Julius Wolff
Der Sülfmeister
Julius Wolff

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Viertes Kapitel

So harte Kämpfe, wie die ratsfreundlichen Bürger mit ihren Frauen zu bestehen hatten, blieben Daniel Spörken als einem Gegner des Rates natürlich erspart; desto mehr hatte er unter der brennenden Neugier seiner Frau zu leiden, die auf jede Weise hinter das Geheimnis seines so auffällig veränderten Wesens zu kommen suchte. Es war aber nichts aus ihm herauszukriegen. Ihren dringenden Fragen, wobei sie auf dies und jenes riet, wich er aus mit der Bemerkung, daß es noch Geheimnis bleiben müßte, was da Großes im Werke sei; an ihr Schelten und Drohen war er zu sehr gewöhnt, als daß es noch Eindruck auf ihn gemacht hätte, und auf den Gedanken, es ihm mit schmeichelnden Liebkosungen abzulocken, kam sie gar nicht, ihre Zärtlichkeiten würden ihn auch schwerlich zu dem Bekenntnis verführt haben, daß er Ratsherr werden wollte. Gesche, die ihren Daniel in- und auswendig zu kennen und unumschränkt zu beherrschen glaubte, war wütend, daß sie in diesem Falle nichts bei ihm ausrichtete, und zog daraus den Schluß, daß sein Geheimnis höchst gefährlich sein, vielleicht sie selber nahe angehen müsse. Timmo gab vor, nichts zu wissen, was ihm Gesche keineswegs glaubte. Sie rächte sich an den beiden verstockten Sündern zunächst durch ein versuchtes Aushungern derselben, gab ihnen wohl kümmerlich satt zu essen, aber es war auch danach. Timmo wurde dessen bald überdrüssig, und um wieder besseres Futter zu haben, beschloß er, die Meisterin durch ein erlogenes Geständnis zu versöhnen und sich damit gleichzeitig für die mehrtägige schlechte Behandlung nun wiederum an ihr zu rächen.

Als sie in Daniels Abwesenheit wieder einmal einen Angriff auf seine Verschwiegenheit machte, heuchelte Timmo die schmerzlichste Verlegenheit. Er zog die Stirn in düstere Falten und stieß erschütternde Seufzer aus, dann rieb er sich, den Oberkörper auf dem Schemel auf und ab bewegend, mit den Händen beide Knie, kratzte sich erst am Ellenbogen und dann am Kopf, warf einen verzweifelten Blick auf die Meisterin und einen ängstlichen auf Hans. Gesche, die alle diese Anstalten als die ringenden Vorbereitungen eines schwer belasteten Gewissens zu einer befreienden Beichte erkannte und auch den Blick auf den Lehrjungen verstanden hatte, sagte: »Hans, geh mal zur Frau Lise Langepape in der Wandfärberstraße (das war genau am entgegengesetzten Ende der Stadt), ich ließe ihr einen schönen guten Morgen wünschen, und wie sie und ihr Kleines sich heute befänden.«

Hans sah seine Meisterin mit einem Gesicht an, das ungefähr besagen mochte: O Gott! Was wird er dir aufhängen! Und ging seines Weges.

»So!« sprach Gesche dann und rückte mit dem Stuhl an die äußerste Kante ihrer Fensterstufe. »Jetzt ist die Luft rein, nun heraus mit der Sprache!«

»Meisterin!« begann Timmo und kratzte sich wieder auf dem Kopf. »Das ist ein sehr kitzliches Ding; ich weiß bei meiner armen Seele nicht, ob ich's Euch sagen soll und wie ich's Euch sagen soll.«

»Dummheiten! Nur zu!« ermunterte Gesche.

»Ja, Meisterin, wollt Ihr mir auch hoch und heilig schwören –«

»Ja, ja, ja!« rief Gesche ungeduldig. »Alles! Nur weiter!«

»Na, denn also, es ist dieses – das heißt, ich glaube nicht, daß sie damit durchkommen, ich glaube wahrhaftig nicht, daß sie damit durchkommen, ich meine gegen euch, gegen ihre Frauen; aber der Legat hat es ihnen versprochen.« Timmo seufzte und sah die Meisterin bedauernd an.

»Herrgott im Himmel! Wer? Womit? Wo durchkommen? Was hat er versprochen?« polterte Gesche.

»Ja, Meisterin, leicht ist es nicht, Euch sowas ins Gesicht zu sagen«, sprach Timmo. »Also die Meister, ob alle, weiß ich nicht, etliche Meister haben dem Legaten ihr Wort gegeben, gegen den Rat zu stimmen, wenn er ihnen vom Papst die Erlaubnis erwirkt, sich noch – Meisterin, tragt mir's nicht nach; ich kann nichts dafür.«

Gesche stampfte mit beiden Füßen. »Sich noch –?«

»Sich noch eine zweite Frau zu nehmen, eine junge – ach Gott! Ruhig, Meisterin! Ruhig!«

Die Meisterin war vorläufig noch ruhig. Sie gebrauchte Zeit, um das zu begreifen. Dann fing sie an zu zittern, in ihrem Gesicht zuckte es heftig hin und her, und sie kratzte und trommelte mit allen zehn Fingern auf ihrem Schoß, ehe sie ein Wort sprach. Plötzlich schlug sie eine kreischende Lache auf; dann kam es heiser, stoßweise heraus, als ob es ihr an Atem zum Sprechen fehlte: »Also darum – wollte er's nicht sagen – das geht mich freilich nahe genug an – noch eine Frau – eine andere Frau – eine junge – will er sich nehmen; na – laß sie man kommen!!« und sie hob die geballten Fäuste vor ihre Augen.

»Ah, Meisterin, nur ruhig!« sagte Timmo. »So rasch geht das nicht.«

In Timmos Worten mußte wohl ein leiser Ton unterdrückten Lachens geschwirrt haben, denn plötzlich schoß Gesche einen giftigen Blick auf ihn; den breiten Mund verzerrend und die Zähne aufeinanderbeißend zischte sie ihn an: »Höre, Mensch! Gut bekommt dir's nicht, wenn das etwa –«

»Meisterin«, sprach Timmo mit beleidigtem Stolz, »ich kann nur sagen, was ich gehört habe, und wenn sich Meister Daniel wirklich schon eine ausgesucht hätte, eine hübsche, junge, was ich nicht weiß –«

»Will's ihm nicht raten!« sagte Gesche, und die Worte knarrten wie ein Rad auf harten Kieseln.

Da wird die Tür aufgetan, und draußen klang Daniels Stimme: »Tretet nur ein, liebe Jungfer Florentine! Tretet nur ein, meine Frau ist wahrscheinlich nicht zu Hause.«

»O ja«, rief es aus der Fensternische zurück, »deine Frau sitzt hier; laß nur die liebe Jungfer mal hereinkommen!«

»So, ich dachte du wärest ausgegangen, liebes Frauchen«, sagte Daniel, etwas unsicher mit Florentine eintretend.

»Nein, liebes Männchen, ich bin ganz und gar hier!«

Es klang, wie wenn man ein Messer wetzte. Gesche saß mit funkelnden Augen wie zum Sprunge bereit.

Als Timmo den Namen seines Liebchens hörte und das hübsche Mädchen erblickte, geriet er doch etwas in Verlegenheit, denn er konnte sich Florentines Besuch nicht erklären. Was wollte sie hier? Und mit Daniel zusammen gerade jetzt, in diesem Augenblick! Sie kam wie der Punkt hinter dem Satze, wie der ungerufene lebendige Beweis dessen, was er seiner Meisterin soeben aufgebunden hatte. Er erhob sich von seinem Schemel und wußte nicht, was er sagen sollte.

Florentine bot der Meisterin guten Tag und erhielt von ihr einen Gegengruß, hinter dem mindestens ein halbes Dutzend der schärfsten Fragezeichen tanzten.

»Die liebe Jungfer will sich von mir ein Paar Schuhe anmessen lassen«, sagte Daniel, ein eingewickeltes Päckchen, das er mitbrachte, beiseitelegend.

»Die liebe Jungfer will sich von dir ein Paar Schuhe anmessen lassen«, wiederholte Gesche beiläufig und mit einer Freundlichkeit, die wie mit Glatteis überfroren war, »so! Vielleicht schon die Brautschuhe?«

»Brautschuhe? Ach nein!« lächelte Florentine. »So eilig hab' ich's damit nicht.«

»Nicht! So! – Na, das denk ich auch, wenn Euch Euer hübsches, glattes Gesichtchen lieb ist!« erwiderte Gesche und rieb die gekrümmten Finger gegeneinander.

»Das würde doch darunter hoffentlich nicht zu leiden haben«, bemerkte Florentine.

Timmo machte eine Wendung zur Meisterin hin, sah sie steif an und beschrieb einen Ring auf der Seite seines Herzens.

»Nehmt Platz, Jungfer Florentine!« sagte Daniel und griff zum Maß.

Florentine setzte sich auf einen Stuhl, lüpfte das Gewand und hob dem vor ihr knienden Meister einen schlanken, zierlichen Fuß hin. Er zog ihr den Schuh aus und hielt ihren Fuß nun in seiner Hand, ihn schmunzelnd betrachtend, um sich seine Form recht einzuprägen; dann strich er ihr mit der anderen Hand über den Spann und die Zehen und drückte den Fuß sanft, indem er sagte: »Ihr habt ja einen ganz allerliebsten kleinen Fuß, Jungfer Florentine!«

»Warum sollt' ich nicht, Meister?« erwiderte sie. »Leichten Fuß und leichten Sinn, das lob' ich mir.«

»Leichte Fliege!« knurrte Gesche.

»Schöner Fuß ist wert 'n Kuß!« sprach Timmo.

Gesche sowohl wie Timmo hatten Daniels liebkosende Handbewegungen wohl gemerkt und gerieten beide in Eifersucht darüber, Gesche auf Florentine, und Timmo auf Daniel, dem er das Geschäft des Messens am liebsten abgenommen hätte.

»Dreizehn Stich!« sagte Daniel von der Maßlade ablesend, in die er Florentines Fuß gestellt hatte. »Nein, so ein Füßchen! Gesche, hast du schon solches Füßchen gesehen?«

Gesche klapperte mit den Zähnen, Florentine lächelte geschmeichelt und streckte den Fuß in einem himmelblauen Strumpf recht lang und schlank hervor, daß ihn Timmo sehen sollte, den sie schelmisch dabei anblinzelte. Timmo warf einen verliebten Blick darauf und sah dann wieder auf die Meisterin, die sich bereits in kochendem Zustande befand.

»Und hier über dem Knöchel, wie zart und rund und wie fein gebaut!« fuhr Daniel immer noch kniend fort. »Erlaubt noch einmal, ich habe mich wohl versehen.« Und er maß noch einmal Spann und Hacken mit einem Papierstreifen und hielt Florentines Fuß an den Zehen mit der Hand umschlossen.

Gesches Geduld ging zu Ende. »Soll ich dir vielleicht helfen, Daniel?« fragte sie wutbebend.

»Danke!« sagte Daniel. »Ich mach' es lieber allein. Solches Füßchen kriegt man nicht alle Tage zu sehen.«

Gesche wollte ihm auf den Rücken springen, aber Timmo stand wie ein Tierbändiger vor ihr und malte mit dem Zeigefinger immerfort Ringe auf seiner Brust.

»Der Blutwurm!« flüsterte er.

Endlich war Daniel fertig und stand auf. Florentine legte den gemessenen linken Fuß auf ihr rechtes Knie und zog sich mit einer liebenswürdigen Unbefangenheit den Schuh wieder an. Timmo hatte Gelegenheit, nun auch den anderen himmelblauen Strumpf zu bewundern, aber nur flüchtig, denn er durfte die Meisterin nicht lange aus den Augen lassen. Dann erhob sich auch Florentine, bedankte sich und sprach: »Wenn sie gut ausfallen, Meister, so bestellt Euch meine Herrin, Frau Walpurg Grönhagen, auch ein Paar.«

»Aha!« dachte Gesche. »Sie sorgt schon für Kundschaft.«

»Soll mir angenehm sein, Jungfer Florentine!« sagte Daniel. »Ihr sollt gut bedient werden.«

»Von mir auch!« dachte Gesche.

»Wir werden Eurer gedenken, wenn wir an den Schuhen arbeiten«, sprach Timmo mit zärtlichem Blick, »und anpassen will ich sie Euch.«

»Oder ich!« sagte Gesche.

»Das findet sich«, bemerkte Daniel.

»Aber nicht so rasch!« meinte Gesche.

»Je eher je lieber!« lachte Florentine.

Die schmucke Zofe verabschiedete sich mit freundlichen Grüßen und Daniel geleitete sie hinaus.

Jetzt hielt sich Gesche nicht länger; sie sprang auf und schnob wütend: »Also das war sie, seine zukünftige Zweite, die er mir hier ins Haus bringen will; na warte!«

»Meisterin! Um Gotteswillen, stille!« bat Timmo.

»Ach was!« rief sie. »Das muß mir von der Seele herunter, sonst ersticke ich daran!«

Als Daniel wieder hereinkam, stellte sie sich vor ihm hin und fing in einem vielversprechenden Ton an: »Ich weiß alles! Alles weiß ich, dein ganzes Geheimnis!«

»So? Du weißt es?« fragte Daniel mit verblüfftem Gesicht. »Von Timmo?«

»Ja, von Timmo.«

»Meisterin!« sprach Timmo.

»Schweig!!«

»Na? Was sagst du denn dazu?« fragte Daniel ganz vergnügt.

»Was ich dazu sage?«

»Ja! Freust du dich denn nicht?«

Gesche war sprachlos.

»Nur Mut, Gesche! Sollst mal sehen, ich setz' es durch.«

»So? Meinst du? Ich glaub' es nicht.«

»Doch, doch, Gesche! Paß auf! Aber nun mache doch mal ein freundliches Gesicht! Ist doch auch für dich eine Ehre!«

»Eine Ehre für mich! Hört ihr's, ihr Heiligen da oben?!« schrie sie.

»Mir ist es gar nicht recht, daß dir's Timmo gesagt hat.«

»Wirklich nicht?«

»Ich wollte dir eine Überraschung damit bereiten.«

»Daniel!« machte sie jetzt und holte mit der Hand aus. »Wenn du Lust hast, ein paar Stunden den hölzernen Esel auf dem Markte zu reiten, so sag's nur! Die dazu nötigen Prügel kannst du gleich hier auf der Stelle kriegen.«

»Aber Gesche!« entgegnete Daniel. »Mir das! Einem künftigen Ratsherrn!«

»Einem künftigen – was?«

»Ratsherrn! – Ja ja! Künftigen Ratsherrn!«

»Alle vierzehn Nothelfer, steht mir bei! Er wird immer verrückter!« rief sie händeringend.

»Ich denke, Timmo hat dir's gesagt, daß ich Ratsherr werden will? Das ist ja mein ganzes Geheimnis.«

»Jetzt stürzt das Haus ein«, dachte Timmo und war wie der Wind zur Tür hinaus.

Gesche achtete nicht darauf; sie trat ein paar Schritte von Daniel zurück und – was sie noch nie in ihrem Leben getan hatte, sie fing an sich vor ihm zu fürchten. Aber wie sie ihn ansah und er so dumm und verlegen dastand, schoß ihr der Gedanke durch den Kopf: was der eine kann, kann der andere auch; sie lügen beide. »Denkst du, ich soll dir den Unsinn glauben?« fuhr sie wieder auf ihn los. »Ihr beiden nichtsnutzigen, niederträchtigen Galgenstricke, du und dein sauberer Busenfreund, der Darmstädter, ihr habt irgendeine Schandtat zusammen begangen oder wollt sie erst noch begehen, und nun bildet ihr beiden Schafsköpfe euch ein, ihr könntet mir etwas weismachen? Ha ha ha! Ist in deinem Ratsherrwerden etwa für dich einen halben Pfennig mehr Verstand als in dem Quark, den mir der andere vorgemacht hat, daß du dir noch eine zweite Frau nehmen wolltest?«

»Was hat er gesagt?« schrie Daniel. »Eine zweite Frau nehmen? Gerechter Gott! Ich habe schon an einer genug!«

»An einer genug? Schon an einer genug? Wohl auch an einer zu viel? Oder gar an einer zu wenig? Du elender, treuloser Wicht!« schrie sie auf ihn los.

»Aber Gesche! Ich dir treulos! Ich bin ja so zufrieden mit dir, ich habe dich ja so lieb; wie kannst du mir nur sowas zutrauen!?« sprach er begütigend.

»Zuzutrauen ist euch beiden alles«, keifte sie, »aber Ratsherr werden zu wollen, das geht denn doch über alle menschliche Vernunft und Möglichkeit und ist auch weiter nichts als eine verfluchte Lüge. Aber warte! Ich will dir den Ratsherrn schon anstreichen!«

»Du glaubst mir's nicht?«

»Nein! Nein! Dreimal nein! In alle Ewigkeit nicht!«

»So! Na was meinst du denn, wozu ich mir diesen Samtkragen hier gekauft hätte? Den sollst du mir an mein Sonntagswams nähen, worin ich zu Rathause gehen will in die Sitzung.« Dabei hatte er aus dem mitgebrachten Paket ein Stück grasgrünen Samt ausgewickelt und hielt es ihr nun vor die Augen.

Sie riß es ihm aus der Hand und schrie: »Sonstwohin werd' ich dir's nähen, du Grasaffe du! So das Geld wegzuwerfen für eine reine Narretei.«

In diesem Augenblick steckte Hans seinen struppigen Kopf vorsichtig zur Stubentür herein, aber Gesche schmetterte sie augenblicklich wieder zu, und hätte Hans nicht blitzschnell den Kopf zurückgezogen, so wäre es bei dem derben Stoß, den er doch noch dagegen bekam, nicht geblieben. Timmo war ihm auf der Straße begegnet und hatte ihn auf Spähung geschickt, während er an der nächsten Ecke auf ihn wartete. Hans lief spornstreichs zu Timmo zurück und sagte: »Bleib nur ja noch fort! Ich glaube, sie hauen sich eben; ich gehe jetzt auch nicht nach Hause.«

Der Samt, den Gesche in der Hand hielt, gab ihr trotz aller Wut, in der sie schäumte, zu denken, und dem künftigen Ratsherrn damit dicht unter die Nase fahrend, kollerte sie wie ein Truthahn auf ihn los: »Mensch, gesteh! Oder wir sind geschiedene Leute! Was soll der Plunder? Ist er für deine zukünftige Zweite, der du hier eben ganz verliebt die himmelblaue Entenpfote gestreichelt hast, oder willst du dich selber als ein wahrer Popanz Gott weiß wo damit hinsetzen?«

Daniel hielt den Kopf schief und sagte in einem traurigen, vorwurfsvollen Ton bloß: »Gesche! Gesche! Gesche!«

»Antworten!!« schrie sie und stampfte mit dem Fuß auf.

»Aber Gesche! Die Florentine ist ja Timmos Liebste. Weißt du denn das nicht?«

»Schon wieder mal gelogen!« schnarrte sie erbost.

»Dann frag ihn selber. Ich werde Ratsherr!«

»Daniel, ich glaube, du hast getrunken«, sagte sie nun von ihm zurückweichend.

»Glaub was du willst; ich werde Ratsherr!«

Sie trat ihm mit vorgebeugtem Oberkörper ganz nahe, tupfte sich mit dem Zeigefinger auf die Stirn und sprach nachdrücklich: »Denkst denn du, daß dir ein Mensch seine Stimme geben wird? So Dumme gibt's hier nicht.«

»O ja, genug!« sagte Daniel treuherzig. »Viele wollen mich wählen.«

»Zum Spott! Zum Spott! Damit die anderen dich auslachen! Dein ganzes Leben lang wirst du sie über dich lachen hören!«

»Das wollen wir mal abwarten. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«

»Daniel, wenn du morgen Ratsherr wirst, so kannst du dir so viel Frauen nehmen wie ein Türke. Bist du nun zufrieden?«

Das machte ihn doch stutzig, und er sagte: »Meinst du wirklich, Gesche, daß es besser ist, wenn ich nicht Ratsherr werde?«

»Ich meine: Schuster, bleib bei deinem Leisten!« erwiderte sie und ging hinaus.

Daniel stand wie ein begossener Pudel und zupfte sich an der Nase. Dann wickelte er seinen grasgrünen Samtkragen wieder ein, schlug mit der Hand darauf und sagte trotzig: »Und ich werde doch Ratsherr!«

Timmo kam diesen Mittag nicht nach Hause. Erst gegen Abend stellte er sich ein, als Daniel ausgegangen war. »Guten Abend, Meisterin!« sagte er ganz unbefangen, als wenn gar nichts vorgefallen wäre.

Sie erwiderte seinen Gruß nicht, tat, als sähe sie ihn gar nicht.

»Meisterin, wißt Ihr, wo ich herkomme?« fing er nach einer Weile an.

»Ist mir ganz egal«, erwiderte sie ingrimmig, »meinetwegen kannst du wieder hingehen, wo du hergekommen bist.«

»Ich habe Euch gerächt, Meisterin! Ich habe die schön verhauen, die mir das gesagt hatten mit dem Meister von wegen der zweiten Frau; ist ja schändlich, einem so etwas vorzulügen, pfui Teufel! Nicht wahr, – Meisterin?«

»Pfui Teufel! Ja!« sagte Gesche und weiter kein Wort.

An diesem Abend war es recht still in der Löwengrube, und die Nacht sank herab, die letzte Nacht vor der Wahl über das Schicksal der Stadt und eines hochedlen Rates.


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