Julius Wolff
Der Sülfmeister
Julius Wolff

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Elftes Kapitel

Als Heinrich Viskule mit dem Hennebergschen Ehepaar allein im Zimmer war und in des Meisters großem Lehnstuhl am Fenster Frau Johanna gegenüber Platz genommen hatte, während Gotthard am Tische saß, bequem den Arm darauf gestützt, merkte Johanna wohl, daß er noch etwas Besonderes auf dem Herzen hatte, erhob sich und sagte: »Nicht wahr, Herr Ratsherr? Ihr habt mit Gotthard insgeheim zu reden, da will ich nicht hinderlich sein.«

»Nein, Johanna, bleibt hier!« erwiderte der Ratsherr, sie mit sanftem Druck der Hand zum Sitzen nötigend. »Wenn Ihr nicht schon im Zimmer wäret, so würde ich Euch bitten, hereinzukommen, damit Ihr hört, was ich unserem lieben Sülfmeister hier zu sagen habe.« Dann wandte er sich zu diesem und bewegte wieder in seiner eigentümlichen Weise die Lippen, nach Worten suchend, ehe er sprach: »Es ist nichts Neues, Gotthard, andere haben es dir schon früher gesagt, was heut auch ich als dein ältester Freund dir mit allem Nachdruck ans Herz legen will wie einen großen Wunsch, den ich keineswegs allein hege. Du kannst dir's gewiß schon denken, worauf ich hinauswill, also kurz und gut: Gotthard, komm in den Rat!«

»Das alte Lied!« erwiderte der Meister mit Stirnrunzeln. »Nun fängst du auch damit an und kennst doch meine Gründe, warum ich nicht will.«

»Ich habe deine Gründe verstanden und geachtet wie keiner«, sagte Viskule, »aber heute liegt die Sache anders. Die Pflicht gegen die gemeine Wohlfahrt dieser guten Stadt geht allen besonderen Wünschen und Bedenken vor. Die Bürger und Handwerker haben keinem von uns Ratsherrn irgendeine Unrechtsamkeit vorzuwerfen, dennoch trauen sie uns nicht recht und begehren Anteil am Regiment in dieser schweren Zeit.«

»Und wenn sie euch nicht trauen, wer ist denn schuld daran?« unterbrach ihn der Meister. »Wenn ihr euch mit Unwahrheiten abgebt und das Gerücht verbreiten laßt, ihr hättet in eurem Streit mit den Prälaten gesiegt, und nachher kommt es heraus, daß an der ganzen Geschichte auch nicht ein wahres Wort, sondern das gerade Gegenteil der Fall ist, dann verlangt ihr noch, daß euch die Bürger vertrauen sollen?«

»Ich habe dagegen gestimmt, daß man eine falsche Nachricht unter die Bürger brächte, wollte euch unsere Lage klärlich aufdecken, drang aber nicht durch damit«, sprach der Ratsherr.

»Gut, daß du mir das sagst, und ich habe mir das auch schon selber gedacht«, erwiderte der Meister; »darum will ich dich auch mit den Vorwürfen verschonen, die die Handwerker nicht mit Unrecht gegen euch erheben. Viele gehen zu weit in ihren Forderungen, und vorgestern im Bierkeller hab' ich euch mit füglichen Worten verteidigt. Wenn ich aber einmal so vor dem hochedlen, wohlweisen Rat frisch von der Leber weg reden könnte, so solltet ihr Dinge zu hören bekommen, auf die ihr um eine schickliche Antwort verlegen sein würdet.«

»Sprich dich aus, Gotthard, wie du's schon manchmal gegen mich getan hast«, sagte Viskule, »ich weiß ja, wie du's meinst, und was an mir liegt, zu helfen und zu bessern, das soll gern geschehen.«

»Du allein kannst auch mit deinem besten Willen nichts ändern. Deine geldstolzen, hochfahrenden Genossen da oben haben es nun einmal mit ihrem Trotz und ihrer schrankenlosen Willkür bei den Bürgern verdorben, daß sie sich in ihrer Ehre und ihren Rechten gekränkt fühlen.«

»Leider, leider muß ich es zugeben, was du sagst; aber eben darum, wenn du mit bei uns säßest, so wüßten sie einen auf dem Rathause, der ihre Rechte verträte und sich ihrer Bitten und Klagen günstig annähme. Sie würden treuer am Rate hängen, würden freudig gutheißen, williger tun, als wir beschließen, bloß weil du es mit beschlossen hättest.«

»Wenn ihr mich als ehrbaren Böttchermeister, der ich bin und bleiben will, in den Rat küren wollt, so mag's geschehen, aber anders nicht«, sprach Meister Gotthard und wischte mit der Hand über die Tischfläche.

»Das geht nicht, wie du weißt«, entgegnete der Ratsherr, »und dann würden viele, würden sie alle nach unseren Stühlen trachten. Nicht um einen oder mehrere Handwerksmeister ist es uns zu tun, sondern um dich, Gotthard Henneberg, um dich ganz allein. Du hast das Vertrauen, du hast die Herzen und die Hände von Tausenden hinter dir, sie folgen dir, wohin du sie führst, wenn des Rates Wort und Stimme achtlos verhallt. Dir würden sie glauben, daß zweimal zwei fünf ist, dir zuliebe würden sie im Harnisch schlafen und auf den Wällen aushalten, solange du es von ihnen verlangtest. Denke an den Kampf, der uns bevorsteht. Gotthard, komm in den Rat!«

»Du übertreibst, viellieber Freund, aus günstiger Meinung für mich«, sagte der Meister. »Ich habe so gut meine Feinde in der Stadt wie der Rat – vielleicht nicht ganz so viel«, setzte er lächelnd hinzu; »aber wenn du mir wirklich so viel Gewalt zutraust, wie du sagst, so laß mich wo ich bin. Habe ich die Bürgerschaft und die Ämter hinter mir, so weißt du wohl, daß ich sie niemals gegen den Rat führen werde. Jetzt bin ich ihresgleichen, könnte ihr Hauptmann sein, dem sie folgen, wenn ich sie zu den Waffen rufe; als Ratsherr hätte ich nicht mehr Macht über sie, als einer von euch. Hochmütig und abtrünnig würden sie mich schelten, wenn ich mein Böttcherbeil niederlegte, nur um in den Rat zu treten als einziger gewesener Handwerksmeister, und meine Gewalt über sie, ob groß oder klein, wäre dahin. Glaube mir, Heinrich, ich kann dem Rat und der Stadt am besten auf dem Platze dienen, auf dem ich stehe.«

»Du kommst ja nicht aus Schenk oder Gunst in den Rat, sollst dich auch nicht verschreiben, zu allem ja und amen zu sagen, was beraten wird. Deine Gewissenhaftigkeit und Einsicht ist es, um derentwillen wir dich zu Rate rufen, und zu der Stadt Behuf, zu der Stadt Wohlfahrt und gemeinem Besten deine Kräfte herzugeben, bist du keine andere Entschuldigung, als echte Not, vorzuwenden befugt. Dein Sohn Arnold ist alt genug, seiner selbst zu werden. Gib ihm die Werkstatt; über kurz oder lang tust du's ja doch, warum nicht jetzt? Jetzt ist es Zeit, jetzt geht es Not an Mann. Noch einmal, Gotthard – komm in den Rat!«

Ein paar Sekunden lang saß Gotthard Henneberg schweigend am Tisch, dann tat er mit der geballten Faust einen Schlag auf die Platte: »Nein!!« und erhob sich.

Frau Johanna hatte sich mit keinem Worte eingemischt, war auch um ihre Meinung noch nicht gefragt worden, aber mit stolzer Freude hatte sie aus dem beredten Munde des Ratsherrn das Lob ihres Mannes und die hohe Wertschätzung seines Einflusses auf die Bürgerschaft vernommen.

Heinrich Viskule hatte nicht mit der ihm gewohnten, kaltblütig bemessenen Ruhe, sondern mit einem Eifer gesprochen, der von der Tiefe seiner Überzeugung und der Dringlichkeit seines Wunsches Kunde gab. Auf des Meisters hartes, mit einem Faustschlag auf den Tisch besiegeltes Nein schwieg er und warf einen bekümmerten Blick auf Johanna. Diese sagte nun: »Ihr kennt ihn ja, Herr Ratsherr! Überreden kann man ihn zu nichts in der Welt. Was nicht als sein eigener freier Wille und Entschluß aus ihm selber heraus kommt, das ist ihm auch nicht abzudrücken. Darum laßt ihn nur; er muß erst mit sich selber darüber fertig werden.«

»Er ist es schon«, sagte Meister Gotthard zu den beiden herantretend und seine breite Hand auf des Freundes Schulter legend. »Du wirst es mir noch einmal Dank wissen, Heinrich, daß ich heute festgeblieben bin. Mir schwant sowas, als warte hier in der Stadt noch ein Stück Arbeit auf mich, das ich vielleicht als Böttchermeister, aber schwerlich als Ratsherr fertigbringen könnte. Wenn es Not an Mann geht, wie du sagst, so soll es an Gotthard Henneberg nicht fehlen; hier meine Hand darauf!«

»Das weiß ich, Alter! Auch ohne Wort und Handschlag«, sprach der Ratsherr, die dargebotene Hand doch fassend. »Möge es dich nie gereuen, was du mir heute abgeschlagen hast.«

»Ich glaub' es nicht«, sagte der Meister und geleitete den Gast nach dessen freundlichem Abschied von Frau Johanna hinaus. Auf ihrem Wege durch die Diele sprachen die beiden Männer kein Wort, aber an der Haustür schüttelten sie sich so herzlich die Hände, als wollten sie den alten Freundschaftsbund aufs neue bestätigen und befestigen.

Arnold sah es und dachte: ›Da ist ein Pakt geschlossen, und sie sind einig. Jetzt ist es Zeit, heut oder nie!‹

Meister Gotthard ging wieder in die Stube zu seiner Frau. Sie trat ihm entgegen und sagte vor ihm stehend: »Gotthard, du weißt, daß ich deinen Willen ehre und mein Leben lang immer geehrt habe, wenn ich ihn auch nicht recht begriff und anderer Meinung war. Ich will auch heute nicht weiter in dich dringen, aber ich möchte doch, daß du dir Viskules Vorschlag noch einmal reichlich überlegtest, ehe du ihn so ganz von der Hand weisest. Es schien doch nicht sein Wunsch allein zu sein, die Herren müssen auf dem Rathause davon gesprochen haben, sie erkennen deine Gewalt in der Stadt, sie wollen dir eine Ehre antun und dich zu ihresgleichen machen; das ist doch zu bedenken, und wäre es nicht für unsere Kinder von Wichtigkeit, wenn du in den Rat trätest?«

Meister Gotthard blickte seiner Johanna in die Augen, drohte ihr lächelnd mit dem Zeigefinger und sagte: »Frau Ratsherrin! Frau Ratsherrin!«

Das leichte Erröten stand der fünfundvierzigjährigen Frau fast lieblich. Sie wandte sich schmollend ab und mußte doch nun selber lächeln, als sie hinter ihrem Rücken Gotthards tiefes, herzliches Lachen hörte.

Arnold kam herein. Er hatte das Schurzfell draußen abgelegt, warf einen unsicheren, prüfenden Blick auf Vater und Mutter und begann mit einer Stimme, in der eine gewisse Erregung schwirrte: »Vater, ist es dir genehm, ein freundlich Wort mit dir reden zu lassen?«

Nur zu! nickte der Meister stumm und verwundert.

»Vater!« sprach Arnold, »wenn mich nicht alles täuscht, so habt Ihr heute mit Herrn Viskule etwas abgemacht, was auch mich einigermaßen angeht.«

»Ich wüßte nicht was und wieso«, erwiderte der Meister, dem diese Ansprache wie der Anfang eines Verhörs vorkam, in dem er von seinem eigenen Sohn über sein Tun und Lassen zur Rechenschaft gezogen werden sollte.

»Nun, wie du willst, Vater«, sprach Arnold, der sich durch den vermeintlichen Mangel an Vertrauen zu ihm gekränkt fühlte; »wenn ich es noch nicht wissen soll, so brauchen wir ja nicht davon zu reden. Aber was mich allein angeht, darüber darf ich wohl mit dir sprechen, denk' ich.«

In Arnolds Ton lag etwas, was dem Vater mißfiel und ihm wie eine Herausforderung klang, obwohl Arnold in dem Augenblick nichts weniger als dieses beabsichtigte. Aber Meister Gotthard stand ohnehin mit seinem ältesten Sohne nicht auf so gutem Fuße wie mit seinen anderen Kindern, weil sich Arnold nicht immer so willig seinen Wünschen fügte und ihn öfter durch Widerspruch reizte. Er schwieg aber, und Arnold fuhr fort: »Vater, ich bin bald fünfundzwanzig Jahr alt, verstehe mein Handwerk, wie ich es von dir und anderen ehrbaren Meistern in der Fremde gelernt habe, und nun – nun wäre es wohl an der Zeit, mein' ich, daß ich – mit einem Wort, Vater, ich möchte gern das Amt eschen und meiner selbst werden.«

»Du willst das Amt eschen«, wiederholte der Meister, »und dann?«

»Und dann? Nun, und dann möchte ich mir mein eigen Feuer und Rauch schaffen und mich befreien.«

»Etwa mit der Ursula Dippold?«

»Ja, Vater, mit Ursula Dippold.«

»Kommst du mir wieder damit?« rief der Meister heftig. »Niemals! Nun und nimmermehr geb' ich das zu!«

»Gotthard«, sagte Frau Johanna.

»Schweig! Sprich mir nicht hinein!« schnob er die Frau an.

»Vater, was hast du gegen die Ursula?« fragte Arnold.

»Das weißt du! Sie ist eines bescholtenen Mannes Kind!«

»Aber sie selber ist eine ehr- und tugendsam Jungfrau, die in Schapel und Band zur Kirche ziehen kann.«

»Der Frohn geht beim Freiböttcher ein und aus.«

»Sie sind arm, und du weißt am besten, Vater, wodurch sie's geworden sind. Aber ein Kesselflicker oder Schäfer ist Meister Dippold nicht und treibt auch sonst kein verachtet Handwerk, er ist Böttcher wie wir.«

»Mit falschem Tonnenmaß.«

»Das büßt er schwer genug, und die Ursula hat dir noch keinen Wein verschüttet.«

»Soll sie auch nicht, soll mir auch keinen einschenken, ich mag sie nicht haben als Tochter. Befreie dich nur mit einer ehrlichen Person aus dem Amt, wie es Handwerks Gebrauch und Gewohnheit ist nach altem Herkommen.«

»Aber ich liebe die Ursula und lasse nicht von ihr«, entgegnete fest und entschieden Arnold, dem des Vaters kalt abweisende Strenge das Herz zusammenpreßte.

»Trotz meinem Verbot, das du schon mehr als einmal nachdrücklich genug von mir gehört hast«, fuhr ihn der Vater an. »Denkst wohl, ich weiß es nicht, daß du dich immer noch mit der Dirne herumziehst, nach Feierabend hinschleichst und ihnen hilfst bei ihrem Kram? Ich habe getan, als merkte ich's nicht, habe gedacht, es wird sich schon geben, wollte Geduld mit dir haben, aber ich sehe wohl, ich muß mit Gewalt dem Dinge ein Ende machen, wenn du nicht von selber zur Vernunft kommst.«

»Vater«, sprach Arnold mit schwankender Stimme, »laß dich erbitten, verschlage mir mein Glück nicht! Du kennst die Ursula nicht, sie ist ein braves Mädchen, hat arbeiten und sparen gelernt und wird dir als Tochter keine Unehre machen.«

»Sie sollen wohl in Lüneburg mit Fingern auf dich weisen: das ist der Eidam des Freiböttchers, den der Alte aus dem Amte gestoßen hat, weil er falsches Maß lieferte, und nun freit der Sohn des Ausgestoßenen Tochter; es soll wohl heißen: aha! Dem Alten tut's leid, es war gewiß unrecht, und nun sieht er's ein und will's wieder gutmachen? Niemals leid' ich das, niemals!«

»Niemals, sagst du? Vater, weißt du, was ich dann tue?« fragte Arnold, der sich in seiner tiefen Erregung zu einer immer unbotmäßigeren Haltung in Stimme und Gebärde hinreißen ließ. »Dann geh' ich in die Fremde und nehme die Ursula mit, auch ohne deinen Segen, und ihr seht mich nicht wieder.«

»Tu, was du Lust hast!« rief der Meister nun noch lauter und heftiger. »Aber wenn du meinst, du wärest mir über die Hand gewachsen, so irrst du dich sehr. Ich habe zu gebieten, und du hast zu gehorchen.«

»Alte Hunde sind schwer zu bändigen, Vater!«

»Dich weiß ich noch zu bändigen, und wie! Haha! Du willst Selbstherr werden? Doch nicht ohne mich. Kannst mich wohl nicht früh genug loswerden aus der Werkstatt? Möchtest dein Erbe vorweg haben? Denkst, der Gilbrecht ist da, und nun sind hier Hände genug? Du bist mein Knecht, der in meinem Brote steht; kannst mir ja aufsagen, wenn du willst, und gehen, so weit dich deine Beine tragen. Aber das Amt eschen kannst du nicht ohne mich, deinen Meister, und mit meinem Willen sollst du's auch nicht. Hast du zehn Mark aufzuweisen, unverborgt und ungeliehen, wie du es mußt, wenn du dein eigen Handwerk bauen willst? Kannst du die Auflage zahlen beim Selbstherrwerden und die vier Pfund Wachs zur Lichterkrone und das Geld für die gemalten Glasfenster und für Harnisch und Leichentuch? Hast du dir etwas erspart in deinen Mutjahren? Nichts, gar nichts! Meinst wohl, ich soll's bezahlen? Nicht die Meisterkost richt' ich dir aus, wenn du mir mit der Dippoldschen kommst.«

»Ich sage dir, Vater, von der Ursula laß' ich nicht, allen Ämtern und allen Amtsmeistern der Welt zum Trotz!«

»Und ich sage dir, die Ursula freist du nicht, und das Werk eschest du nicht, nicht eher, als bis ich es dir sage. Damit hast du für diesmal und für allemal deinen Bescheid!«

»Vater, ist das dein letztes Wort?« fragte Arnold zitternd und bebend.

»Mein letztes!« sprach der Meister und kehrte dem Sohne den Rücken.

»Nun, so muß ich mir selber helfen! Die Gelegenheit kommt einmal, Vater! Und sollte sie mit Blut und Schrecken kommen – ungenutzt laß' ich sie nicht!« Damit stürmte er hinaus.

Als er hinaus war, hielt sich Johanna nicht länger. Sie sprang auf, rang die Hände und rief: »Gotthard! Gotthard, was hast du getan? Du treibst ihn ins Elend hinein; du sollst sehen, wir verlieren ihn, und er ist doch unser Sohn! Ich kenne seinen Sinn, er ist so hart wie deiner; er gibt nicht nach. Was soll nun werden?«

»Soll sich der Vater dem Sohne beugen oder der Sohn dem Vater?« sprach grollend der Meister. »Ich leide es nicht, ich dulde in meiner Sippe kein anrüchig Volk; die Ursula bekommt er nicht, und das Werk auch nicht, jetzt gerade nicht!«

Die Meisterin verhüllte ihr Gesicht und weinte.

»Vor Jahr und Tag hab' ich's dem Jungen verboten, sich mit der Dippoldschen noch länger einzulassen«, sprach zornrot der Meister, »er hat nicht gehorcht, er will mir trotzen, er wagt es, mir zu drohen. Das Handwerk will ich ihm legen!« Er setzte sich in seinen Stuhl und trommelte mit den Fingern auf die Armlehne.

Als bald darauf Ilsabe aus ihrem Schwalbennest heruntergestiegen kam, traf sie auf der Treppe mit Arnold zusammen, der zum Ausgehen gekleidet war. »Wohin jetzt schon?« fragte die nichts Ahnende. »Ist denn schon Feierabend?«

»Wo ich hin will?« entgegnete Arnold finster und rauh. » –ins Elend, Schwester!«

Damit ließ er die tief Erschrockene stehen und ging seiner Wege.


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