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Wie Leufried zu dem Grafen kam in Einsiedelsgestalt und wie ihn der Graf in sein Gemach mit sich führte.

Des Morgens früh stand Leufried auf und nahm Urlaub von seinem Mitbruder, dem Einsiedel; der wünschte ihm viel Glück zu seinem Fürnehmen, auch daß er einen gnädigen Herrn haben möchte. Also machte sich Leufried eilends auf und kam vor die Pforte, ehe daß sie geöffnet ward. Er saß davor, bis sie aufging. Da zog er hinein, ging in die Kirche und wartete auf seinen Bruder Walter; denn er hatte es mit ihm so abgeredet, daß er in der Kirche auf ihn warten wollte.

Es verging nicht lange, da kamen Walter und der Schildbube miteinander. Sie waren seiner Ankunft sehr froh. Walter sagte ihm alles das, so er von dem Grafen gehört hatte. Davon gewann Leufried keinen kleinen Trost. In solcher Weil stand der Graf auch auf, legte sein Gewand an, lag demnach an einem Laden Fenster. in seinem Gemach und hörte dem Gesang der Vögel zu, davon er sich dann größlich erlustigte. Der Schildbube aber ersah den Grafen an dem Fenster und sagte das den beiden Jünglingen an. Walter säumte sich nicht lange, fügte sich vor des Grafen Gemach und klopfte ganz säuberlich an. Des Grafen Kammerbube schloß zuhand das vordere Gemach auf und fragte Walter, was sein Geschäft wäre. Walter sagte:

»Ist mein Herr auf, so wollest mich ihm ansagen; denn ich habe etwas Nötiges bei Ihr Gnaden auszurichten.«

Der Knabe sagte es dem Grafen; sobald der nun Walter ersehen hat, gedachte er von Stund an, Leufried wäre vorhanden. Walter tat dem Grafen seine Reverenz, wünschte ihm einen glückseligen Morgen. Der Graf dankte ihm gar freundlich, fragte ihn und sagte:

»Walter, was bedeutet dein frühes Anklopfen? Sag, ist etwas Neues vorhanden?«

»Gnädiger Herr«, sagte Walter, »der Einsiedel, von dem ich Euer Gnaden auf den gestrigen Tag gesagt habe, der ist schon vorhanden.«

»Das höre ich gern«, sagte der Graf, »sage mir, Walter, wo ist er?«

»Gnädiger Herr«, sagte Walter, »er sitzt in der Kirche und wartet, was ihm Euer Gnaden für einen Bescheid geben wollen.«

»So gehe hin«, sagte der Graf, »und sage ihm, daß er zu mir hinten an mein Gemach in den Garten komme, da werden wir uns nach aller Notdurft miteinander besprechen.«

»Das soll eilends geschehen«, sagte Walter. Er ging schnell hin zu Leufried und sagte ihm des Grafen Befehl.

Leufried fügte sich von Stund an in den Garten, da fand er seinen Herrn ganz allein, ohne alle Diener. Leufried fiel dem Grafen zu Fuß und sagte:

»Ach, mein gnädiger, lieber Herr, ich armer Diener bitte Euer Gnad durch Gott, mir zu verzeihen; denn ich habe gar größlich an Euch gesündigt.«

Der Graf sagte:

»Leufried, steh auf und sei getrost! Dir ist alles vergeben, so du je wider mich getan hast, wiewohl ich dir solches nie zugetraut habe. Dieweil aber das Glück dir dermaßen so gar günstig ist, kann ich nicht darwider fechten. Ich sehe, daß alle menschlichen Ratschläge wider den Willen des Allmächtigen nichts vermögen auszurichten. Darum so lass' ich alles fahren, und wird jetzt nichts nötiger sein, dann daß wir ratschlagen, wie doch der Sache zu begegnen sei, damit ich nicht von anderen Rittern und Grafen getadelt werde. So wäre mein erster Rat und endliche Meinung, du zögest an des Königs Hof und beklagtest dich meiner Ungnade. So weiß ich dir den König dermaßen günstig und gnädig, daß er nicht lassen wird, mir eilends zu schreiben, daß ich dich in Gnaden aufnehme. Sodann mag ich mich gegen männiglich entschuldigen und sagen, der König hat es also mit mir geschafft, den habe ich ja nicht erzürnen dürfen. So du aber einen geschickteren und füglicheren Weg weißt, magst du mir denselbigen anzeigen.«

Leufried sagte:

»Gnädiger Herr, ich bitte, Euer Gnad woll mir nicht verargen und mir vergönnen zu reden. Ich habe mir gänzlich vorgenommen, dem König eine Zeitlang zu dienen, damit ich in ritterlichen Taten auch etwas geübt und erfahren werde. Ich bin berichtet von etlichen aus des Königs Hofgesinde, wie daß er Reisige mustern werde, dieselbigen dem König aus Kastilien zu schicken; denn er wird gar gewaltig von denen aus Galizien überzogen. Sodann diese Reise vorgehen sollte, wäre es eine gar gelegene Sache für mich. Ich wollte mich auch vor einen Reisigen lassen bestellen und mich dermaßen unterstehen in den Handel zu schicken, daß ich nicht wenig Ehre und Ruhm davontragen wollte. Dies ist mein endliches Vorhaben, Wille und Meinung, werde auch sonst keine Ruhe haben weder Tag noch Nacht, meinem Willen sei dann ein Genüge geschehen. Damit mag ich mich vor Afterrede bewahren, daß nicht etwa meiner Mißgünstigen einer sagen möchte: Was hat doch Leufried gesehen, in welchen Scharmützeln oder Schlachten ist er gewesen und brüstet sich dennoch so hoch herfür. Diesem vorzukommen, weiß ich mir keinen gewisseren Weg.«

Diese Meinung gefiel dem Grafen aus der Maßen wohl, sagte auch Leufried zu, ihn auf das beste mit Roß und Harnisch zu versehen, ihm auch einen Buben zu geben, damit ihm seine Bestallung bei dem König gebessert würde. Wie sie also in dem Garten an die zwei Stunden beieinander gewesen, führte der Graf Leufried mit in sein Gemach, gab ihm andere Kleidung, hieß ihn den Kotzen von sich legen, jedoch erfuhr er zuvor von ihm, was ihn doch in solchem Kleid zu schlafen verursacht habe, was ihm Leufried alles der Länge nach erzählte.


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