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Wie Angliana dem Hündlein ein schönes Halsband stickte mit perlenen Treuen sehr künstlich und wie das Hündlein zu der Jungfrau kam und gar zärtlich erzogen wurde.

Da Angliana und Leufried sich mit freundlichem Gespräch ganz wohl ergötzt hatten und es sie Zeit deuchte, zu scheiden, nahm der Jüngling einen freundlichen Urlaub von ihr und ging nach seiner Gewohnheit vor seines Herrn Gemach, allda seines Dienstes zu warten. Die Jungfrau bedachte sich aber nach seinem Abschied nicht lange und nahm in ihrem Gemach von Stund an schöne Perlen, Samt und Seide zur Hand und begann dem Hündlein ein reiches und köstliches Halsband zu sticken, eine schöne Treu von Perlen auf jeder Seite und mit vergoldeten Spangen geziert, desgleichen mit einem vergoldeten Schloßring oder Haften zusammengefügt. Als nun das Halsband mit allem Fleiß gearbeitet worden, hat sie eine ihrer liebsten Jungfrauen, der sie am besten vertraute, in ihr inneres Gemach gerufen und also zu ihr gesprochen:

»Meine vertrauteste und liebste Florina, ich bitte dich, du wollest dich nicht anders gegen mich erzeigen, als ich allezeit in dich großes Vertrauen gehabt. Füge dich, sobald du nur kannst, zu dem Jüngling Leufried, sage ihm, sobald er Zeit habe, soll er zu mir in mein Gemach kommen mit seinem schönen weißen Hündlein; denn ich habe demselben dieses Halsband mit eigener Hand gewirkt und will es ihm auch selbst anlegen.«

Florina wollte soeben dem Befehl ihrer Jungfrau nachkommen, als sie von ungefähr durch das Fenster in dem Lustgarten Leufried mit seinem Hündlein kurzweilen sah. Bald sprang sie mit Freuden die Treppe hinab und kam in den Garten. Da Leufried sie erblickte, merkte er gleich, daß sie ihn suchte, und da er ihre Botschaft empfangen hatte, folgte er ihr freudig in Anglianas Gemach, die ihn freundlich empfing. Sie nahm das Halsband, legte es dem Hündlein um seinen Hals und sprach:

»Lieber Leufried, ich habe dem schönen Hündlein dieses Halsband versprochen, und ist es gleich nicht sehr künstlich gearbeitet, so bitte ich dich doch, es an ihm in acht zu nehmen und ihn darum noch besser zu pflegen, ihn auch hinfüro nicht anders als Treu zu nennen.«

Leufried antwortete züchtiglich mit freudigem Herzen:

»Liebste Jungfrau, ich danke Euch herzlich für Eure Gabe und will mich ganz nach Eurem Befehl halten.«

»Das ist mein Wille«, sagte Angliana, »und wäre es mir sehr leid, wenn du um diesen schönen Hund kommen solltest.«

Der Jüngling verstand wohl an den Worten der Jungfrau, daß sie den Hund gern eigen hätte. Darum nahm er ihn bei dem neuen schönen Halsband und führte ihn zu der Jungfrau Angliana und sprach:

»Gnädige, liebe Jungfrau, so es Euer Gnaden nicht beschwerlich sein wollte, wäre es meine untertänigste Bitte, dieses Hündlein von mir zu einem Geschenk anzunehmen, dieweil es mir nicht wohl zu verwahren möglich sein will; denn mein Herr schickt mich öfter und weiter als seine übrigen Diener aus. Sollte mir dann das Hündlein mitsamt dem köstlichen Halsband entkommen und solltet Ihr Euch etwas darum betrüben, so müßte es mich ja ewig gereuen, daß ich diesen Bracken je in meinem Leben gesehen. Darum bitte ich Eure Gnaden, daß Sie diesen schönen Hund von mir annehme.«

»Das will ich mit Freuden tun«, sagte Angliana, »und des schönen, edlen Hündleins gar wohl pflegen; dir aber, mein liebster Leufried, soll dieses reiche Geschenk vergolten werden.«

Also wurden viel freundliche Worte von Leufried, Angliana und den anderen Jungfrauen getrieben, bis jetzt die Zeit des Nachtimbisses angekommen war und man die Glocke zu Hof läutete, welche alles Hofgesinde zur Tafel rief. Leufried verließ nun seine liebste Jungfrau und wartete nach wie vor fleißig auf sein Amt; dies blieb also eine Weile. Wir wollen aber wieder von dem Kaufmann Herrmann reden und wie es ihm mit seinem eigenen liebsten Sohne ergangen ist.


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