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Wie Leufried zu dem Waldbruder kommt, den er vor seiner Zelle im Wald sitzen fand, und wie ihn der Bruder empfing.

Leufried hatte gar große Begierde, daß er zu dem Beghart oder Waldbruder käme, hatte auch gute Kundschaft mit ihm und wußte, daß er nicht von ihm ausgeschlagen würde. Als er nun zu der Kapelle kam, fand er den Bruder zunächst dabei an einem lustigen Brunnen sitzend. Er grüßte ihn gar freundlich und hielt mit seinem Pferd ein wenig still. Der Bruder dankte ihm, sah ihn gar ernstlich an und verwunderte sich über seine Zurückkunft, dieweil er von etlichem Hofgesinde vernommen, wie er weggeritten sei und niemand ihn zu finden wüßte. Als er ihn aber ganz wohl erkannte, sagte er:

»Leufried, mein lieber Freund, bist du es, oder betrügt mich mein Gesicht? Ich meine nicht, daß du so verwegen seist, nach dem, was ich gehört, daß du in meines gnädigen Herrn Land reist. Bist du aber Leufried, dafür ich dich dann halte, so bitte ich, du wollest dich eilends aus dem Lande machen. Ich sorge, solltest du meinem Herrn unter die Augen kommen, du möchtest dein Leben nicht bewahren, es sei denn, daß mein Herr eines anderen bedacht sei denn vor einem Monat.«

Leufried zog sein Geleit, so ihm der Graf mit seinem Siegel geschickt hatte, herfür und sagte: »Reichard, lieber Bruder, ich bitte, du wollest dieses offene Geleit lesen, so mir vom Herrn ist nach Salamanka zugeschickt worden.«

Reichard sagte, alsbald er den Brief gelesen hatte: »Des freu ich mich im Grund meines Herzens; denn dein Hinscheiden hat mich sehr bekümmert. Nun sage mir, bist du schon zu Hof gewesen, oder bist du erst willens hinzureiten?«

»Das bin ich, lieber Bruder Reichard, noch unbedacht, komme auch darum zu dir, daß ich hierin deines Rates pflegen will.«

»So weiß ich dir«, sagte der Bruder, »in diesem Falle gar nicht zu raten. Wenn ich aber des jetzigen Herrn Sinn und Gemüt so wohl erkannt als seines Vaters, der vor langer Zeit mit Tod abgegangen, wollt ich dir wohl zu raten wissen. Denn was er mit dem Mund versprach und zusagte, hielt er ganz getreulich, wiewohl ich von diesem auch nicht anders gehört habe. Dazu bist du von Jugend auf um meinen gnädigen Herrn gewesen, darum du ihn billig besser denn ich kennen solltest.«

»Sicher«, sagte Leufried, »habe ich ihn nie gegen jemanden Gewalt brauchen sehen, sondern allezeit als einen frommen und milden Herrn erkannt. Ich aber will mich dennoch nicht so gar weit bloßgeben, ich habe denn zuvor mit meiner liebsten Jungfrau in eigener Person geredet, wie ich das schon will zuwege bringen. Du sollst wissen, mein lieber Bruder, ich habe mir zu Lissabon heimlich einen Rock, Mantel und Kappe, auch einen ganz kontrefetischen contrefaire – (franz.) nachahmen, verstellen. Bart machen lassen, damit ich mich in die Gestalt eines Einsiedels verkleiden mag. Sodann habe ich meiner liebsten Jungfrau durch meinen lieben und vertrauten Bruder Walter von Salamanka geschrieben, daß ich auf künftigen Sonntag zur Kirche sein wolle. Alsda werde sie mich in eines Begharts oder Einsiedels Gestalt vor der Kirche sehen und persönlich mit mir reden. Ich wollt ihr auch mit meiner Hand ein schönes Büchlein präsentieren, darin sie beschrieben finden wird meine Geburt und mein ganzes Leben bis auf diese gegenwärtige Zeit, auch was ich mir endlich fürgenommen habe, weiter zu tun oder mein Leben darob zu verlieren. Nämlich, daß ich eine Zeitlang an des Königs Hof Dienst suchen und mich dermaßen bei dem König anbringen will, also daß ich hoffe, in kurzer Zeit Ritter geschlagen zu werden, damit ihr Vater nicht täglich an mein schlechtes Herkommen, sondern auch an mein Leben und meine mannlichen Taten gedenken tu.«

Reichard, der Bruder, sagte:

»Leufried, lieber Freund, bist du dieses Vorhabens, so mußt du fleißig mit der Sache umgehen, damit dir nicht begegne mit dem Buch wie mit dem Ring und Brief, so du meintest, der Jungfrau sollte solches werden, und käme ihrem Vater zu Hand. Des ich alles gute Erfahrnis habe von einem Schildbuben, der mir täglich meine Kost vom Hof in diesen Wald bringt; denn derselbe sagte mir auch in der Beichte, wie er deines Heils eine Ursache sei und dich vor dem falschen Jäger gewarnt habe.«

»Ach Gott«, sagte Leufried, »möchte ich diesen Buben sehen, der wird mir in allem meinem Anschlag der allerfürnehmste Helfer sein.«

»Des sei getrost«, sagte Reichard, »es sei denn, daß er in dieser Nacht verschieden, so wird er, ehe zwei Stunden verschienen sind, bei mir in diesem Wald sein. Darauf magst du dich wohl bedenken, was du mit ihm zu reden habest.«

Leufried sprach:

»Mein lieber Reichard, was sagte dir doch der Bube in den letzten zwei Tagen, hat er meinen Bruder nicht zu Hof gesehen?«

»Nein, gar nichts«, sagte Reichard, »denn wir sind in dreien Tagen deinethalben gar nicht zu Red gekommen.«

»Nun bin ich ganz gewiß«, sagte Leufried, »daß mein Gesell auf diesmal zu Hof ist.«

Also hatten sie mancherlei Gespräch miteinander, bis auf die Zeit, da der Knabe mit dem Brot kommen sollte.


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