und die ehrenwertesten Männer schmähe. Man sollte ihn hängen, samt seinen Büchern und allen gegebenen Ärgernissen, wie er es schon lange verdient hat«. Ich erwiderte, der Vortrag des Johannes Pfefferkorn sei kein geistlicher, sondern ein weltlicher, eine bloße Belehrung gewesen; von seinen Büchern dagegen liege es am Tage, daß er sich gegen Johannes Reuchlin verteidige, der ihn herabwürdigt; in seinem »Handspiegel« aber weise er die Ungerechtigkeit des Johannes Reuchlin zur Ordnung. Und daß er ein guter Christ sei, lasse sich daraus abnehmen, daß er, wenn er nicht immer ein Christ bliebe, nicht so aufgebracht über die Juden wäre und ihnen so viel Übles antäte. Der Leutpriester sagte: »Bücher schreiben und verfassen ist eine wichtige Sache und steht nur großen und gelehrten Männern zu, welche in sehr hohen akademischen Würden stehen, weit weniger einem Johannes Pfefferkorn, der gar kein Gelehrter ist; und darum hätten es sich die Kölner Theologen niemals herausnehmen sollen, den Leuten weiß zu machen, Pfefferkorn habe derlei Schriften verfaßt. Wenn aber ich der Kaiser wäre, so wollte ich den Pfefferkorn und Hoogstraten an einen Galgen hängen lassen«. Ich antwortete: »Was hat denn unser Jakob van Hoogstraten getan, Er ist doch gut kaiserlich, was ich mit seinem Briefe an den Kaiser beweisen will, worin er also schreibt: »Gesund lebe und ewig freue sich Kaiserliche Majestät, welche der allgütige, höchste Gott seiner Kirche durch Tausende von Zeiten glücklich erhalten möge«. Da sagte der Leutpriester: »Ich habe zehn Missetäter hinrichten gesehen, keiner aber hatte so sehr den Tod verdient, wie Hoogstraten, der einen so guten und schuldlosen Mann auf solch ungerechte Weise quält, und noch den König von Frankreich, der doch der offenkundige Feind des Reiches ist, um Hilfe gegen Johannes Reuchlin anging: es ist dies ein Verbrechen der beleidigten Majestät; und überdies hat er auch noch in Rom seine Klagen angebracht«. Ich erwiderte: »Hoogstraten tut dies aus Glaubenseifer, und der Glaube ist mehr als der Kaiser, auch kümmern sich die Theologen nichts um die weltliche Übermacht. Auf dies entfernte sich der Leutpriester mit den Worten: »0 du allerschuldlosester Reuchlin, mußt du dich von den allerschlechtesten und nichtswürdigsten Peinigern also behandeln lassen', Gott beschütze dich! Gibt es aber noch irgend eine Gerechtigkeit, so kannst du in dieser Sache nicht unterliegen. Daher kann ich sagen: »Die Heiden mögen toben, aber sie werden nichts gegen dich ausrichten«. Ich entgegnete im stillen:

»Seiner Tage müssen wenig werden, und sein Amt müsse ein anderer empfangen«. Bei Gott, Herr Ortuin, wir haben viele Anfechtungen. Ich wollte, jene Sache wäre beigelegt, und darum schreibet mir doch, wie es in der römischen Kurie steht, und gehabt Euch wohl, so viele Jahre lang, als Methusalem gelebt habt.

Gegeben zu Breslau.


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