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Wie Kordula und Florina von dem Grafen befragt wurden, warum seine Tochter also verschlossen in der Kammer sitze, und wie er nach Leufried schicken ließ, dieser aber auf keine Weise kommen wollte.

Als nun Leufried zu Hof nicht mehr gesehen wurde, auch Angliana gar nicht mehr zum Vorschein kam, da hat erst alles Hofgesinde auf der Närrin Worte ein besonderes Gedenken gewonnen, und war um Leufried nicht wenig Klage; denn sie waren ihm alle sehr gut. Da aber der Graf wahrnahm, wie sich Angliana hielt, ließ er die beiden Jungfrauen, Florina und Kordula, welche Angliana allein zu sich ließ, vor sich in den Garten berufen. Florina war voller Furcht und ist mit erschrockenem Herzen vor dem Grafen auf die Knie gefallen, desgleichen auch Kordula. Er hieß sie aber aufstehen; denn er hatte nicht aus bösem Willen zu ihnen gesendet, sondern nur, um zu erfahren, wie sich seine Tochter hielt. Und da er der Jungfrau Kordula versprochen hatte, sie ohne Zorn anzuhören, so sprach sie:

»Gnädiger Herr, unsere liebste Jungfrau wird weder essen noch trinken, bis sie erfahren, wo Leufried hingekommen ist. Jetzo führt sie eine ernstliche Zeit mit Weinen und Klagen, nichts redet sie, nichts gedenkt sie als an ihren Jüngling, der ihr Herz ganz gefangen und besessen hat. Darum, gnädiger Herr, so Ihr das Leben Eurer Tochter liebt, so müßt Ihr unserer Jungfrau ihren liebsten Jüngling anzeigen; denn Trost, Warnung, Strafe und Lehre mag nicht an ihr verfangen. Ich habe mit Florina so vieles an ihr versucht, aber alles umsonst.«

Dieweil Kordula so mit dem Grafen sprach, weinte sie ganz züchtiglich dazu, welches der Graf desto mehr beherzigte. Nicht weniger Tränen vergoß auch die getreue Florina, sie schlug ihre beiden Hände ineinander und kniete hinter ihrer Gespielin. Dies nahm der Graf alles gar wohl wahr und sprach:

»So geht hin und sagt meiner Tochter, der Jüngling sei noch im Leben und samt seinem Gesellen und Leuen heimlich von meinem Hofe geritten, habe mir auch meinen liebsten Jäger erschlagen; des soll sie ganz gewiß sein und ihr Klagen und Trauern fahrenlassen.«

Als die beiden Jungfrauen mit züchtigem Urlaub von dem Grafen geschieden waren, haben sie eilends Angliana diese Botschaft überbracht. Wiewohl sie etwas Trost davon empfangen, hat dennoch die Trauer in ihr geschwankt. Der Graf aber ist in seinen Sessel niedergesessen und hat der Sache gar tief nachgesonnen:

Will mich denn das Glück also haben, wohlan, so tröste ich mich doch, daß Angliana einen solchen Jüngling erwählt hat, der mit Tugend und Mannheit hoch von Gott begabt ist. Ach, wäre mir doch die Sache vor langem bewußt gewesen, leicht hätte ich den König bewegt, ihn zum Ritter zu schlagen und mit Wappen, Schild und Helm zu begeben. Alsdann wäre es mir nicht zu verweisen gewesen, wie jetzt. Wüßte ich den Jüngling nur zu finden, ich wollte ihn durch einen Boten zurückberufen lassen.

Solches gedacht, stand der Graf auf, schrieb dem Jüngling einen Brief und sicheres Geleit und ließ einen Boten damit nach Lissabon reiten; denn er glaubte gewißlich, der Jüngling sei an des Königs Hof. Auch unterrichtete er den Boten, wie er dem Jüngling mit Worten anliegen sollte, wenn er etwa auf den Brief nicht traute. Der Bote ritt hin mit großen Freuden; denn auch ihm war des Jünglings Abschied sehr leid gewesen. Diesen Boten lassen wir reiten und sagen, wie sich Leufried derzeit gehalten hat.


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