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Wie Leufried von seiner Mutter genommen und in die Stadt zu seinem Paten gebracht ward, der ihn gar zärtlich auferzog.

Als nun Herrmann, der Kaufmann, gedenken konnte, sein angenommener Pflegesohn habe der Muttermilch genugsam genossen, weil er über ein Jahr alt war, so schickte er nach dem Meier Erich und seinem Weib, befahl auch, daß sie das Kind mitbringen sollten. Es geschah mit gutem Willen. Die kamen beide an einem Sonntagmorgen mit dem Kinde. Herrmann hatte eine herrliche Mahlzeit zubereiten lassen, zu welcher er alle seine guten Freunde berief. Da nun jedermann zu Tisch saß, sprach er vor ihnen allen also:

»Ihr meine lieben, angenehmen Freunde und Gönner, damit niemand gedenken möge, mein Versprechen sei bei dem Weine oder im Schlaftrunk geschehen, so bitte ich euch alle als Zeugen, wie ich mit meiner Gemahlin Laureta verabredet und mit ihrem guten Willen beschlossen habe, dieses Kind, so ihr hier vor euch seht, hinführo nicht anders als meinen eigenen Sohn, den mir Laureta zur Welt gebracht, zu halten. Damit sei aber nicht gesagt, als solle es sich je seiner Eltern entschlagen, sondern all mein Gesinde soll es dahin weisen, daß diese seine natürlichen Eltern sind; diese mögen es auch täglich fleißig besuchen. Ist es dann bis zu seinen mannbaren Jahren gekommen, so will ich ihn mit einer ehrlichen Tochter verbinden und aussteuern wie meinen eigenen und einigen einzigen. Sohn. Dem allen zum Zeugnis habe ich euch zu diesem Mahle berufen, darum seid fröhlich mit mir!«

Dieses Versprechen gefiel ihnen allen wohl, und nun trug man Speise und Trank auf, bis das Mahl mit großen Freuden vollendet war. Herrmann befahl seinem Weibe, das Kind in guter Pflege zu halten, und das tat auch Laureta nach ihres Mannes Befehl. Hirt Erich aber und sein Weib, wiewohl sie wußten, daß ihr Kind wohl und ehrlich besorgt wurde, schieden dennoch mit großem Trauern aus der Stadt; denn das elterliche Herz ward in ihnen erregt. Da sie aber täglich in des Kaufmanns Haus kamen, vergaßen sie bald des Trauerns, weil sie ihr Kind vor ihren Augen gedeihen sahen.

Als nun Leufried und des Kaufmanns Sohn ein wenig zu Verstand kamen, ließ sie Herrmann in die Schule gehen, wo sie denn in kurzer Zeit fleißig und gar wohl studierten. Insonderheit verwunderte man sich sehr über Leufrieds hohen und sinnreichen Verstand. Alle anderen Schüler hatten auch eine besondere Achtung vor ihm und warfen ihn gemeinsam zu ihrem König und Regenten auf. Leufried, nachdem er zu einem König erwählt worden war, fing an, alle Ämter zu besetzen, wie er einem jeden besonders vertraute. Da er nun sein Reich auf das fleißigste angeordnet hatte, war die ganze Menge der Schülerlein in ihren Spielstunden ihm auf das getreueste unterworfen.

Es war aber noch eine Schule in der Stadt Salamanka, in welche viel mehr adlige Knaben gingen als in Leufrieds Schule. Diese rotteten sich zusammen, verachteten die andere Schule mit ihrem König, weil er eines Hirten Sohn und nicht von Adel geboren war. Diese Verachtung nahmen Leufrieds Untertanen sehr übel, brachten es auch vor ihren König, der meinte, daß ihm großes Unrecht dadurch geschähe, und ermahnte sie deshalb, den Schimpf an seinen Feinden zu rächen; was sie ihm alle zu tun versprachen. Nun war ein junger adliger Knabe in Leufrieds Schule, welcher alles, was er vernahm, Leufrieds Feinden hinterbrachte. Diese warfen nun auch einen König unter sich auf, der war ein junger, frecher und stolzer Edelknabe. Alsbald sagten die beiden Schulen ohne Vorwissen ihrer Schulmeister einander ab, einander absagen – Fehde ankündigen. bestimmten einen Platz, auf welchem sie künftigen Sonntag eine Schlacht gegeneinander liefern wollten. Leufried war das gar wohl zufrieden und rüstete sich auf das beste mit seinen Gesellen, damit er seine Feinde besiegen möchte.


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