Julius Wolff
Der Sülfmeister
Julius Wolff

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Neunzehntes Kapitel

Twei suert let got in ertrike to beschermende de christenheit. Dem pauese is gesat dat geistlike. deme keysere dat wertlike.

Zwei Schwerter ließ Gott auf Erden, zu beschirmen die Christenheit. Dem Papst ist gesetzt das geistliche, dem Kaiser des weltliche.

So beginnt der Sachsenspiegel, das älteste deutsche Rechtsbuch, das von dem anhaltischen Ritter Eike von Repkow im ersten Drittel des dreizehnten Jahrhunderts auf der Burg Falkenstein im Harzwald niedergeschrieben, bald in Deutschland und über dessen Grenzen hinaus bis in die Niederlande und bis nach Polen und Livland Geltung erlangte und in den thüringischen, anhaltischen, holsteinischen und einigen anderen deutschen Gauen, wie auch in Lüneburg, sechshundertundfünfzig Jahre lang Geltung behalten sollte.

Die Stadt Lüneburg besaß von diesem Buche eine sehr kostbare Pergamenthandschrift. Es war ein mächtiger Foliant mit reichen, schweren Silberbeschlägen auf Vorder- und Rückseite des starken Einbandes. Die großgeformte Schrift zeigte in ihrer Gleichmäßigkeit von der ersten bis zur letzten Zeile die Vollendung der mittelalterlichen Schreibkunst. Der köstliche Schmuck des Buches waren aber die wunderprächtigen Malereien, die mit dem edelsten Geschmack, dem feinfühligsten Farbensinn und einer unerschöpflichen Erfindungsgabe auf allen seinen Blättern, von denen keines dem anderen gleich war, in höchster Sorgfalt, Sauberkeit und Schönheit ausgeführt waren als liebliche Randverzierungen, als ranken- und blumenreiche, mit Tiergestalten belebte Erweiterungen und Umkränzungen der golddurchwobenen Anfangsbuchstaben, die mit ihrem bunten Zierat bei den Kapitelanfängen die halbe Seite bedeckten, und endlich als große, den ganzen Raum einnehmende Bilder mit Darstellungen aus Geschichte und Legende.

Dieses Buch lag heute aufgeschlagen in der Gerichtslaube des Rathauses zu Lüneburg auf einem Tisch, hinter dem auf hohem Stuhl der Schultheiß, Herr Georgius von Elebek, saß, um mit dem weltlichen Schwert des Kaisers Gericht zu halten nach altem Sachsenrecht. Er war aufgeschlagen beim vierzehnten Kapitel des zweiten Buches, wo geschrieben steht:

Alle mordere unde alle de den ploch · molen · kerken oder kerkhof rouet · uoredere · mordbrennere · oder de ere bodescap weruet to ereme uromen. de scal men alle radebraken.

Alle Mörder und alle, die den Pflug, Mühlen, Kirchen oder Kirchhöfe berauben, Verräter, Mordbrenner oder die zu ihrem Frommen deren Auftrag vollziehen, die soll man alle radebrechen.

Auf einer Bank zur Rechten des Schultheißen, doch etwas entfernt von ihm, saßen die Schöffen und auf der anderen Seite die Ratsherren, soweit sie nicht als Zeugen aufzutreten berufen waren. Der letzteren waren eine ziemliche Anzahl; unter ihnen Heinrich Viskule, Nikolaus Stoketo, Gotthard Henneberg mit seinen Söhnen und Jakob, Dippold, Stephan Bartels und andere Werkmeister. Außerdem waren viele Geschlechterherren und sämtliche Amtsmeister zugegen, im ganzen weit über hundert Männer, die mit tiefernsten Gesichtern dem Anfang des Gerichts entgegensahen.

In die große Halle schien durch hohe, herrlich gemalte Bogenfenster mit Wappenschildern und lebensgroßen Figuren von Rittern, Helden und Heiligen die helle Morgensonne hinein und warf bunte Lichter auf die gemusterten Fliesen des Fußbodens. Auch die Wände ringsum und die gewölbte Decke waren über und über in glühenden Farben und Darstellungen geschichtlicher Vorgänge, mit Laub- und Blumengewinden, mit Bildnissen und allerlei Schmuckwerk gar kunstreich und sinnvoll bemalt, daß das Auge des Beschauers nicht müde wurde, die Fülle der Gestalten und den Wechsel der Formen staunend zu betrachten. Es war ein Glanz und eine anmutige und zugleich würdevolle Pracht in dem weiten Raum, die ihn dem prunkenden Festsaal eines stolzen Königsschlosses ebenbürtig zur Seite stellte oder ihn noch darüber erhob, so daß er nirgends seinesgleichen hatte.

Diese wunderbare schöne Laube war die Stätte für das Richten über Haut und Haar und über Hals und Hand.

Die Stunde war gekommen, die rechte Zeit, gerechtes Ding zu hegen. Es war hoch am Tage, die allsehende Sonne schien, der Stuhl war besetzt, die Bank gespannt.

Der Richter bedeckte das Haupt, zog mit der behandschuhten Rechten sein Schwert aus der Scheide und legte es quer über den offenen Sachsenspiegel. Dann gebot er Frieden bei dem Halse und verbot Dingflucht und Unlust.

Auf seinen Wink führte der Fronbote die von reisigen Knechten bewachten Gefangenen und die übrigen Angeklagten herein.

Dalenborg, Schupper, Niebuhr und der Schließer des neuen Turmes kamen bleich und schlotternden Ganges daher; sie fühlten, wie aller Augen auf sie gerichtet waren und wagten kaum die ihrigen zu erheben, um einen scheuen Blick auf Schultheiß und Schöffen zu werfen. Nach ihnen erschienen die fünf Sülfmeister und die fünf Amtsmeister, die unter Dalenborg im Rate gesessen hatten, Rokswale, Dörgerloh, Regenstörp, Hesterwegen und Vogelsang. Diese zehn schienen furchtlos und ruhig, denn sie waren sich keiner Schuld bewußt, als daß sie sich von Dalenborg und seinen Spießgesellen hatten beiseiteschieben lassen, statt ihren tätigen Anteil am Regiment zu verlangen und durch Wachsamkeit und Rechtschaffenheit Verrat, Betrug und Mord zu verhüten. Dennoch schämten sie sich, hier vor den Ratsherren, die sie abgesetzt hatten, und vor ihren Amtsbrüdern vom Handwerk, von denen sie abgesetzt waren, als peinlich Angeklagte erscheinen zu müssen. Den Schluß der Armensünderreihe machte Timmo, der sich wegen der Unterstützung von Sengstakes Flucht zu verantworten hatte und geringe Sorge darum zu haben schien, denn er schaute unbefangen und neugierig um sich.

Der Schultheiß stabte den Zeugen den Eid, und sie schwuren mit aufgeregten Fingern zu Gott und den Heiligen, auf den Gerichtsspruch Zeugnis und die rechte Wahrheit zu sagen, soviel einem jeden wissentlich wäre, niemandem zuliebe oder zuleide, noch um Gift, Gabe, Gunst, Haß, Neid oder einige andere Sachen, die Zeugnis der Wahrheit hindern mögen; auch daß sie weder mit Pflicht noch täglichem Beiwesen und Gemeinschaft den Angeklagten verwandt wären.

Dann trat der Fronbote in die Schranke und erhob die Klage, die gegen die verschieden davon Betroffenen auf Mord, Verrat an der Stadt, Vernachlässigung des Amtes und Vorschubleistung eines Vorflüchtigen lautete.

Die Hauptschuldigen suchten vieles auf Sengstake zu schieben, der dingflüchtig geworden war und schon vor einem höheren Richter stand. Aber sie wurden übersiebenet und konnten ihren Hals nicht auslösen; ihre Taten waren handhaft, Zeugen und Beweise vollkräftig und unwiderlegbar.

Der Hungertod Springintguts war auf Befehl Dalenborgs, Schuppers und Sengstakes über den Unglücklichen verhängt, und der Schließer hatte den grauenvollen Auftrag ausgeführt und war dadurch selber zum Mörder geworden. Stephan Bartels und die anderen Maurermeister bezeugten, wie sie den Toten im Kerker gefunden und was ihnen der Schließer darüber gestanden hatte.

Gotthard Henneberg erzählte nun, unterstützt vom Bürgermeister Viskule, seinen eigenen Söhnen, sowie Jakob und Dippold, wie er hinterhältig in den blauen Turm gelockt, dort verräterisch überfallen worden wäre und wie sie dann Dalenborg überfallen und eingesperrt hätten.

Die schriftlichen Belege für die Verhandlungen, mit denen Dalenborg und Schupper hohe Rechte und Freiheiten der Stadt verschleudern und verschachern wollten, und wie sie sich aus dem Vermögen der Stadt diebisch bereichert hatten, lag klar und offen dort auf dem Tisch. Niebuhrs Teilnahme daran war nur gering, aber ganz zu reinigen vermochte er sich nicht.

Die zehn Sülfmeister und Amtsmeister wußten von all den Schandtaten nichts, trugen aber doch als ehemalige Ratsmannen die Verantwortung für den der Stadt zugefügten Schaden und hatten außerdem die Beschämung, sich als willenlose Werkzeuge ihrer Gewalthaber tadeln und schelten lassen zu müssen. Die Klage gegen Timmo hob der Richter auf, weil Sengstakes Flucht nicht geglückt war und weil Timmo so ehrlich gewesen war, das von jenem geraubte Silberzeug zurückzubringen, und auch das Kommen des Herzogs gemeldet hatte.

Damit schloß die Verhandlung, und der Schultheiß hatte nun die Bank um das Urteil zu fragen. Er wandte sich zu den Schöffen und sprach: »Stehend schilt man Urteil, sitzend findet man Urteil unterm Königsbann, jeder auf seinem Stuhle. Schöffen, findet das Urteil nach euren Sinnen, so ihr es am besten wißt; ihr leidet darum keine Not, sei es gleich Unrecht. Schöffen auf der Bank, ich frage euch um euer Urteil!«

Nach kurzer, flüsternder Beratung sprachen die Schöffen auf sämtliche Klagen ein einstimmiges Schuldig.

Da erhob sich der Schultheiß von seinem Sitz, entblößte das Haupt und tat seinen Spruch. Er verdammte Dalenborg, Schupper und den Schließer zum Tode durch das Rad. Niebuhr wurde an Leib und Gut friedlos gelegt und auf ewige Zeiten aus der Stadt und dem Herzogtum Lüneburg verbannt. Die übrigen zehn wurden zu einer bürgerlichen Buße von mäßigem Betrage verurteilt, mit jeder anderen Strafe jedoch verschont und von ihrem Einlager erlöst. Sie waren von Stund an frei, während die drei dem Tode Verfallenen gebrochenen Mutes in ihre Kerker zurückgeführt wurden.

Bei Aufdeckung der gegen die Stadt verübten und geplanten Verbrechen war Gotthard Henneberg der Hauptzeuge gewesen und hatte dabei die mitangeklagten fünf Amtsmeister so eifrig und warm verteidigt, sie so aller Schuld zu entbürden gesucht, daß sie ihm nach ergangenem Spruch aus vollem Herzen aufrichtig dankten. Er aber befand sich in einer seltsamen Erregung, erwiderte ihren Händedruck stumm, hörte kaum auf ihre Worte und schien mit seinen Gedanken weitab zu sein.

Jetzt tat Herr Georgius von Elebek, ehe er das Gericht aufhob, die übliche Umfrage.

Er sprach: »Gerechtes Gericht ist gehegt und gehalten, Klage geführet, Urteil gefunden, Spruch gefällt. Ich frage: Hat noch einer vor Stuhl und Bank, vor Schrann' und Schrank' etwas zu sagen, zu fragen, zu klagen?

Ich frage zum anderen Male. –

Ich frage zum dritten Male. – –«

Alle schwiegen. Der Schultheiß griff nach seinem Schwert, um es von dem aufgeschlagenen Sachsenspiegel zu nehmen und in die Scheide zu stecken.

Gotthard Henneberg hatte die Frage wohl gehört, aber er rührte sich nicht. Mit starrem Blick auf das geöffnete Buch dort stand er und kämpfte in seinem Herzen einen verzweifelten Kampf. Als er aber des Richters Eisenhand nach dem Schwert greifen sah, fuhr er zusammen und war mit drei mächtigen Schritten vorn an der Schranke.

»Richter auf dem Stuhle, ich klage, klage, klage!« rief er mit rauher, hohler Stimme, und sein Gesicht hatte einen erstreckenden Ausdruck.

Der Schultheiß sowohl wie alle übrigen dachten verwundert: ›Was mag er noch wollen?‹

Der Schultheiß antwortete: »Kläger, der Richter höret dein Gerüffte; schreie deine Klage!«

Gotthard Henneberg sprach, sich mühsam fassend: »Ich klage wider meinen leiblichen Sohn, den Böttcherknecht Gilbrecht Henneberg, wegen einer Tat, die an Hand und Hals geht.«

Da ward es still umher. Mit stockendem Atem blickten alle auf den Sülfmeister. Unbeweglich stand auch der Richter; er hatte die Lippen zum Sprechen geöffnet, aber es kam kein Ton aus seinem Munde.

Gotthards Brust hob und senkte sich, als er sich zum Reden zwang und endlich, wie zu allen gewendet, fortfuhr: »Ich sehe wohl euer Entsetzen über meine Worte, und mir selber ist das Herz schwer genug dabei; aber ich habe die Wahrheit gesprochen und weiß, was ich tue. Herr Schultheiß und ihr, hochedle Herren, Bürger und Freunde! In den bitteren Tagen, die ich am liebsten aus der Chronik unserer Stadt ausstriche, ist viel gesündigt worden, und hier haben wir mit unseren Ohren den Spruch gehört, der den üblen Taten ihren Lohn gibt. Da will ich nicht, daß einer, und wenn es mein eigener Sohn, und wenn ich es selber wäre, mit ungebüßter, heimlicher Schuld dahingehe, sondern ich will, daß alles, was in jener Zeit gebrochen und gefrevelt ist, auch vor Gott und Menschen gesühnt werde.«

Er wandte sich um und suchte Gilbrecht. Der stand schon hinter ihm, bleich, wie betäubt von der peinlichen Klage, mit niedergeschlagenen Augen. Der Meister warf einen schmerzlichen Blick voll inniger Liebe auf den Sohn, faßte ihn bei der Hand, zog ihn neben sich und sagte: »Komm her, Gilbrecht, und bejahe meine Rede.« Dann sprach er zum Richter: »Mein Sohn hat, um Fräulein Hildegund Viskule zu befreien, mit vorbedachtem Mut und eigener heilloser Hand das Kloster Lüne in Brand gesteckt.«

In der Laube entstand ein Geflüster und Geraune, das stärker und stärker ward; aber man merkte wohl, daß es nicht Unwille gegen Gilbrecht war, sondern Beifall für seine Tat, und hier und da wurden einzelne Stimmen laut: »Wenn's weiter nichts ist! – Da hat er recht getan! – Das Pfaffennest! – das soll er nicht büßen!«

Der Richter klopfte mit dem Stabe auf, bis wieder tiefe Stille ward, und sprach dann: »Gilbrecht Henneberg, die Klage geht dir ans Blut. Aber du bist nicht binnen Tag und Nacht in der handfesten Tat überwunden, und auf sächsischer Erde mag jedermann seinen Schaden verschweigen, solange er will. Dennoch frage ich dich, und du magst mir antworten nach deinem Eigenwillen: Willst du deines Vaters Rede bewähren?«

Gilbrecht antwortete: »Ja!«

»Hast du einen Mundwalt?« fragte der Richter weiter.

»Ich will sein Mundwalt sein!« rief Heinrich Viskule und stellte sich neben die beiden Hennebergs an die Schranke. »Meine Tochter Hildegund ist von dem Propst zu Lüne halb mit Gewalt, halb mit lügenhaften Vorspiegelungen ins Kloster entführt worden und dort gegen ihren Willen festgehalten. Ich lag gefangen, und man redete ihr ein, sie könnte anders nicht mein Leben retten, als wenn sie den Schleier nähme und ihr Erbe dem Kloster vermachte. Da beschloß Gilbrecht Henneberg, ihr Freund und Jugendgespiele, meine Tochter zu retten, und um in das Kloster eindringen zu können, steckte er ein kleines Strohdach in Brand, das weitab vom Klostergebäude hart an der Mauer stand. In dem Lärm und Gewirr beim Löschen des Feuers hat er die Jungfrau herausgeführt. Weiter ist kein Schaden gestehen; ich will ihn dreifach, will ihn zehnfach vergüten, aber ich will auf die Heiligen schwören, daß Gilbrecht Henneberg des Mordbrennens unschuldig ist; ihr dürft nicht Ungericht über ihn halten.«

Da ward es noch lauter im Saal, und sie riefen: »Nein, nein! Er ist kein Mordbrenner! Das darf er nicht büßen!«

Der Schultheiß aber schüttelte ernst und traurig das Haupt und sagte: »Ich kann ihn nicht lösen, ich kann ihm nicht Frieden erwirken. Ihr möget das Urteil schelten, wenn es euch unrecht dünkt, und euch Boten erbitten, es dahinzuziehen, wohin ihr es nach Recht ziehen sollt; aber ich stehe hier unter Königsbann, gerechtes Gericht zu halten nach Sachsenrecht. Schöffen auf der Bank, findet das Urteil!«

Die Schöffen berieten sich, und dann sprach ihr Obmann: »Richter auf dem Stuhle, wir können das Urteil nicht finden. Er ist nicht unschuldig, und er ist nicht schuldig.«

Mit klopfendem Herzen, regungslos wie ein Bild von Stein stand der Sülfmeister und hing mit brennenden Augen an den Lippen des Richters, dessen Spruch alle, alle mit höchster Spannung erlauschten.

Der Richter sprach nach einer kurzen Überlegung: »Kläger, Ihr meintet es, es dürfe keine Schuld ungebüßt bleiben, jeder Frevel müßte gesühnt werden. Ich verstehe Euch; Ihr möchtet Euern Sohn vor Gott und Menschen wieder redlich machen.«

Gotthard Henneberg nickte, und der Schultheiß fuhr fort: »So höret meinen Spruch! – Gilbrecht Henneberg, des Mordbrennens spreche ich dich frei. Weil du aber ohne Recht und Erlaubnis mit selbsteigener Gewalt in den geweihten Frieden drangest, so heiße ich dich einen Friedensbrecher und verfeste dich für deine jähe Tat aus der Stadt Lüneburg auf ein Jahr und einen Tag. Weil du aber nicht zu eigenem Nutzen gefrevelt hast, sondern nur in rascher Jugend Art helfen wolltest, wo du keine andere Hilfe sahest, so sollst du nicht ehrlos, nicht rechtlos, nicht friedlos sein, und wenn du wiederkommst zu deiner beschiedenen Zeit, so sollst du aller Schuld und Sühne quitt und ledig sein. Soll ich dir Tag geben, so sag es!«

Gilbrecht schwieg; aber Heinrich Viskule sagte: »Ich bitte für ihn um fünf Tage.«

»Gut!« sprach der Schultheiß. »Von heute in fünf Tagen magst du aus dem Tore gehen.« –

Das Gericht war zu Ende. Gotthard Henneberg atmete auf wie von einer schweren Last befreit und reichte dem Schultheißen die Hand zum Dank für seinen gelinden Spruch. Viele der Anwesenden kamen zu Gotthard und seinem Sohne mit freundlichem Trost und Zuspruch und priesen den weisen milden Richter.

Gilbrecht aber war niedergeschmettert von dem trübseligen Gedanken, sich von Hildegund trennen zu sollen, und wenn er nach Jahr und Tag wiederkäme, dachte er, wer weiß, wo dann Hildegund war! – –

Zwei Tage später klang in der Morgenfrühe das Armesünderglöcklein. Der »ungenannte Mann« übte an den drei Verurteilten auf offenem Markte sein blutiges Handwerk und brachte Dalenborg, Schupper und den Schließer vom Leben zum Tode. Johann Springintgut war gerächt.


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