Julius Wolff
Der Sülfmeister
Julius Wolff

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel

Wieder war Sonntag, in der Stadt und auf dem Lande. Da durfte sich in Meister Hennebergs Werkstatt kein Beil und kein Messer rühren, und die Diele mußte schon Samstagabend zur größten Ordnung aufgeräumt sein. Die Vorräte an Holz und Reifen waren regelrecht aufgestapelt, die Tonnen, wie alle in Arbeit befindlichen Werkstücke und die Schneide- und Fügebänke waren in Reih und Glied beiseitegestellt, und alles Handwerkszeug lag oder hing so sorgfältig an seinem bestimmten Platz, als wenn es lange Zeit nicht gebraucht werden sollte. Die Wohnstube konnte nicht sauberer sein als sie es immer war. Die runden, bleigefaßten Fensterscheiben waren spiegelblank; die derben Holzschemel mit den geschweift ausgeschnittenen Rücklehnen standen wohlgeordnet auf dem reinlichen Estrich, und den großen Eßtisch in der Mitte bedeckte ein weiß und rot gewürfeltes Laken. An dem schönen Nußbaumschrein wie an einem anderen, auch kunstvoll gefügten aus Eichenholz war kein Stäubchen zu sehen. Die krausen Eisenbeschläge an den braunen Türen der Wandschränke glänzten wie Silber; die schweren Messingleuchter auf dem Gesimse des mächtigen Ofens und die Krüge, die Schüsseln und Teller von Zinn auf den Kandelbrettern blinkten und blitzten heute wie immer. Auf dem kleinen, mit einem buntgestickten Tuch belegten Tisch zwischen den beiden Lehnstühlen an der Fensterwand harrte ein blauer Steinkrug seines Blumenschmuckes, und über die längliche Truhe, die zugleich als Sitzbank neben dem Ofen diente, war eine weiche, dunkelfarbige Decke gebreitet. Zum Morgenimbiß gab es sonntags im Goldenen Ei feineres Brot, Wecksemmel und Schönroggen, und man blieb länger und ruhiger dabei sitzen. Jeder mußte dazu im Feiertagskleide erscheinen, und lauten Scherz und weltliche Kurzweil litt des Meisters frommer Sinn dabei nicht; dazu war nach der Kirche den ganzen übrigen Tag noch Zeit genug. Die Hausgenossen bewegten sich langsamer und gemessener, traten sachter auf, rückten die Stühle leiser und benahmen sich gegeneinander rücksichtsvoller als sonst, wo man sich in der kurzen Ruhe zwischen der Arbeit nicht mit Förmlichkeiten abgab. Bloße Förmlichkeiten waren es aber auch heute nicht; es lag in diesem maßvollen Wesen nichts Gemachtes, sondern es war echte Sonntagsstimmung, die sich unwillkürlich den Gemütern aufprägte als eine würdige Vorbereitung für den Gottesdienst.

Die Häuser selbst hatten ein ungewöhnliches Aussehen in dieser Sonntagsruhe; denn wenn sie auch nicht wie ihre Bewohner andere Kleider anziehen konnten, so standen sie doch, Giebel neben Giebel, still und ernst in den engen gebogenen Gassen, und kein Arbeitsgeräusch drang aus ihren feiernden Dielen. Die Schlagfenster der Kramladen und Werkstätten waren geschlossen, ebenso die Fleischschranken, die Brotbänke und die Kisten der Wandschneider, denn sonntags durfte nichts verkauft werden, es sei denn, daß man das erste oder das letzte Gewand für ein armes Menschenkind zu seinem Eingange ins Leben oder zu seinem Ausgange daraus nötig hatte, eine Windel oder ein Totenhemd. Das sechstürmige Rathaus lag in einer unnahbaren Würde breit und mächtig da; es brauchte ja heute nicht zu regieren, die Treppen ruhten sich aus von den gewichtigen Schritten der Gestrengen und Hochgewaltigen, und die Stuben waren gelüftet von all den weisen Gedanken und dumpfen Sorgen, die sonst darin brüteten und schwelten. Der Brunnen auf dem Markte mit dem Bilde der sagenhaften Göttin Luna sprudelte auch heute sein klares Wasser mit werktäglicher Eile und Geschwätzigkeit, und die hüllenlose Schöne mit Pfeil und Bogen in den Händen und dem Halbmond auf der lockigen Stirn hatte auch heut ihr gefälliges Lächeln für jung und alt. Der granitne Pranger daneben mit dem Halseisen und den Schandsteinen an der Kette, um den ein jeder scheu herumging, sah finster und mürrisch aus wie immer. Er dachte wahrscheinlich an seinen vornehmen Vetter draußen in der Heide vor dem Lüner Tor auf dem Prensberge, der mit seinem gemauerten Unterbau und den vier runden, durch Balken verbundenen Säulen hoch in der Luft meilenweit sichtbar war. Man nannte ihn nicht gern, denn wer spricht denn gern von der Hängerei? Auch der hölzerne Esel neben dem Brunnen auf dem Markte streckte seine langen Ohren träumerisch in den Sonntagsmorgen hinein, wahrscheinlich verwundert, daß seit längerer Zeit kein Verspotteter auf seinem schmachvollen Rücken gesessen hatte.

Die Glocken läuteten zur Kirche, und die Gläubigen folgten dem feierlichen Rufe. Ernste Männer, Ratsherren, Sülfmeister und Handwerker, in pelzverbrämten Schauben oder in geschonten Leibröcken aus dunklem Tuch schritten langsam, bedächtig dahin. Geschmückte Frauen mit gold- und silbergestickten Schapeln und schönen Gürtelketten, an denen die faltigen, samtbesetzten Kleider geschürzt waren, und sittsame Jungfrauen mit niedergeschlagenen Augen, das Gebetbuch in den gefalteten Händen, wandelten an der Seite der würdigen Eheherren, während Knechte und Mägde sich ihnen bescheiden anschlossen. Auch im Böttcherhause durfte niemand zurückbleiben. Ilsabe ging mit der Mutter voran, und Meister Gotthard folgte ihnen mit seinen Söhnen und Jakob zur benachbarten Nikolaikirche, die zu Anfang des Jahrhunderts mit Hilfe von Stiftungen der in ihrer Nähe wohnenden Schiffer und Salztonnenböttcher erbaut war. Hoch oben im Mittelschiff lief an der Wand unter dem schließenden Gewölbe ein schmaler, schwindelerregender Gang rundum, der nur von einem dünnen Eisenstab umzäunt war und der Mönchsgang hieß. Auf den seitlichen Emporen waren die Priechen mit den Wappenschildern der vornehmen Geschlechter in der Gemeinde und unten im Schiff die Sitzreihen für die Bürger und Handwerker, gleichfalls mit den geschnitzten und gemalten Wappen der Gilden bezeichnet, die hier ihre bestimmten Bänke für die Meister und deren Angehörige hatten.

Wenn die Viskules die Hennebergs oder die Hennebergs die Viskules sehen wollten, so bedurfte es dazu nur einer geringen Wendung der Köpfe. Sie sahen sich auch heute, nickten sich nach ihrem Eintritt freundlich zu, und während des Gottesdienstes stahl sich mancher heimliche Blick von dort herab, von hier hinauf. Einer fehlte da oben in der Prieche, an deren Brüstung der Schild hing mit den drei silbernen Fischschwänzen in rotem Felde, die einen gemeinschaftlichen Kopf in der Mitte hatten und sich von ihm aus wie Radspeichen nach außen hin krümmten. Balduin fehlte, weil er, wie Ilsabe später erfuhr, behauptete, sein Lieblingsprediger stünde auf der Kanzel der Michaeliskirche, die zu dem großen Kloster unter der Hut des Abtes Ludolf von Hitzacker gehörte.

Es war der erste Sonntag, also auch der erste mit Predigt verbundene Gottesdienst nach dem Bekanntwerden des wahren Sachverhalts in dem Streit mit den Prälaten. Allerdings genossen diejenigen, die zuerst für dieses Bekanntwerden unter der Hand gesorgt hatten, wenig Vertrauen in der Bürgerschaft, und viele aus der letzteren neigten sich immer noch lieber zu dem Glauben an einen günstigen Stand der Angelegenheit, als einen so bedrohlichen, wie der war, mit dem man sie schrecken wollte. Allein mit dem allmählichen Umsichgreifen des erst scheu und schleichend und dann immer sicherer auftretenden, sich immer böswilliger gebärdenden Gerüchts wuchsen auch die Zweifel an den von seiten des Rates kundgegebenen Nachrichten, und wenn etwas dazu angetan war, diese Zweifel noch bedeutend zu verstärken, so waren es Inhalt und Ton der heutigen Predigten in sämtlichen Kirchen der Stadt. Wie sich nachher beim Austausch der Meinungen herausstellte, herrschte darin eine so auffällige Übereinstimmung des Gedankenganges, ja beinahe des Wortlautes, daß die Vermutung nahelag, dieses Predigt hätten zwar sieben Geistliche gehalten, aber nur einer hätte sie verfaßt, und zwar einer, der die Macht hatte, den anderen vorzuschreiben, was und wie sie reden sollten. Ein unmittelbarer Hinweis auf den schwebenden Streit oder die darüber hin- und herflutenden Gerüchte wurde zwar von der Kanzel herab vermieden, aber der Anspielungen waren so viele und sie ließen an Deutlichkeit so wenig zu wünschen übrig, daß sie auch die Einfältigsten verstanden.

Die Übereinstimmung des Wortlautes lag zum Teil auch in den angeführten Bibelstellen. Die Heilige Schrift befand sich nicht in den Händen der Laien, die sie in den fremden alten Sprachen doch nicht hätten lesen können. Um so mehr aber erfüllte es christgläubige Gemüter mit frommen Schauern der Andacht und der Ehrfurcht, wenn von dem geheimnisvollen Gotteswort gesprochen wurde, das nur in Klöstern in dicken Büchern aufbewahrt und abgeschrieben wurde. Wenn es dann von den Lippen des gelehrten Mönches klang: Es steht geschrieben: »Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist«, oder »Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen«, so wirkten die göttlichen Lehren wie Offenbarungen des Heiligen Geistes. Aber wenn es nun an die Auslegung und Nutzanwendung ging, so kamen sie den Hörern wieder wie rein menschliche Mahnungen vor, recht ausgesucht und zugestutzt zu Wahlspruch und Kriegsruf ihrer bei dem brennenden Streit stark beteiligten Geistlichkeit. Auch von der Obrigkeit, die von Gott eingesetzt ist, war die Rede, aber nicht der Rat, sondern der Kaiser und noch mehr der Papst in Rom wurden als höchste Obrigkeit auf Erden gepriesen, deren Willen und Ausspruch sich männiglich in allen Dingen unbedingt zu fügen hätte. Des Rates ward allerdings auch gedacht, aber in Ausdeutung des Spruches: »Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen.« An die Drohung mit grausamen Höllenstrafen für den Ungehorsam gegen jene allerhöchste Obrigkeit knüpfte sich eine handgreifliche Ausmalung der fürchterlichen Folgen des großen Bannes. Der Schluß war: Wenn die Menschen Frieden auf Erden und die ewige Seligkeit im Himmel haben wollten, so sollten sie sich nur auf guten Fuß mit der heiligen Kirche stellen und um Gottes willen alles tun, was deren fromme Diener von ihnen verlangten.

Die andächtig versammelte Gemeinde lauschte der Predigt mit sehr geteilten Gefühlen. Viele Zuhörer gönnten dem Rate die halb versteckte, halb offene Zurechtweisung, andere ärgerten sich über die geistliche Anmaßung, die ihnen einen Abfall vom Rat und ein Aufgeben städtischer Vollmacht zumutete. Die anwesenden Ratsherren selber hatten alles vollkommen begriffen, ärgerten sich aber nicht mehr und nicht weniger darüber, als wie man sich über einen gut überlegten und geschickt ausgeführten Schachzug seines Gegners ärgert, gegen den man sich in dem Augenblick nicht schützen und verteidigen kann. Hier in der Kirche freilich mußten sie es einstecken und schweigen, aber – so dachten sie – wenn der geistliche Herr da sich gefälligst einmal auf das Rathaus bemühen und ihnen dort dasselbe noch einmal sagen wollte, so würden sie auch nicht auf den Mund gefallen sein, sondern ihm ganz gehörig heimleuchten.

Nach Beendigung des Gottesdienstes war eine große Erregung unter den Gemeindegliedern; die Männer besonders fühlten das Bedürfnis einer gegenseitigen Aussprache über das Gehörte, wesentlich unterstützt durch die Gewohnheit, nach der Kirche einen Morgentrunk zu sich zu nehmen. In des Rates Bierkeller am Sande – des Rates Weinkeller befand sich unter dem Rathause am Markt –, über dessen Eingang ein eisengeschmiedeter Drudenfuß als Wahrzeichen hing, gab es eine Amtsmeisterstube, so genannt, weil hier die Amtsmeister und zuweilen auch einige Älterleute der Gilden ihr Bier zu trinken pflegten, namentlich sonntags, wo man dann eine Stunde später zu Mittag aß. Da war schon manche vertrauliche Beratung gepflogen, schon mancher hartnäckige Streit ausgebrochen, mancher aber auch mit einem tiefen Trunk und einem kräftigen Handschlag beigelegt und ausgeglichen.

Auf dem Heimwege von der Kirche trennten sich die Männer von ihren Familien und suchten die Trinkstuben auf. Die Amtsmeister gingen in des Rates Bierkeller, wo die Amtsmeisterstube heute ungewöhnlich zahlreichen Besuch hatte. Sie schüttelten sich die Hände, erkundigten sich gegenseitig nach ihrem und ihrer Frau Eheliebsten Wohlergehen und ließen sich an den Tischen nieder zu einem Kruge Salzwedeler oder Hildesheimer Bier.

»Heute hat es der Rat aber mal gut gekriegt!« fing der eine an.

»So? Bei euch auch?« fragte ein anderer.

»In Sankt Johannis ist es auch nicht schlecht über ihn hergegangen«, sagte ein dritter.

»Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen, hieß es bei uns«, sprach wieder ein anderer, »das war doch deutlich?«

»Was? So ungefähr klang es ja bei uns auch« – »Bei uns ganz genauso«, riefen zwei schnell nacheinander. Nun kam es allmählich heraus, daß sie fast alle dieselbe Predigt gehört hatten.

»Ich hab's dem Rate gegönnt«, sprach Dörgerloh.

»Ich auch! Ich auch!« riefen ein halbes Dutzend andere.

»Und gesessen hat's!« sagte Komrath, der Sattler und Riemenschneider. »Ich habe Ludolf Töbing dabei in Obacht genommen, der wurde braun und blau vor Ärger und schoß ganz wütende Blicke nach dem Predigtstuhle.«

»Das glaub' ich«, lachte Ryssupp, der Reepschläger, »der hätte gewiß am liebsten dazwischengeschlagen.«

»Wollt ihr's ihnen etwa verdenken«, sprach der Schiffer Kerkrink, »daß sie kein freundlich Gesicht dazu machen, wenn sie vor der ganzen Gemeinde mit schmählichen und freventlichen Worten überfahren werden?«

»Das hat noch niemand getan«, rief Meister Dörgerloh wieder, »der Rat ist nur mit ziemlichen und christlichen Worten zu ehrbarer Billigkeit gegen die weltliche und geistliche Obrigkeit und zu Nutz und Notdurft gemeiner Stadt ermahnt worden sonder Arglist und Gefährde.«

»Die christlichen Worte hatten bisweilen einen recht scharfen Klang, lieber Meister Dörgerloh«, sprach Hans Laffert, der reiche Goldschmiedemeister mit dem weißen Haar und dem freundlichen, klugen Gesicht. »Jeder sollte sich des Friedens und guter Einigkeit befleißigen und sich an Gleichheit und Recht genügen lassen.«

»Ja, tut das denn der Rat?« fragte Hesterwegen, der Schuster, auf. »Was er dem einen gibt, nimmt er dem anderen und stiftet selber Zwietracht und schädliche Irrungen. Was meint Ihr, Meister Burchard?«

Doch ehe Burchard Rokswale, Amtsmeister der Brauer und ein stattlicher, stark gebauter Mann mit ausdrucksvollen Zügen, der bis jetzt ruhig zugehört hatte, antworten konnte, riefen mehrere Stimmen zugleich: »Da kommt der Sülfmeister! Der wird's euch schon sagen!«

Als Meister Gotthard Henneberg langsamen Schrittes eintrat, erhoben sich viele, ihn freundschaftlich zu begrüßen. Sie machten ihm bereitwillig in der Mitte des größten Tisches Platz, er kam zwischen Dörgerloh und Laffert, Rokswale gegenüber zu sitzen.

»Seid wohl schon mit allem Fleiß dabei, euch des Rates günstig anzunehmen?« fragte er lächelnd, sich im Kreise umschauend. Da lachten sie alle, und Rokswale sagte: »Jawohl, Henneberg! Kommst gerade recht; hier wird immer noch weiter gepredigt.«

»Kann's mir denken«, lachte Meister Gotthard.

»Könnt Ihr Euch auch denken, Henneberg, daß wir heut alle dieselbe Predigt gehört haben?« fragte Dörgerloh.

Meister Gotthards Gesicht wurde sehr ernst, und es war in diesem Augenblick tiefe Stille; alle lauschten auf des Sülfmeisters Meinung über diesen seltsamen Umstand. Er sagte ruhig und bedächtig: »Dann, liebe Brüder, müssen wir auch alle dieselbe Antwort darauf geben.«

»Aber war für eine Antwort?« fragte Dörgerloh.

»Ja, ja, was für eine? Welche Antwort?« wiederholten mehrere zugleich.

Gotthard Henneberg hob das Haupt und hob die Stimme, als er mit einem entschiedenen Blick auf die Frager an den Nebentischen sprach: »Ich weiß nur eine: fest und treu zur Stadt und zum Rate stehen, daß uns keiner an unsere Freiheit rührt!«

»Das seh' ich nicht ein!« rief Hesterwegen.

»Ne, ich auch nicht, ich auch nicht!« klang ein vielfaches Echo.

Da kam es von der Tür her, an der mehrere Neueingetretene stehengeblieben waren: »Unsere Freiheit wollen wir uns nicht nehmen lassen, aber auch vom Rate nicht, und wer das Feuer aufgeblasen hat, der sehe zu, wie er es wieder lösche!«

Aller Augen wandten sich zu dem Sprecher, der jetzt hervortrat. Es war Schuttenhelm, der Schmied, ein breitschultriger, baumstarker Mann, der sich einer großen Beliebtheit erfreute.

»Recht so, Schuttenhelm! Meister Schuttenhelm hat recht! Meister Schuttenhelm trifft das Eisen immer auf den richtigen Fleck!« rief es laut durcheinander.

»Komm her, Schmied! Schlag eine Hitze mit!« rief Schnewerding, der Harnischmacher und Plattenschläger.

»Wer das Feuer aufgeblasen hat, Schuttenhelm, das will ich dir sagen«, sprach Gotthard Henneberg. »Das haben die Prediger getan heut in der Kirche.«

»Was? Wo? In der Kirche?« fragte der Schmied. »Ich war nicht in der Kirche.«

Nun wurde ihm von den Umsitzenden kurz und schnell berichtet, was sich begeben hatte. »Steht es so?« rief er da. »Das ist ein ander Ding; Sülfmeister, dann bin ich dein Mann! Wenn ich die Pfaffen mal unter meinen Hammer kriegen könnte –«

»Dann kämen sie freilich vor die rechte Schmiede«, lachte Schellepeper, der Wandschneider, und alle lachten aus vollem Halse mit, blickten auf des Schmiedes furchtbare Faust und tranken ihm zu. Denn wenn auch der Rat hier manchen Gegner hatte, so hatten doch die Prälaten hier keinen Freund.

Jetzt erhob sich Rokswale, der Brauer, und sprach: »Nicht so rasch, liebe Brüder! Wir können hier das Urteil nicht finden, wer im Recht und wer im Unrecht ist, aber da wir hier freundlich versammelt und beieinander sind, so vermein' ich, wir könnten bei dieser umständlichen Gelegenheit uns wohl danach umtun, wie sich jeder von uns zu des Rates Sache zu stellen gedenkt. Wenn das zur Wahrheit käme, was Sengstake oder Dalenborg euch gewiß ebensogut zugetragen hat wie mir –«, – »jawohl, jawohl, die kennen wir ja!« riefen die anderen dazwischen – »wenn das wahr ist, sag' ich, daß unsere gute Stadt Acht und Bann zu gewärtigen hat, so dürfen das die Ämter nicht ruhig mit ansehen, sondern dann ist es Zeit, daß wir unser Recht stärken und nicht verkränken lassen. Können wir das Übel abwenden mit dem Rate, so ist es desto besser; wäre es aber, was Gott verhüten wolle, daß die Sache Grund und Meinung hätte, und der Rat es aufs Äußerste ankommen lassen wollte, so müssen wir mit ganzem Ernst und Fleiß im gemeinen Nutzen des Handwerks uns beraten, was wir nach Gelegenheit der Zeit tun oder lassen wollen.«

»So laßt uns die Gelegenheit der Zeit benutzen, unser Recht zu stärken«, sprach Dörgerloh. »Was uns der Rat, dieser Vetterleinsrat und Säckelfeger, so lange er in seinem Hochmut obenauf ist, nicht einmal auf unser vielfältiges, dienstliches Bitten nachgeben und verstatten würde, das ließe sich jetzt leicht durchdrücken sonder Gefährde.«

»Jawohl!« sagte Regenstörp, der Knochenhauer. »Wie ist es denn den Pantoffelmachern ergangen, als sie einen ehrbaren Rat mit inständiger Bitte anfielen, er möchte sie aus besonderer Bewegung mit einer Rolle günstiglich versehen und begnaden? Da hieß der Bescheid: Geht nur nach Hause, die Herren haben andere Dinge zu denken und zu schaffen, und wenn sie etwas beschließen wollen, so werden sie euch nicht fragen. Da standen nun die Pantoffelmacher und gingen nach Hause und blieben fromme Leute.«

»Und sie haben heute noch keine Rolle«, rief Peter Flachs, der Lohgerber, »wir aber, die wir eine haben, wir wollen doch mal ernstlich nachsehen, ob wir nicht manchen Punkt darin finden, den wir mit Willen, Wissen und Wort des Rates anders haben möchten.«

»Freilich! Genug!« rief Hesterwegen und sprang auf. »Ich weiß gleich einen: daß wir Morgensprache halten können, so oft uns das gelüstet und beliebt, auch ohne eines ehrbaren Rates Vorbewußt und Vollbord, auch ohne Gegenwart und Beisein der Morgensprachsherren.«

Dieser Vorschlag fand von allen Seiten jubelnden Anklang. Ja, hieß es, wenn wir das durchsetzen könnten, wenn der Rat uns das nachgeben wollte, so sollte er auch in seinen Angelegenheiten auf uns zählen können. Noch andere Anträge wurden gestellt. »Der Rat soll sich nicht hineinmischen, wie und wo wir unser Holz, Korn, Leder, Tuch und so weiter einkaufen, sondern das den Ämtern allein überlassen, die schon dafür sorgen werden, daß sich der Arme mit dem Reichen bergen kann«, sprach Eekholt, der Schreiner und Kuntormacher.

»Gut, gut! Das war eine wackere Hobelpredigt, Meister Eekholt!« rief Sachtleben, der Hutmacher. »Und wenn die Wardierer umgehen, so sollen das die Älterleute allein tun, ohne einen Abgesandten des Rates, denn was der vom Handwerk versteht, dafür gebe ich keinen Fünftageshut!«

»Alles, was Äste hat!« rief Eekholt. »Sachtleben, ich trinke dir eins zu!«

»Und der Rat soll die Bannmeile erweitern, binnen der keiner Arbeit machen und verkaufen darf, der nicht zur Gilde gehört«, sprach der Schneider Vogelsang.


 << zurück weiter >>