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Wie Leufried großes Leid um seinen Schwieger trug und wie er nach seinen Eltern und Geschwistern schickte und der Kaufmann samt seinem Sohn wieder heimritt.

Die gute Pflege und Wartung, so Leufried täglich bewiesen wurden, brachten ihn in kurzen Tagen wieder zu seinen verlorenen Kräften. Ehe er seiner empfangenen Wunden ganz genesen war, war ihm der Tod seines Schwiegers ganz verborgen, bis er auf einen Tag seine Hausfrau zur Rede setzte, welche Ursache doch verhinderte, daß der alte Herr ihn so gar nicht in seiner Krankheit besucht hätte. Von diesen Worten ward Angliana gar hart betrübt, fing an kläglich und bitterlich zu weinen und erzählte Leufried alles, was sich in der Zeit zugetragen hatte. Da Leufried solches vernahm, gehub er sich dermaßen übel, daß männiglich in Sorgen stunden, er würde in eine schwerere und größere Krankheit fallen, dann die vorher gewesen war, derhalben ihn der Kaufmann und sein Sohn, desgleichen Angliana trösteten, so gut sie mochten. Leufried aber klagte nicht mehr, als daß er ihn vor seinem Ende nicht noch einmal hatte sehen mögen.

Zuletzt nahm er sich vor, nach seinem allerliebsten Vater zu schicken, desgleichen nach seiner Mutter, so noch mit etlichen seiner Geschwister auf vielgedachtem Meierhof in großer Arbeit ihre Nahrung gewinnen mußten. Darauf machte Leufried geschwind seine Ordnung, schickte zwei seiner vertrautesten Diener nach ihnen. Die kamen in kurzen Tagen dahin und richteten ihre Botschaft ganz fleißig aus, davon die zwei alten Menschen herzlich erfreut wurden. Sie verkauften eilends, was sie hatten, Vieh, Acker, Wiesen, Haus und Hof, und machten das alles zu barem Geld. Da fand der gute Erich erst, wie reich er war; denn er brachte eine ziemliche Barschaft zusammen, nahm Urlaub von seinen guten Freunden und Nachbarn und ritt mit großen Freuden mit seines Sohnes Dienern davon.

Als sie nun zu Leufried kamen, sind sie gar freundlich von ihm und seiner Gemahlin empfangen worden, desgleichen von all seinem Hofgesinde. Kurz darnach kamen die Räte zusammen und sagten Leufried, dieweil der gute alte Herr also durch Unglück umgekommen wäre, sei es hoch vonnöten, daß er sich jetzt huldigen und schwören ließe, dieweil ihm die ganze Grafschaft von wegen seiner Gemahlin zugefallen wäre. Bald darnach ließ Leufried seine Ordnung geben in allen Flecken und Städten und setzte einem jeden seinen Tag an, auf welchen er kommen wollte, den Eid von ihnen zu empfangen; das dann in kurzen Tagen also vollzogen ward. Demnach ordnete Leufried zu Hof alle Sachen auf das allerbeste, gebot auch dem Hofgesinde, daß sie all insgemein seinem Vater und seiner Mutter Zucht und Ehre beweisen sollten, sie in keinem Weg desto geringer achten, darum daß sie einfältige Bauersleute wären; denn er hätte dennoch Fleisch und Blut von ihnen empfangen. Daß ihm aber Gott zu solchem hohen Stand geholfen, habe er ihm größlich zu danken; denn er hätte sonst auch in den Äckern seine Nahrung suchen müssen:

»Aber Gott hat mich durch seine gnädige Fürsehung dahin kommen lassen, so daß ich meinen Eltern auch zustatten kommen mag. Des ich und ein jeder nach dem göttlichen Gesetz schuldig ist zu tun, so wir anders lange leben wollen in dem Land, so uns der Herr geben wird, wie er selber in den zehn Geboten verheißen hat.«

Dies und anderes ward dem Hofgesinde fürgehalten, sie kamen auch solchem Befehl ganz geflissen nach. Auch ward Hirt Erich und sein Weib von Angliana in hohen Ehren gehalten, desgleichen von ihrem Sohn Leufried; denn er lebte in großen Freuden mit ihnen.

Als nun der Kaufmann auf ein Vierteljahr bei ihnen gewesen war, nahm er samt seinem Sohn Urlaub von Leufried. Walter aber sagte ihm zu, in kurzer Zeit wieder bei ihm zu sein; denn es hatte Angliana eine schöne Jungfrau an dem Hof, so von gutem Adel geboren, aber sehr arm war. Derselbigen ward Walter sehr günstig und zeigte es seinem Gesellen Leufried an. Dieser gewann eine besonders große Freude hierdurch und sagte Walter, wann er wieder zu Land käme, wollte er ihm diese zu seiner Gemahlin geben und ihn darnach zu seinem Hofmeister annehmen; des Walter sehr wohl zufrieden war. Er ritt mit seinem Vater heim, säumte sich aber nicht lange und machte seine Ordnung, damit er bald wieder zu Leufried, seinem liebsten Bruder, kommen möchte.

Da dies seine Eltern bemerkten, gedachten sie wohl, Walter wird nicht mehr von Leufried kommen. Deshalb nahmen sie sich gänzlich für, all ihr Gut, so sie hatten, zu barem Geld zu machen und in Leufrieds Grafschaft zu ziehen. Ihrem Sohn Walter sagten sie gar nichts davon, schrieben aber Leufried von diesem Anschlag, davon er nicht minder erfreut wurde, als da ihm seine liebsten Eltern zu Hause gekommen waren.


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